Teil 2

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Nach einer weiteren Woche ohne ein sinnvolles Wort auf dem Papier begab sich Levi ein weiteres Mal in die Hände des Fachmanns für psychologische Therapien, alias Erwin Smith.

Bei diesem angekommen, durfte er direkt wieder in das schlichte, aber warm eingerichtete Sprechzimmer gehen, wo er sich wieder auf dem Stuhl gegenüber von Erwin setzte. Dieser schenkte ihm auch gleich wieder Tee ein, welchen er dankbar trank und den Blonden dann mehr oder weniger interessiert ansah.

"Wie haben die Tabletten denn gewirkt?", fragte der Ältere dann nach, während er wieder einige Sachen auf seinem Notizblock notierte.

"Außer, dass ich danach nichts mehr ab der Therapie wusste, hab ich seit Langem nicht mehr so gut geschlafen.", meinte der Schwarzhaarige etwas spitzzüngig und schlug die Beine in einer gekonnten Art und Weise übereinander, wie wahrscheinlich nur Levi selbst sie als aufmüpfig erscheinen lassen konnte.

"Ach ja. Das sind die Nebenwirkungen. Ich hatte wohl letztes Mal vergessen sie zu erwähnen.", entkam es dann dem wohl geformten Mund, welcher sich darauf leicht zusammen presste. Scharfsinnige blaue Augen blitzten den Kleineren wissend an, wussten sie ganz genau, dass das keine Nebenwirkung war, sondern ein sehr wohl beabsichtigter Effekt, den Erwin gekonnt ausgenutzt hatte und auch weiterhin ausnutzen würde.

Doch wusste er noch nicht, dass Levi da bereits eine gewisse Vermutung hatte - viel mehr eine paranoide Idee, die sich in seiner Ideenlosigkeit entwickelt hatte und er prüfen wollte. Vielleicht hatte sie ja doch Wurzeln, die tiefer reichten als er zunächst glaubte.

In seinen Gedanken gefangen, nahm Levi gar nicht war, dass der Therapeut ihm mehrere Bilder hingelegt hatte. Auf allen waren verschiedene Situationen mit den damit verbundenen Emotionen zu erkennen. Kurz darauf war die tiefe Stimme seines Gegenübers zu hören, welcher ihm eine Aufgabe stellte:"Suchen Sie die drei Bilder aus, die am ehesten Ihr letztes halbes Jahr darstellen. Wenn Sie mögen können Sie dazu auch etwas schreiben oder die Situation, wie sie auf Sie wirkt und welche Bedeutung sie hat, erklären."

Konzentriert blieb der Blick des Kleineren auf jedem Bild haften, schien die Geschichte dahinter zu suchen, den Zusammenhang mit seinem Leben. Doch er fand nur ein Bild, welches quasi auf sein Leben zu geschnitten waren. Ein einsamer Mann zwischen zwei Grabsteinen. Zusammen gekauert, vermutlich weinend. Viel was anderes hatte er in dieser Zeit nicht geschafft, war sein Job seit dem Todestag der beiden nur noch bergab gegangen und keinerlei Hoffnungsschimmer am dunklen Himmel. Für Levi wäre es wohl hilfreicher gewesen, wenn er wenigstens irgendwas hätte schreiben können, selbst wenn es nur irgendwelcher melancholischer Mist wäre, dann hätten wenigstens diese kleinen Möchtegern-Emo-Mädchen das Buch gekauft und er hätte wenigstens etwas Geld für den Erhalt der Firma gehabt. Doch das Dasein als Workaholic war ihm nicht gegönnt. So verbrachte er die ersten Wochen eigentlich nur auf dem Friedhof, hoffte, dass die beiden vielleicht doch noch aus einer Ecke gesprungen kamen und "Überraschung" schrien.

Jedoch wurde das nie zur Wirklichkeit. Unbewusst hatte der Mann mit den eisblauen Augen das Bild in die Hand genommen und strich mit dem Daumen darüber. Erst als eine Träne aus seinem Augenwinkel auf die Szenerie fiel, bemerkte er es. Verwundert starrte Levi erst das Bild, dann Erwin an. Seit der Beerdigung hatte er nicht mehr vor jemanden geweint.

"Fuck...", nuschelte der Schwarzhaarige und weitere Tränen folgten fast schwallartig. Alle angestauten Emotionen flossen aus ihm, all die Traurigkeit, die er nie jemanden zeigen wollte, entkamen nun seinen Augen und seiner Kehle durch heftige Schluchzer. Panisch zog er darauf die Beine an seinen Oberkörper und weinte einfach, hielt ein Taschentuch, das Erwin ihm reichte, fest als würde sein Leben daran hängen und weinte einfach nur. Nach einigen Minuten hatte sich Levi wieder etwas beruhigt und wischte sich grob über die Augen, wollte wieder stärker wirken, nicht wie ein Häufchen Elend. Erwin atmete einmal tief durch und sprach dann den Jüngeren an: "Ich denke, damit wäre die Stunde dann getan. Mir war es wichtig, dass Sie ihre Emotionen herauslassen und nehmen Sie bitte die Tablette wieder." Levi nickte gehorsam, doch nahm er dieses Mal nur die Hälfte der Tablette und schlummerte somit wieder ein.

Nach einer gefühlten Ewigkeit wachte Levi wieder auf und sah sich verschlafen um. Seine Umgebung identifizierte er als Auto, als Fahrer seinen Psychologen Erwin. Müde bedeckte er seine Augen mit der Hand, tat ihm das plötzliche Licht doch etwas in den Augen weh.

"Warum sitz ich im Auto?", fragte Levi und setzte sich dabei etwas gerader hin, versuchte seine Augen etwas wacher zu machen.

"Sie sind während der Sitzung eingeschlafen und ich wollte Sie wenigstens nach Hause bringen", erklärte der blonde Mann ihm und fuhr in die Straße, in der das Haus des Autors stand. Nur ein kleines 'Dankeschön' entkam den Lippen des Jüngeren, ehe er auf ziemlich wackligen Beinen aus dem Auto stieg und dabei mitbekam, wie wieder sein Unterleib mit einem stechenden Schmerz wehtat.

"Der nächste Termin ist wie besprochen", waren die letzten Worte, die dem Älteren mit einem viel zu freundlichen Lächeln entkamen. So freundlich konnte einfach niemand in Wirklichkeit sein, weshalb Levi nur noch misstrauischer wurde und dem Blonden beim wegfahren noch kurz beobachtete, doch dessen Auto verschwand schon bald aus seinem Blickfeld, in die Richtung aus der es gekommen war. Nachdenklich betrat Levi dann sein Haus und sah sich in der scheinbar endlosen Leere um. Wie zu erwarten war niemand da. Er schlich in die Küche und machte sich etwas zu Essen, um dann wieder in sein Bett zu gehen. Auch wenn er nur die Hälfte der Dosis genommen hatte, war er doch sehr müde und erschöpft. Vielleicht hatte dieser Gefühlsausbruch auch sein gewisses Etwas dazu beigetragen. All diese angestauten Emotionen waren einfach unkontrolliert aus dem Schwarzhaarigen gesprudelt und er hatte sie keinen Moment länger zurück halten können.

Doch verstand er immer noch nicht so recht warum Erwin ihn nicht einfach geweckt hatte. Irgendwas stimmte mit diesem Typen nicht, das merkte Levi genau, das sagte ihm sein Gespür als Autor, sein Gespür für falsche Menschen. Und dieser Mensch war falscher als alles, was er bisher gesehen hatte. Irgendwas verbarg dieser Mann, auch wenn er noch nicht genau wusste was es war, wollte er es unbedingt herausfinden, wollte diesen Punkt finden und sehen was hinter dieser durchtrainierten Fassade steckte, was für ein kranker Kopf diese strahlend blauen Augen führte.

Wie jeden Abend vor dem Einschlafen nahm Levi das Bild seiner Freunde, welches immer auf seinem Nachttisch stand, in die Hand und wünschte beiden eine gute Nacht. Danach legte er sich hin und schlief mit diesem Gedanken im Kopf ein, grübelnd wie er Erwin aus seinem Schlupfwinkel ziehen konnte.

Das war dann auch schon das nächste Kapitel :'D Ich hoffe es hat euch gefallen. Danke an HitakeKurosaki für's Beta-lesen.
Lovi

Black outWo Geschichten leben. Entdecke jetzt