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Etwa drei Monate nach meinem Tod entschloss ich mich, mir endlich einen Job zu suchen.
An meinen alten Arbeitsplatz konnte ich natürlich nicht zurück. Zum einen war ich an meinem Todestag gefeuert worden, zum anderen glaubten sie dort immer noch, dass ich friedlich in einem Grab läge. Außerdem brauchte ich einen Job, den man nicht bei Tageslicht ausüben musste.
Immerhin hatte ich genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. Mein bester Freund Zayn besaß jetzt mein Haus und ließ nicht zu, dasd ich Miete zahlte. Obwohl ich Einspruch erhob, beglich seine Truppe von Superbuchhaltern alle Rechnungen. Außer Teebeutel, Milch und Ähnlichem brauchte ich keine Lebensmittel. Mein Auto war abbezahlt. Meine monatlichen Ausgaben waren also nicht sehr hoch. Dennoch wollte ich nicht für immer auf Zayns Großzügigkeit angewiesen sein.
Deshalb stand ich jetzt hier, auf den Stufen des Arbeitsamtes des Staates Minnesota. Jeden Donnerstag hatten sie extra lange geöffnet - Gott sei Dank!
Beim Durchschreiten der Tür blies mir die kühle Luft der Klimaanlage entgegen, und ich erschauderte. Seit meinem Ableben war mir ständig kalt. Auch darauf - wie auf so vieles - hatte mich keiner vorbereitet. Ganz Minneapolis stöhnte unter einer Hitzewelle, und ich als Einziger fühlte mich pudelwohl.
"Hallo", sagte ich zur Dame am Empfang. Sie trug einen steifen grauen Anzug und hätte mal wieder ihren Haaransatz nachfärben lassen müssen. Ihre Schuhe konnte ich nicht sehen. Wahrscheinlich war das auch besser so. "Ich wende mich an das Arbeitsamt, weil ..."
"Pardon, Miss, es heißt Arbeitsagentur. Arbeitsamt ist ein Unternehmen des 21. Jahrhunderts."
"Richtig. Ähem ... okay ... ich möchte gerne einen Termin mit einem Ihrer Berater."
Meine dreiste Bitte büßte ich mit dem zwanzigminütigen Ausfüllen von Formularen. Dann wurde endlich mein Name ausgerufen, und ich saß einem Berater gegenüber.
Er war ein freundlich, aussehender, älterer Herr mit dunklem Haar, einem grau gesprenkelten Bart und schokoladenbraune Augen. Erleichtert bemerkte ich seinen Ehering und das Bild seiner hübschen Frau und seiner zauberhaften Kinder. Ich wünschte inbrünstig, dass er eine glückliche Ehe führte, damit er sich nicht zum Idioten machen müsste, wenn mein untotes Charisma ihn kalt erwischte.
"Hallo, ich bin Dan Mitchell." Wir gaben uns die Hand, und ich registrierte, wie er erstaunt die Augenbrauen hochzog, als er meinen feucht-kalten Händedruck fühlte. "Louis Tomlinson, richtig?"
"Das bin ich."
"Ist alles in Ordnung mit Ihren Augen?"
Die Sonnenbrille trug ich aus zwei Gründen. Zum einen tat mir das Neonlicht weh. Zum anderen fielen Männer meinem Charme nicht zum Opfer, wen sie meine Augen nicht sehen konnten. Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war ein sabbernder, liebeskranker Sachbearbeiter.
"Ich komme gerade vom Augenarzt", log ich, "der hat mir diese Augentropfen gegeben."
Er blätterte durch die zahllosen Formulare, die ich ihm überreicht hatte. "Das sieht alles sehr gut aus ..."
"Das hoffe ich. Ich wende mich an das Arbeitsamt, weil ..."
"Wir sind eine Arbeitsagentur", sagte Mitchell geistesabwesend und blätterte weiter.
"Richtig, richtig. Wie auch immer, ich brauche einen neuen Job, und bis es so weit ist, brauche ich Arbeitslosengeld. Und dazu hätte ich eine Frage ..."
Mitchell schaute alamoert auf. "Ähm ... da muss ich leider einhaken. Dafür sind wir nicht zuständig."
Ich blinzelte. Das konnte er hinter meiner Foster-Grant-Brille aber nicht sehen. "Pardon?"
"Wir sind eine Arbeitsagentur. Das ist unsere Aufgabe."
"Sicher. Schon verstanden. Aber was ist mit ...?"
"Wenn Sie Arbeitslosenunterstützung  beantragen wollen, müssen Sie die Hotline anrufen. Oder ins Internet gehen. Es tut mir leid, aber hier können wir Ihre Frage leider nicht beantworten."
"Verstehe ich das richtig. Dies ist der Ort, an den ich mich wende, wenn ich arbeitslos bin."
"Ja."
"Und hier gibt es Anträge auf Arbeitslosengeld."
"Aber natürlich!"
"Aber es gibt hier keine Person, an die ich mich wenden kann, um Arbeitslosengeld zu beantragen."
"Ja, das ist korrekt."
"Oh, okay." Das war seltsam, aber ich wollte kooperativ sein. Möglicherweise. Ich lehnte mich in meinem unbequemen Plastikstuhl zurück. "Nun gut. Könnte ich bitte Ihr Telefon benutzen, um die Hotline anzurufen?"
Mitchell steckte mir entschuldigend die Hände entgegen. "Ach je, wissen Sie, früher war das noch möglich, aber manche Leute haben unsere Hilfsbereitschaft ausgenutzt, also ..."
"Sie sagen mir also, dass ich die Hotline des Arbeitsamtes nicht von einem Arbeitsamt aus anrufen kann?"
"Nun ja, technisch gesehen sind wir kein Arbeitsamt mehr. Das sagte ich ja bereits."
Ich begann mich zu fragen, ob sich ein Vampir betrinken könnte, und beschloss, es herauszufinden, sobald ich der bürokratischen Hölle entronnen wäre.
"Und deshalb kann ich es Ihnen leider nicht erlauben." Er zuckte mit den Achseln. "Sorry."
Ich zog meine Sonnenbrille ab, lehnte mich vor und durchbohrte ihn mit meinem bösen, untoten Blick. Ich fühlte mich scheußlich dabei, aber ich war verzweifelt. "Ich. Muss. Ihr. Telefon. Benutzen."
"Nein!" Er griff nach dem Apparat und drückte ihn schützend gegen seine Brust. "Das ist nicht erlaubt!"
Erstaunlich. Eigentlich hätte er jetzt, nachdem ich meine besonderen Vampirkräfte eingesetzt hatte, Wachs in meinen Händen sein sollen, aber sein Beamtenethos widerstand dem Bösen.
"Sie müssen nach Hause gehen jnd den Anruf auf Ihre eigenen Kosten machen", schnappte er.
Ich stampfte zurück in den Warteraum. Empörend! Ich war nicht irgendein dahergelaufener Untoter, ich war der König der Vampire!
"Vergessen Sie nicht, einen Fragebogen zur Kundenzufriedenheit auszufüllen, bevor Sie gehen!", rief Mitchell mir hinterher.
Lieber Gott, töte mich. Jetzt sofort. Noch einmal, meine ich.

Süss wie Blut und teuflisch Gut *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt