Kapitel 1 - Rot

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Rot. Die Farbe der Rosen, die in dem Garten vor dem Fenster blühen. Die Farbe der Wut und des nicht zu zügelnden Zorns, der in mir aufstieg, als ich in das Waschbecken starrte. Die Farbe des Blutes, das in meinen Adern fließt.

Über die Scherben des Spiegels, die verstreut in dem kleinen Badezimmer waren, war mein persönlicher Rotton verteilt.

Ich bemerkte erst, dass ich zitterte, als ich begann die Scherben einzusammeln oder es zumindest versuchte. Es konnte am Blutverlust liegen oder daran, dass ich zwar nicht mehr weinen konnte, aber die Schluchzer einfach nicht aufhörten.
Gegen die Badewanne sinkend, das Knirschen der Scherben unter meinen Füßen, fühlte ich mich so erbärmlich wie schon lange nicht mehr.

Als es an der Tür klopfte versuchte mein Körper hoch zu zucken, doch nach einer Stunde in Fötus Haltung und gegen eine kalte Marmorwanne gelehnt war mein Körper zu steif für derartige Aktionen. Dementsprechend konnte ich auch nicht die Tür abschließen und Claire trat ungehindert ein.

Ihre grünen Augen hatten immer gewirkt als könnten sie Tote zurückholen, mit der scheinbar unendlichen Energie und Freude, die sie ausstrahlten. Doch als ich ihr in diesem Moment in die Augen sah, waren sie zwar immer noch genauso wunderschön wie all die Jahre zuvor, doch ohne jegliches Leben und mir wurde in diesem Augenblick erst so richtig bewusst wie groß die Lücke eigentlich war, die er in ihr hinterlassen hatte.

Sie sagte kein Wort während wir die Scherben wegräumten und mein Blut wegwischten.
Sie sagte auch nichts zu dem kaputten Spiegel oder zu meinen zerschnittenen Händen, sondern verband sie nur.
Eigentlich hätte ich Schmerzen haben müssen, ich hätte etwas sagen oder zumindest erklären müssen, doch sie fragte nichts und ich sagte nichts.

Wie eine stille Vereinbarung schwiegen wir über das, was uns klar war und in der Stille zu schreien schien. Doch dann atmete sie tief und zittrig ein und sah mich an, mit diesen toten Augen aus denen Tränen liefen, als wäre es normal.

„Wir hätten zusammen weinen können Alexa."

Und das Rot ihrer verweinten Augen spiegelte das Rot wieder das meine ganze Welt zu füllen schien. Ich nahm sie in den Arm und wir blieben so stehen, bis die Sonne versank und die Wärme mitnahm, während sie in einem roten Himmel unterging.

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