Ohne Vorwarnung klappte Josh, einen Augenblick zuvor noch im Rausch sprintend, vor seinen Augen zusammen.
Nicht ein noch so leises Geräusch hatten sie gemacht als sie sich in dem kleinen Gässchen zwischen Hundezwinger und Werkstatt verschanzt hatten, selbst die Rottweiler gaben keinen Muchs von sich. Sicher hätten die Brüder es bemerkt wenn dem anders gewesen wäre, ihr Gehör hatte Skinny C nämlich nie in Mitleidenschaft gezogen.
Einzig und allein die Professionalität ihrer Männer hatte es ihr ermöglicht ihren teuflischen Schazug in die Tat umzusetzen, dennoch war es ein eindeutiges Matt.Noch ehe er erkannte was soeben passiert war, stolperte Emanuel über die Leiche seines gerade verstorbenen Bruders und schlug der länge nach auf dem Kiesweg auf, keuchte vor Schmerz und blieb liegen. Das schwache Mondlicht bot ihm in Kombination mit den heruntergekommen Baracken zu beiden Seiten nur sehr begrenzte Sicht, nicht einmal das Rudel inzwischen wütend kläffender und an die Käfigtür herumspringender Hunde zu seiner Rechten konnte er erkennen. Es war aus. Vorbei. Er hatte Josh gesagt er hielte es für einen Fehler Skinny C zu bestehlen, doch dieser Sturkopf wollte es einfach nicht hören. Es sei kein Diebstal hatte er immer nur erwiedert, es sei das Richtige. Skinny C sah das anders.
Beide wussten von unzähligen Partien gegen sie, dass sie eine äußerst gewitzte Strategin war, mal ganz abgesehen von ihrer Skrupellosigkeit. Die Zeiten der lustigen Abende auf der Terasse des Klubhauses, durchdrungen vom Gesang der betrunkenen Mitglieder der Cosa Cheviera, dem Bellen und Winseln der Hunde und den endlos andauernden Schach-Spielen zwischen ihren Eltern und Skinny C, welche immer in Moralpredigten und Ratschlägen für ihn und seinen Bruder endeten, waren vorbei.
Damals waren sie noch als Familie vereint. Damals wussten sie nicht was ihre Eltern getan hatten. Damals War die riesige Farm der Gang noch ihr Zuhause. Damals waren ihre Eltern noch am leben.Mit wachsendem Alter wuchsen ihre Pflichten, ihre Verantwortung, ihr Können. Ebenso schnell schrumpfte Skinny C's Toleranz gegenüber Fehlern und wenn es zu einem kam waren die Strafen grausam. Auf unerklärliche Weise schien sie immer zu wissen was geschah. IMMER. Hauptsächlich beschränkte sie sich auf Verbrennung von Haut und tiefe Schnitte in Arme und Beine, wenn ihr Zorn jedoch überhand nahm verlor sie die Kontrolle.
In einem solchen Moment hatte Emanuel sein linkes Auge eingebüßt, als Antwort auf seine Berichterstattung über das elfjährige Mädchen welches ihnen im letzten Moment entkommen war.Sie hatte bereits den gesamten Heimweg von der Schule argwöhnisch über ihre Schultern geblickt, mehr und mehr in Panik verfallend als sie bemerkte, dass die beiden sich absolut gleichenden Männer jungen alters ihr dauerhaft folgten. Kurz bevor sie in das verlassene Waldstück zwischen Stadtrand und ihrem Heimathof hätte abbiegen müssen fuhr ihr verfluchter Großvater auf einem uralten Traktor an ihr vorbei, hielt an und sie kletterte hastig zu ihm hinauf. Während seine Enkelin und er an den Zwillingen vorbei fuhren, augenscheinlich auf dem Weg richtung Markt, da ein Anhänger voll Gemüse und anderen Produkten des Familienhofes den rostigen Trecker noch langsamer machte als er eh schon war, zeigte sie direkt auf die Brüder und gestikulierte wild vor ihrem Opa umher. Schnellstmöglich entfernten sich die Beiden von der Straße, stiegen in ihren nahe geparkten Pickup mit schwarz getönten Scheiben und kehrten zur Ranch zurück.
Noch ehe er ausgesprochen hatte, war ein Blitz grellen Schmerzes durch Emanuels Kopf gezuckt, ausgehend von seinem Auge, in dem sich ein 8cm langer Stahlnagel wiederfand, welchen Skinny C mühelos hinen gerammt hatte. Skinny C hasste es einem Kunden abzusagen und das musste sie nun zwangsweise.
Besonders nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern, in einem, danach bis auf das Fundament heruntergebrannten, Haus, war den Zwillingen kaum noch Freude vergönnt. Mutter und Vater waren auf einer der vielen Missionen für Skinny gewesen und nie zurück gekehrt, ohne sich zuvor auch nur von ihren Kindern zu verabschieden. Mit der Zeit erfuhren diese warum sie, ihre Mutter und ihr Vater als einzige Sonderrechte genossen und jedes, noch so hart gesottenes, Mitglied der Cosa in ihrer Anwesenheit plötzlich betreten schwieg. Und mit der Zeit wurde ihnen ebenfalls klar das sie so nicht weiter leben konnten und wollten. Zuviele Leben wurden durch ihre Taten beendet, zerstört oder verkauft - zu groß war ihr eigenes Leid. Ein Bruchteil des Geldes der Cosa Cheviera wurde durch ihre florierende Hundezucht und kleine Söldnermissionen erwirtschaftet.
Der Großteil durch den Handel mit Kindern, erbeutet durch die ehemals vierköpfige Familie in Skinnys engestem Kreise.
Bereits zwei Monate zuvor hatten sie begonnen diese Nacht zu planen. Josh sollte dafür sorgen das die Wachposten schliefen, ein leichtes für jemand der seine Ausbildung genossen hatte. Von klein auf wurden er und sein Bruder in den klaren Drill der fast schon militärischen Präzision der Gang integriert. Nur diese beiden waren etwas besonderes - sie waren die Nachfahren ihrer Eltern - ruhmlose Legenden innerhalb der Chevieras.
Emanuel hatte die Kinder aus den Kellerverliesen des Klubhauses befreit, ihnen zuvor ein Loch in den Haupt- und Vorzaun geschnitten und den Weg dorthin mit Knicklichtern markiert. Um die Aufmerksamkeit von ihnen zu lenken wollten er und Josh die beiden Lagerhäuser auf der anderen Seite des Geländes in Brand stecken und dann über den Weg zwischen den Baracken hindurch zur Fahrzeughalle gelangen, von wo aus es ein leichtes wäre in dem entsandenen Chaos mit einem der Pickups durch das Haupttor zu brechen, endlich in die ewig ersehnte Freiheit zu gelangen, Skinny C's Allwissenheit zu entkommen.Nun lag er da, konnte den Kies in seinem Gesicht spüren. Sie hatten es fast geschafft, waren so weit gekommen. Der Sieg war zum greifen nah gewesen, doch plötzlich unerreichbar. Benommen drehte er sich auf den Rücken, wurde sofort von vier Paar Händen gewaltsam nieder gedrückt und von grellen Taschenlampen geblendet. Skinny C's heisere Stimme ertönte im Hintergrund: ,,Ihr seid eben die Söhne eurer Eltern... Doch du wirst für euren törichten Versuch MICH zu hintergehen nicht brennen..." Sie hatte es gewusst. Wie immer. Langsame Schritte näherten sich knirschend im Kies. "Ich kenne dieses Spiel bereits und ich gewinne immer! Warum wollen mir alle immer die armen Kinderlein wegnehmen?!" Nach einer ewig andauernden Minute hysterischen Lachens fügte sie noch hinzu: ,, Dieses mal sind es nicht einmal die eigenen - schade das es so enden musste. So viel verschwändetes Potential. Deine Eltern wussten ihrer Zeit nicht wo ihr Platz ist und wollten mir euch wegnehmen. Nun habt ihr vergessen wo der eure ist. Schade." Ein warmer Tropfen Blut tropfte auf seine Brust, der nächste auf seinen Hals. Ein schneidender Schmerz in der Kehle, dann nichts.
Jetzt sind sie als Familie vereint. Jetzt wissen sie was ihre Eltern getan haben. Jetzt sind sie Zuhause.
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