♥101. Kapitel♥

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„Also schlaf gut“, meinte Dener in einer Lautstärke zu mir, bei der ich fast wieder aus dem Bett gefallen wäre. „Dir auch eine gute Nacht, Jaanimaa“, gab ich provokant laut zurück. „Danke“, lachte er verstört und tippelte davon. So ein Spassd. Einschlafen konnte ich irgendwie nicht… und es lag nicht nur daran, dass Deners Bett ungewohnt hart war. So hart wie er selbst wahrscheinlich auch so manchmal… Er schlief ja im Wohnzimmer und ich in seinem Hoheitsgemach. Nett hier. Aber eben anders. Trotzdem verwirrte mich die komplette Situation. Heute Morgen hätte mein Urlaub mit Disse (!) starten sollen, dann fand ich nur so ein kleines Zettelchen neben mir liegen.
Wir sehen uns
Stand drauf. Sehr komisch. Dann waren Shirin und Rune da, wir frühstückten zusammen und dann wurde ich zu den Chaoten an die Ostsee gebracht. Der Vollpfosten schlechthin tauchte auch noch auf und nahm mich mit nach Melsungen. Morgen früh würde meine „Reise“ weitergehen, aber wohin denn nur?! Wo war mein Ziel? Gab es ein Ziel?
„JÜÜÜÜLCHEN, AUFSTEHEN, DEIN TAXI IST DA“. Verschlafen öffnete ich die Augen. Wieso waren die Rollläden oben und wieso konnte mich jeder theoretisch sehen? „JÜLIIII“. Es hämmerte wie wild an der Türe. „Ja, komm halt rein, Jaanimaa“, wies ich ihn an. Kurz drauf tanzte er vor meinem Bett herum. „Wieso sind die Rollläden oben?“, motzte ich meinen Kumpel an. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. „Die habe ich wohl vergessen zuzumachen“. „Dein Ernst?“. Über seine Dummheit musste man einfach nur lachen… „Aber mal wieder zurück zum Ernst des Lebens, was für ein Taxi ist da?“, hakte ich seine Aussage von eben nach. „Kein echtes Taxi, nur der 5 Millionen-Euro-Schlitten vom Fußballer“. HÄ?! „Kannst du mich mal aufklären?“. „Komm einfach mit“.
Ja mitkommen war ja schön und gut. Aber ich trug meine Schlafsachen, meine Haare waren ungekämmt, ich lief ohne Make Up und alles rum wie eine wandelnde Leiche. „Gib mir zehn Minuten“. Er seufzte und ging davon. Die Zeit war knapp angesetzt. Ich hechtete ins Bad, stellte mich unter die arschkalte Dusche, die nicht warm wurde, band meine Haare zu einem Dutt zusammen, putzte hektisch meine Zähne, trug etwas Mascara auf, zog mich an und rannte hinunter. Dort chillte Dener mit dem misteriösen Besucher sein Leben… ernsthaft?!
„Marco?“, fragte ich auf einmal verwirrt, „Marco Reus?“. Ich fiel meinem Kumpel in die Arme. „Hey Kleine“, grinste er. „Was machst du hier?“, fragte ich völlig überrumpelt und setzte mich zu den beiden Jungs auf die Couch. „Ihr kennt euch?“. Überrascht schaute ich Dener an, welcher aber sofort abwinkte. „Ne, ne, Disse hat ihn nur angekündigt… voll krass, jetzt sitzt einfach Mario Reus auf meinem Sofa“, grinste Dener. „Marco!“, verbesserte ich meinen Kumpel zwinkernd. „Marko ist in Kiel“, klärte der sichtlich verwirrte Dener mich wiederum auf. „Ich heiße Marco, nicht Mario“, mischte sich Reus mit ein. Deners hä-jetzt-blick-ich-gar-nichts-mehr-Gesicht verwirrte mich schon gar nicht mehr und auch Marco schien bereits davon Kenntnis genommen zu haben. „Bist du gerade erst aufgestanden?“. Marco wandte sich wieder an mich und wartete auf eine Antwort. „Jaaaa?“. Es klang eher wie eine Frage. „Dener?“. Marcos Blick wanderte weiter zum Herrn Jaanimaa-ich-blicks-mal-wieder-nicht. „Ja?“, fragte er zurück. „Du solltest sie um acht wecken“, lachte Marco belustigt und schaute auf seine Uhr. 9.38 Uhr. „Ohh“, lachte Dener verlegen und grinste verschickt. „Wir sind spät dran… wir sollten los“, meinte Marco zu mir und stand auf. „Wohin…“. Doch da unterbrach er mich schon: „Du weißt doch, wo ihn wohne“.
Die Verabschiedung von Dener fiel mir sehr, sehr schwer. Diesen verrückten und dummen Menschen brauchte ich einfach an meiner Seite. Mit ihm hatte man immer was zu lachen. Doch ich freute mich natürlich auch wahnsinnig, Marco Reus wiederzusehen. Er als Fußballer hatte in seiner Freizeit nun mal genauso wenig Zeit wie Disse als Handballer. Jede Woche hatte er ein Spiel, teilweise auch noch unter der Woche und sonst trainierte er täglich mehrmals mit dem BVB. Seit unserem Kurzbesuch in Dortmund haben wir uns nicht mehr gesehen. Es war das Wochenende, wo sich meine Schwangerschaft angedeutet hat, als es mir scheiße ging, die Tage waren trotzdem geil.
Flashback Kapitel 74:
Disses Sicht
"Hi, ich bin Marco, kennst mich ja sicherlich", begrüßte mich tatsächlich Marco Reus. Er streckte mir die Hand hin und ich schüttelte diese verwirrt. "Überraschung gelungen?", fragte Julia und ich küsste sie erstmal, weil ich immer noch so perplex war. "Ich glaube ja", raunte ihr Marco zu. "Auf die Idee, mir das zu sagen, bist du aber nie gekommen", ärgerte ich sie lachend und sie grinste mich dreckig an. "Soll ich euch das Stadion zeigen? Sind sowieso die einzigen hier", schlug Marco vor und wartete auf unsere Antwort. "Jaaaaa!". Erstmal liefen wir über den Rasen und machten im Tor auch noch ein paar Bilder. Anschließend erkundeten wir die ganzen Tribünen und die Plätze, wo die Auswechselspieler sitzen. Dann ging es endlich in die Katakomben und Marco zeigte uns sogar die Kabinen. "Alles voll der Luxus hier", meinte ich. "Ihr müsst euch doch auch nicht beschweren", kam es wiederum von meiner Freundin. "Ja, natürlich nicht, aber schau dir das mal an". Marco wackelte spielerisch mit seinen Augenbrauen und führte uns in den Raum, wo immer die Pressekonferenzen stattfinden. Wir simulierten sogar eine Pressekonferenz. Julia war Moderatorin (wenn man es denn so nennen kann). "Herzlich Willkommen zu unserer heutigen Pressekonferenz, die nun ganz spontan einberufen wurde. Zu meiner Linken begrüßen Sie bitte Marco Reus, Spieler des BVBs und zu meiner Rechten sitzt Christian Dissinger, Handballer des THW Kiels, dessen Herz für die Borussen schlägt. Mein Name ist Julia Müller und ich...". Bei ihrer Wortauswahl musste ich einfach lachen. Es klang so bescheuert und doch so professionell, man merkte einfach, dass sie Journalistin war und ständig irgendwelche Interviews durchführte. "Herr Reus, wie fühlen sie sich neben einem Handballer?", lautete ihre erste Frage. "Klein", lachte dieser. Ich schmunzelte ebenfalls. "Nun ja, Dominik Klein ist leider nicht hier, aber wetten Herr Dissinger, Sie fühlen sich groß?". Ich wendete meinen Kopf ab um nicht laut loszulachen. "So sieht's aus, ich fühle mich heute wie ein Riese". Julia strahlte über das ganze Gesicht: "Kommen wir zu unserer nächsten Frage: THW und BVB, beide wollen um die Meisterschaft mitspielen, für wen stehen die Chancen besser? Beide liegen zurzeit auf dem dritten Platz - natürlich in einer unterschiedlichen Sportart". Marco antwortete: "Scheiße stehen die Chancen. Aber hallo? Ich gebe niemals auf, auch so viele Punkte Rückstand kann man aufholen". "Und bei uns sieht es genauso aus. Die Löwen und Flensburg haben noch genauso schwere Spiele vor der Brust und wir werden alles geben", antwortete auch ich. "So, jetzt weiß ich nicht mehr, was ich euch noch fragen kann", lachte meine Freundin in das Mikro rein. "Ah hab doch noch was: Herr Dissinger, Sie sind leidenschaftlicher BVB-Fan. Bleibt Zeit, um die Spiele anzuschauen oder wie sehr informieren Sie sich über die News und Ergebnisse?". Mehr oder weniger kannte sie ja die Antwort... "Ja, wenn ich kein Spiel habe, schaue ich die Spiele natürlich an und ansonsten bin ich immer über Facebook oder was weiß ich auf dem neusten Stand, also ich bin top informiert", strahlte ich. Marco stellte Julia diese Frage besser nicht, er hatte nicht ganz so viel Plan vom Handball.
Flashback Ende
„Disses Blick war so genial. Als wir ihn ins Stadion gebracht haben“, lachte ich mich schlapp und ergänzte schnell noch: „Dass der so Schiss hatte, hätte ich aber nie für möglich gehalten“. „Ich auch nicht“, stimmte Marco mir zu, „aber es war geil“. Das stimmte wirklich! „Und abends dann unsere Pedo-Witze“, schmunzelte ich. Marco wackelte nur verführerisch mit seinen Augenbrauen.
„Ach ja, bevor ich es vergesse, hier hast du noch ne neue Tasche für die nächsten Tage und ich wollte dich noch fragen, ob da irgend so eine Tüte oder ein Paket drin war“, meinte Marco direkt nach der Ankunft in seiner Villa in Dortmund zu mir. „Ja, da stand drauf: Gib es dem, der danach fragt“, lachte ich. „Perfekt, und das hier gibst du wieder dem, der danach fragt“. Marco drückte mir ein weiteres Päckchen in die Hand, welches ich gleich in der neuen Tasche verstaute. Schon wieder neue Klamotten, ein Kleid, und andere Sachen. Alles sehr komisch.
„Komm wir kicken bisschen im Garten“, meinte Marco auf einmal, schnappte sich einen Fußball und ging hinten zu seiner Terrasse raus. „Hast du ein Tor oder was?“, fragte ich. „Klar“. Wie geil war das denn? Ein Tor im Garten hätte ich auch gerne. Ich war ja wirklich schon erstaunt über sein Haus, aber der Garten toppte alles. Ein Pool, eine riesengroße Erholungsfläche, eine überdachte Terrasse, Blumen, ein Teich, Bäume… es war wie ein Paradies. Und mittendrin ein Fußballtor. Ich will nicht wissen, wie viel das gekostet haben muss. Wir kickten zuerst mit einem Fußball, später holte Marco einen Handball und ich brachte ihm ein paar Tricks bei. Dumm stellte er sich echt nicht an.
Als wir beide aus der Puste waren, gab mir Marco Handtücher und einen Bikini hatte ich ja noch dabei und wir chillten ein wenig in seinem Pool. Dazu gab es Sekt – einfach der pure Traum. Die Sonne schien und keine Wolke war in Sichtweite. An so ein Leben könnte ich mich gewöhnen. Wir spielten Wasserball und abends nochmal eine Runde Fußball. Abends grillten wir noch zusammen und gegen acht brachte Marco mich an den Bahnhof. Die nächste Reisestation wartete und ich hatte noch immer keine Ahnung, wohin es gehen sollte. Ich bedankte mich für den schönen Tag und verabschiedete mich von Marco. Als ich dann allerdings sah, mit welchem Zug meine Reise weitergehen sollte, war mir klar wo mein Ziel sein musste:
Mit dem TGV ging es nach Paris!
Und wer war in Paris?
Mikkel Hansen!
„Julia, endlich“, atmete er erleichtert aus und schloss mich in seine Arme. „Es gab irgendwelche technischen Probleme unterwegs, tut mir leid“. „Du kannst ja nichts dafür“. „Jetzt müssen wir uns halt etwas beeilen, aber das schaffen wir“, lächelte er mich an. „Wieso? Was schaffen? Was machen wir?“, fragte ich verwirrt und stieg auf den Beifahrersitz ein. Er antwortete mir nicht, sondern fuhr einfach los. „Da hast du doch so ein Kleid drin, oder?“. Er blickte auf meine Tasche herab, die auf meinem Schoß lag. „Jaaa“. „Okay, dann zieh dich nachher schnell um, während ich die Tickets kaufe“.
Nun war ich noch mehr verwirrt. Was hatte er vor?
Er parkte, wir stiegen aus liefen um die Kurve und da: Der Eiffelturm! Wunderschön. Einfach atemberaubend. „Und wieso muss ich ein Kleid anziehen?“, fragte ich verwundert. „Weil das einfach gut aussieht“, lachte Mikkel. Ich grinste ihn schief an und verschwand bei den Toiletten, als er sich in der Schlange anstellte. Als ich rauskam wedelte er mit seinen Karten vor meinem Gesicht rum und meinte: „Du bist wunderschön, ich mache ein Bild und schicke es deinem Freund“. „Lass es lieber, der wird sonst nur eifersüchtig“, erinnerte ich ihn. „Er will es aber so, also, keine Widerrede“. Er zwinkerte mir zu und machte das Bild, dann liefen wir das erste Stück nach oben und schließlich ging es mit dem Fahrstuhl in die oberste Etage, der Aussichtsplattform.
„Wow“, staunte ich fassungslos. Heute Morgen noch in Deners Bett in Melsungen, dann den ganzen Tag mit Marco Reus in Dortmund gechillt und jetzt mit Mikkel Hansen bei Nacht auf dem Eiffelturm. „Es ist hammer hier oben“. Er grinste mich an und reichte mir ein Glas Champagner. Wir stießen an und ich kam aus dem Grinsen gar nicht mehr raus. Wir starrten in die Dunkelheit, machten Bilder von uns und genossen den zarten Wind hier oben. Paris von oben. Einmalig. In der Stadt der Liebe. Wie gerne würde ich hier mit Christian stehen. Wenn man vom Teufel spricht…
„Disse ruft an… Videoanruf“, meinte Mikkel und hielt sein Handy so hin, dass wir beide draufschauen konnten:
D: Na, ihr zwei
M: Na, du Romantiker
J: Niemand will mich aufklären
D: Keine falschen Hoffnungen, Julia, auch ich werde es auch nicht tun, aber wir werden uns bald sehen
J: Das ist schon alles von dir so gewollt, oder?!
D: Gut möglich
J: Ich will endlich zu dir
M: Ey, erstmal sind wir hier auf dem Eiffelturm… indirekt sogar mit Disse
J: Ich weiß und ich finde es mega geil hier… ich verstehe nur nicht, wieso das hier alles
D: Du wirst es noch erfahren… ach Mikkel, hast du ihr die Geschichte schon erzählt
M: Will gerade damit anfangen…

Heavy.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt