Kapitel 2

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Langsam versuchte ich meine Augen zu öffnen. Sie waren so unendlich schwer, als hätte ich grade mal eine Stunde geschlafen. Doch innerlich war ich hellwach. Mein Herz klopfte wild in meiner Brust, währenddessen ich immer noch das Bild vor meinen Augen hatte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses schreckliche Gesicht jemals wieder vergessen könnte. Diese Adern, die rot und blau überall hervor traten. Der Mund, fast nur noch aus Knochen bestehend, aus dem das schwarze Blut nur so tropfte und die Haut, die so vertrocknet und mit offenen, eitrigen Wunden aussah, als hätte sie schon Jahrelang so vor sich hin gefault. Doch das schlimmste war dieser verrückte Killer Blick, als ich in die blutunterlaufenden, schwarzen, trostlosen Augen schaute, aus denen das Leben wohl schon vor Jahrzehnten verschwunden war.

Ich merkte wie sich meine Härchen bei dem Gedanken an das Gesicht aufstellten und mein ganzer Körper zu zittern begann.
Vorsichtig versuchte ich etwas zu erkennen, doch es war zu hell. Meine Augen waren das Licht nicht mehr gewohnt.

Wo war ich überhaupt?

Ich versuchte mich langsam aufzusetzen, was ich, nachdem ein großer Schmerz wie ein Blitz durch meinen Körper schoss, jedoch schnell wieder aufgab und beschloss nochmal meine Augen zu öffnen.

Das Licht brannte höllisch in ihnen, doch nach einigen Minuten klimpern konnte ich endlich wieder was erkennen.
Ich lag in einem weißen, kleinen Raum mit vielen Geräten um mich herum, die durchgehend entweder piepsten oder klackerten. Es machte mich beinahe verrückt, doch was mich noch mehr nervte, waren diese ganzen Schläuche die in meinen Armen steckten. Ich hatte auch die Befürchtung, dass sie selbst in meinem Hals steckten, doch so genau wollte ich es garnicht wissen. Ansonsten hätte ich wohl nicht garantieren können, dass sie weiterhin dort bleiben würden.
Mein Blick schweifte weiter, bis er auf ein Bild direkt neben der großen, weißen Tür traf. Es zeigte eine tolle, weite Landschaft, mit einer grünen Wiese und vielen, großen Bäumen. Zwischen ihnen schien ein kleiner Bach durch zu fließen, vor dem eine braune Maus grade versuchte, sich einen Weg durch das Dickicht zu bahnen. Ich liebte die Natur. Es war schon immer ein Teil von mir. Früher sind mein Vater und ich immer nach dem Kindergarten in den Wald gegangen, um Nüsse, Kastanien, Pilze oder Blätter zu sammeln. Manchmal sprang sogar ein kleiner Blumenstrauß für meine Mutter dabei raus oder wir fingen Fische für unser Abendessen. Ich habe diese Zeit geliebt. Es schien mir, als gäbe es keine Probleme auf dieser Welt. Das plätschern des kleinen Baches hatte mich immer beruhigt, wenn ich gestresst aus der Grundschule kam und, so verrückt es auch klang, ich habe es geliebt mit den Tieren zu sprechen und mit den Vögel zu singen. Ich war aber auch noch nie ein Mensch, dem viele Dinge peinlich waren. Mit meinen Freunden habe ich so gut wie jeden Scheiß mitgemacht, ohne einen Anflug von schlechtem Gewissen. Wir hatten einfach Spaß. Etwas, was Erwachsene wohl eines Tages verlernen. Denn wenn man Erwachsen wird, stirbt das Herz. Das hab ich zumindest früher immer gedacht.
Ich lebte in meiner eigenen Welt, ohne Gesetzte oder Zeiten, zu denen man das sein sollte. Ich spielte lieber Feen oder Pferdchen, ich hüpfte den ganzen Tag draußen herum und ging ab und zu mit meinen Freunden im See baden.
Mein bester Freund und ich hatten sogar ein Baumhaus, in das wir voller Freude unseren Spruch einritzen.

Phantasie ist die einzige Waffe im Kampf gegen die Realität.

Und ich bin immer noch der gleichen Meinung. Doch mein Freund leider nicht. Wir zerstritten uns in der fünften Klasse. Er war der Meinung, ich wäre zu Kindisch, weil ich nicht so sein wollte wie jeder andere auf dieser Welt. Langweilig und gestresst.

Diese Erinnerung war ein Wunder Punkt von mir und die Gedanken daran stachen wieder genau in mein Herz. Ich hatte es immer noch nicht ganz verkraftet, wie vieles in meinem Leben, aber meine Eltern haben mich egal wobei unterstützt. IMMER.

H&H- Mädchen des goldenen HerzensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt