Part 5

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Alle Blicke, die es noch nicht zu ihm geschafft hatten, lagen spätestens jetzt auf ihm. Gelassen bewegte er sich nicht von Fleck, lehnte da und blickte grinsend Isabell an. Einzig allein geübte Zuschauer und die engsten Freunde erkannten die Wahrheit an seiner angespannten Kiefermuskulatur. Angespannt vor freudiger Erregung. So schnell erreichte er, wonach es ihn sehnte, schon bald durfte er wieder fahren, sein Können und Auto gegen andere beweisen. Doch er musste gewinnen, sich einen Namen machen, seinen Ruf ausbauen und seinen alten Status zurückerobern. Viel zutun hatte er, wieder zurück zu dem Nullpunkt geworfen worden, doch er glaubte an sich und seinen fahrbaren Untersatz, er würde es ein zweites Mal schaffen. Eine interessante Erfahrung. Die Verbrechen ließ er dieses Mal aus, blieb beim Fahren, wer achtete schon auf die Fahrer einer weit entfernten Gegend? Nicht seine Feinde, die spielten in einer anderen Liga.

Isabell beäugte ihn kritisch, ihre Augen zu Schlitzen geformt. Während der Blick der anderen herausfordernd war, als warteten sie auf seine Absage, schenkte ihm der junge Fahrer des Mustangs nur einen halbherzigen, desinteressierten Ausdruck. Es schien die Zeit stehen geblieben zu sein, alle warteten gierig die Reaktion des neuen Fahrers ab. Man hätte eine Nadel fallen gehört, so still war es.

Seine Augen glitten durch die Menge, forderten jeden heraus, der es wagte.

„Man zeige mir die Gegner." Alle brachen in Jubeln aus. Isabell lächelte. Sie lächelte. Zugegeben, es war ein kaltes, gefährliches Lächeln, das sagte, er sollte ja nicht versagen, aber es war ein Lächeln. Der Grünäugige hielt ihr angriffslustig stand. Zeigen würde er ihr, wenn sie sich da in die Gemeinde geholt hatte.

Aus dem Augenwinkel erblickte er den Blondschopf von vorhin, der ihn hasserfüllt anstarrte und wie ein Wolf auf seine Beute wartete. Plötzlich regte er sich.

„Ich will fahren!", schrie er über die Menge hinweg. Die Fahrer verstummten und alle blickten ihn an als wäre er geisteskrank. Missbilligung lag in ihren Blicken. Besonders beliebt schien er nicht zu sein. Hatte Blondie überhaupt irgendwelche Anhänger?

„Du möchtest fahren?", fragte sie ihn scharf. „Ja, ich möchte gegen den da fahren." Seine Antwort war vehement und schien keinen Zweifel zu lassen. Der Typ war aber auch kampflustig.

Langsam, sehr theatralisch angehaucht, die Blicke aller folgten ihm, ging er zu seinem Wagen und spuckte noch einmal abfällig Richtung James. Ohne ein weiteres Wort stieg er ein und Leute gingen zur Seite, um den Gang freizumachen.

Neben James blickte er ihm giftig in die Augen. All seinen Hass legte er in diesen einen Blick, bekam dafür einen belustigten Ausdruck und ein Winken. Ohne darauf einzugehen fuhr er an und steuerte den Start an, jenseits der Automassen. Laut loslachen hätte er können, Blondie war einfach köstlich, wie ein kleiner, wütender Zwerg. Dem würde er es schon noch zeigen.

Sein Blick glitt in die Richtung, in die Blondie unterwegs war, er sah seine Rücklichter vermutlich zum ersten und letzten Mal. Am Ende der parkenden  Fahrzeuge, die Straße mündete in eine vierspurige Bahn ohne die leeren Parkplätze mitgezählte, musste der Start sein, noch hinter Isabells Wagen.

Elegant, nicht zur Hast getrieben, stieß er sich ab und erhob sich. Aufmunternd klopfte er gegen das Heck des Wagens, endlich konnten sie wieder gemeinsam ein Rennen bestreiten. Wären sie unter sich, würde er ihm ja gut zureden und ein paar selbstsichere Worte verlieren, doch in der Öffentlichkeit unterstand er sich dies.

Die Startlinie stellte sich als provisorisch, aufgesprayte Linie heraus, ein weißer Balken zog sich quer über die gesamte Straße. Sein Auto stand dahinter, bereiter könnte er nicht sein. Neben ihm standen drei Wagen, zwei weitere Fahrer hatte man noch auftreiben können. Er erkannte zwei Wagen weiter Freds Auto, ein violetter Mitsubishi Lancer Evolution, bei dem er kurz zuvor noch gestanden war, stolz auf sein Schätzchen, wie alle Fahrer. Er sah nicht schlecht aus, aber James konnte sich nichts als Anhänger dieses Autos bezeichnen, jedoch was wirklich zählte, war unter der Motorhaube versteckt.

Direkt an seiner rechten Seite stand ein Toyota Celica, ein fließender Übergang von blau, an der Front dunkler als hinten. Der Fahrer stellte sich als Fahrerin heraus, niemand anderer als die werte Jess, die es anscheinend sich nicht hatte nehmen lassen, auch anzutreten.

Die junge Frau von vorhin winkte ihm kurz zu und grinste herausfordernd. Diese Herausforderung nahm er nur allzu gerne an, auch wenn er sich fragte, ob sie aus dem Grund mitfuhr, ihn zu schlagen oder Blondie eines auszuwischen, doch es spielte keine Rolle, er hatte nicht vor gegen einen der beiden zu verlieren. Der letzte Fahrer, auf der anderen Seite, war ihm unbekannt, sowohl Mensch als auch Auto, ein weißer Mitsubishi Eclipse, hatte er noch nie gesehen, doch er hatte den Autos auch wenig Beachtung geschenkt, selbstsicher wie er war. Er würde nicht tief fallen können, er stand nicht hoch, doch zu einer Demütigung konnte es sich allemal entpuppen, das war ihm bewusst, doch das würde er verkraften. Nach einiger Zeit jedenfalls. Außerdem war er sich den Stärken und Schwächen seines Autos bewusst, es beschleunigte mittelschnell bis gut, holte jedoch in kürzester Zeit auf, die Höchstgeschwindigkeit war beachtlich, so viel konnte er sagen, und er ein halbwegs fähiger Fahrer. Die Strecke war eine lange Gerade, Schalten war angesagt, mehr nicht, er hatte weitaus schwierigere Strecken überwunden, deren Kurven jedes Talent aus einem kitzelte. Bei einem sogenannten Dragrennen, einem Beschleunigungsrennen, musste man die Leistung des Wagens in kurzer Zeit auf die Straße bringen, nur wenige Sekunden bleiben einem, um Reaktion, Zeitpunkt und die harte Arbeit an seinem Auto zu zeigen und zur Schau zu stellen. Eine erstaunlich kurze Zeit, wenn man sich vorstellte, wie viel dahinter stand, doch bei dieser Art von Rennen hatte man nicht mehr Möglichkeiten. James genoss jede Millisekunde eines solchen Rennens in der er einfach nur beschleunigte.

Da standen sie nun, Front an Front, Reifen an Reifen. Von der Seite kam Isabell, ihre Stiefel klickten und hallten über den Asphalt, hinter ihr ihr schwarzer Wagen, ein Toyota Supra, wie er nun endlich erkannte, farbenfroh wie er war, passte er sich der Dunkelheit perfekt an, kein einziges Licht leuchtete, keine bunten Neonröhren.

Sie ging von Auto zu Auto, jedem Fahrer hielt sie ihr forderndes Händchen hin. Jeder kramte in seinen Taschen, holte ein Bündel oder ein Rolle heraus und legte das Geld in ihre Hand. Schlussendlich kam sie bei James an.

„Zwei Riesen", meinte sie knapp und fordernd. Das erste Mal, dass sie direkt zu ihm sprach. Interessiert beobachtete er sie und griff in seine Jackentasche ohne den Blick abzuwenden, er kramte bis er das Objekt seines Verlangens ertastete, eine zerknitterte Rolle von Scheinen, welches er ihr auf die offene Hand schlug. Seine Hände glitten über ihre, Haut auf Haut.

„Viel Glück!", murmelte sie noch unauffällig, bevor sie sich abwendete. „Lasse deinen großspurigen Gesichtsausdruck nicht unbegründet sein." Das Geld, ein dickes Bündel, steckte sie weg und es fand Platz in ihrer Jackentasche. Hände reichten ihr Startflaggen, Stoffe mit schwarzweißen kleinen Quadraten, eine in jeder ihrer Hände.

Vor allen Augen stellte sie sich vor die Autos, zwischen Auto Nummer zwei und drei, direkt in die Mitte, der Abstand gerade breit genug, dass sie nicht fürchten musste, unter Reifen zu landen. Fragend nickte sie jedem zu, der Motor heulte auf und sie zeigten,dass sie bereit waren, jeder einzelne, die Masse jubelte und der Lärm hallte durch die Nacht. Unwahrscheinlich war, dass niemand den Lärm bemerkt hatte, vielleicht hatten sich Isabells Leute um die Sache gekümmert, er fragte sich, was das wohl bedeutete und ob er das wissen wollte.

Sein Blick glitt noch ein letztes Mal zu den anderen Fahrern neben sich. Jess grinste voller Vorfreude, breiter als die Straße selbst, Blondie blickte ihn nur gehässig an, wie ein wütender Stier und der andere Fahrer hatte sich gerade auf die andere Seite gewendet, um mit einer knapp bekleideten Frau zu sprechen. Seine Dreadlocks wippten mit seinen Worten, vor und zurück, bevor er sich in Richtung Straße wandte, den anderen Fahrern würdigte er keines Blickes.

Isabell, wieder im Besitz der vollen Aufmerksamkeit der Fahrer, hielt sie die Hände seitlich weggestreckt, pro Hand eine Flagge ergab das ein großes ‚T'. Der Stoff wehte verheißungsvoll im Wind

„Auf die Plätze!" Ihre Hände wanderten nach oben zusammen, vielleicht ein 45° Winkel.

„Fertig?!" Die Flaggen schossen blitzschnell nach unten.

„Los!"Gleichzeitig drückten vier Leute ins Gaspedal und legten einen fulminanten Start hin, die Motoren heulten auf und die Masse jubelte. Das Rennen hatte begonnen. 

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Über Freiheit und die VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt