O3

5 0 0
                                    

Obwohl das alles so schnell passiert und es sich hier um wenige Sekunden handelt, werde ich in diesem Augenblick in eine Zeitlupe versetzt, in der sich alles langsam und haargenau vor mir abspielt.

Ich sehe dem Jungen vor mir gerade in seine Augen, als plötzlich eine tiefe Stimme schreiend ertönt und unverständliche Worte durch das Gebäude hallen, welches plötzlich ganz still gelegt wird. Ich kann behaupten, dass jeder, wirklich jeder auf einmal sein Reden unterbricht und zum Eingang schaut.
Wahllos schießt ein schwarz gekleideter Mann um sich, eine Schusswaffe fest in seiner Hand, laute, ohrenbetäubende Schüsse zu hören.
Irritiert entreiße ich meine Hand aus Harrys und stehe von der Bank auf, um besser erkennen zu können, was vor sich geht, beobachte, wie sich das zuvor friedliche Einkaufszentrum in ein schreckliches Chaos in Null Komma Nichts verändert.
Immer mehr Schüsse ertönen, gefolgt von gequälten Schreien, bevor die Menschen sich erst langsam zu bewegen scheinen. Der Mann zielt aus Zufall auf Menschen, schießt ab, bevor Kugeln mit einer rasanten Geschwindigkeit auf unschuldige Personen treffen, sie schmerzvoll aufstöhnen lassen, bevor sie schmerzerfüllt, gar leblos auf den Boden fallen.

Immer mehr und mehr Blut sammelt sich auf dem beigen Fliesenboden, bevor die Menschen realisieren, was geschieht und eine Massenpanik ausbricht. Ich höre Kinder weinen, Frauen schreien, Männer panisch rufen, dass alle wegrennen sollen. Und sie tun es; sie rennen um ihr Leben, laufen, wenn sie es denn schaffen, in irgendwelche Läden, um sich dort verstecken und sich in Schutz bringen zu können. Doch was mit den anderen Menschen geschieht, die nicht schnell genug waren, erschüttert mich zutiefst und lässt Übelkeit in mir aufkommen.

Zunehmend liegen immer mehr Leute auf dem kalten Boden, sind bereits schon tot oder es bleiben ihnen nur noch wenige Sekunden zum leben, vielleicht erleben sie gerade den schlimmsten Schock und Schmerz ihres Lebens. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Ältere. Sie alle werden umgebracht, angeschossen oder erleiden ein großes Trauma.

Und während das alles um mich herum geschieht, ist mein Körper stocksteif und ich rege mich gar nicht. Nicht Mals meine Brust hebt und senkt sich in der Zwischenzeit, genauso wenig bewegen sich meine Lider, die blinzeln sollten. Mein Leib ist eingefroren und erst, nach einigen Sekunden ohne jegliche Reaktionen, beginne ich wirklich zu realisieren, was sich vor mir abspielt.

Ein Amoklauf. Ein Massaker. Ein Anschlag.

Ich weiß es nicht.

Hätte ich nicht die Fingernägel in meiner Haut gespürt, die sich mittlerweile tief in meinen Oberarm krallen, hätte ich geglaubt, es sei nur ein Albtraum. Doch der Schmerz verwirklicht alles und macht mir bewusst, dass gerade um mich geschossen- und Menschen das Leben genommen wird.

Sowas kann nicht real sein, denke ich mir. So etwas passiert uns hier nicht. So etwas gibt es nur in den Medien, so etwas kann nicht wirklich geschehen.

Ich atme tief ein und aus und versuche meinen Puls zu erniedrigen und einen klaren Kopf zu bewahren. Mein Herz hat zuvor noch nie so stark wie in diesem Moment gepocht. Ich spüre, wie mir die Wärme in mein Gesicht steigt und meine Hände vor Adrenalin feucht werden.

„Wir müssen hier weg", höre ich Harry neben mir schreien, der ebenfalls geschockt, trotzdem aber deutlich orientierter neben mir steht und die Leute um uns herum dabei panisch beobachtet. Ich bin nicht in der Lage zu sprechen, vergesse komplett zu atmen. Meine Kehle fühlt sich extrem trocken an, dass es bei jedem Schluck wehtut. In meinem Hals liegt ein dicker Kloß, meine Stimmbänder scheinen verknotet. Kein einziger Ton verlässt meinen Mund und ich fühle mich, als hätte jemand meinen Mund zugenäht. Die Schreie und die Schüsse bannen sich in meinen Kopf, lassen meinen Körper durchaus erzittern. Ich bekomme mit, wie Menschen fallen, wie sie schmerzvoll aufschreien, Blut sich ansammelt.

Benommen betrachte ich die ängstlichen und verletzten Menschen um mich herum und eine gewaltige Gänsehaut zieht sich über meinen Körper. Ich erwarte schon den Moment in dem ich plötzlich von einer Kugel getroffen werden könnte und ich denke tatsächlich daran, dass ich mich von keiner meiner geliebten Personen verabschiedet hatte. Ich würde alle, und vor allem meine Eltern, in tiefem Schmerz zurücklassen und auf eine grausame Weise von dieser Welt gehen.

„Daisy, lauf!", ruft Harry plötzlich aus seinem ganzen Leibe, was mich zurück in die Gegenwart versetzte. Ich sehe kurz den dunkelgekleideten Mann auf uns zu kommen, bevor Harry mich am Arm zerrt und los läuft. Desorientiert fixiere ich den scheinbar unendlichen Korridor vor mir, wissend, dass uns nicht lange Zeit bleibt, bis der Mörder in unserer Nähe ist und uns erschiessen könnte. Und doch setzt sich mein Körper nicht richtig in Bewegung. Harry schleift mich eher mit sich, als dass ich selber renne, denn viel zu schockiert bin ich.

Das laute Geräusch vom Nachladen, der Knall der gefeuerten Schüsse, die quälerischen Schritte, die durch das Gebäude hallen, sind wie der Startschuss eines Marathons für meine Gedanken. Augenblicklich wird mein Inneres von schrecklichen Einfällen angegriffen, die alle durcheinander durch meinen Kopf rasen. Ein Einfall stößt auf den Nächsten, der Nächste auf einen anderen, was einen Pochen in meinem Kopf verursacht. Ich frage mich, was ich tun soll, ob ich rennen oder lieber den Menschen helfen sollte.

Ein weiterer Schuss, ein weiterer Schrei, mein Gehirn komplett überfordert.

Im selben Augenblick löst sich mein Körper von der Starre und meine schweren Beine bewegen sich von selbst entlang des Ganges. Immer schneller und schneller.

Unter Druck sehe ich um mich, suche verzweifelt nach einem Versteck für uns Zwei, doch bei jeder Möglichkeit, die mir einfällt, fühle ich mich zu unsicher und dem Tod ausgeliefert, oder es sind bereits zu viele Menschen dort versteckt.

Wir müssen hier weg, sonst werden wir sterben, kommt es mir in den Sinn, während ich unaufhaltsam mit Harry an meiner Seite wegrenne.

Der Gedanke brennt sich in mein Gedächtnis;

Wir müssen rennen, sonst werden wir sterben.

Wir werden sterben, wenn wir nicht rennen.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 13, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

till death do us part x harry stylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt