#2 - Big Playground-Kids

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Heaven if you sent us down
So we could build a Playground
For the Sinners to play as Saints
You'd be so proud of what we made
~Stephen - Crossfire

ich liebe diesen song.

1289 Wörter.
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Er zog den Reisverschluss seiner abgetragenen, schwarzen Jacke hoch und sprintete die dunklen, kalten Treppen eines verlassenen Hochhauses hinauf. Die wenigen Fenster im Treppenhaus, die alle dar Nordseite zugewandt waren, waren vor langer Zeit zerbrochen. Nun, als die Nacht anbrach, schienen sie wie hohe, bedrohliche Monster im unendlichen schwarz, die gezeichnet auf die Seiten eines Kinderbuches ihre hässlichen Fratzen weit aufrissen.

Damals, als der Bürgerkrieg ausgebrochen war und alles in feuriges rot, aufdringliches orange und aufgewirbelten braunen Dreck und die Farbe schwarz, der Farbe des Verderbens, gehüllt war; aus explodierenden Bomben, aufgewirbelten Staub, verzweifelten Freunden und Familienvätern und den Soldaten mit ihren Totbringenden Waffen, wurden sie zerstört. Wie so viele ehemalige Bauten dieses Landes, die der ganze Stolz der Nation und ihrer modernen Technik gewesen waren.

Er erinnerte sich noch gut an diese Zeit, als so vieles schöne sein Ende gefunden hatte, und auch die Natur erinnerte sich mit ihm und den wenigen anderen Überlebenden. Damals war er noch solch ein hilfloses Kind, nachdem seine Eltern vor seinen Augen starben und sie seiner kleinen Schwester die Augen verbunden hatten, wurde er von einem mitleidigen Soldaten der gegnerischen Armee aufgenommen.

Was nach der Flucht mit seiner Schwester passiert war, wusste er nicht mehr - und das hatte er sich nie vergeben können. Der Krieg war nun schon mehr als sechs Jahre her - manche behaupteten, es seien nur vier oder fünf gewesen, andere blieben bei dem Glauben eines sieben-jährigem Waffenstillstands und die, die der Krieg und die Verluste verrückt gemacht hatten , behaupteten, es gab nie einen Bürgerkrieg - alles sei auf eine Abfolge schrecklicher Naturkatastrophen zurückzuführen.

Die Regierung hatte es nicht für nötig gehalten, das Land (-oder das, was davon übrig war-) wieder aufzurichten, geschweige denn, ihr Volk und das System wieder aufzubauen - also die, die aus der Regierung überlebt hatten.

Plötzlich hatten sich die verschieden Gruppierungen im Volk mit einem fast schon spielerischem Leichtsinn einer Gruppe Kleinkinder im Sandkasten einander immer mehr und schneller hochgeschaukelt. Als Folge dessen kam es zu immer mehr Gewalt, Übergriffen und Waffengebrauch auf offener Straße, bis das System in sich zusammen stürzte; das Parlament war Vergangenheit und es hatten sich zwei verschiedene Regierungen im Land gebildet, deren Kampf weit über den des Wahlkampfes hinaus schritt. Und eines Tages griff die eine Seite dann zu immer größeren Waffen, die gespaltene Regierung stritt nun auch, wer Anspruch auf den größeren Anteil des Militärs hatte, einfache Schusswaffen und Bomben reichten nicht mehr, die Welt wurde immer kleiner, Nachbarländer wurden Vergessen und ihr Wille um den Frieden verdrängt. Plötzlich bestand die Welt nur noch aus Krieg, aus einem einzigen Land, abgesehen von den Waffen und Tötungsmethoden war man wieder im Mittelalter angekommen.

Mit dem Anfang des Krieges und dem Endgültigen Zusammenbruch des Systems brachen auch alle anderen Systeme ein, Strommasten und Kraftwerke waren schnell zerstört und Strom, Internet und geordnete Tagesabläufe für die Bewohner dieses Landes Geschichte. Als dann nach dreiundhalb Jahren Krieg, in denen andere Weltmächte sich immer wieder erfolglos in das Geschehen einzumischen versuchten, waren dann alle tot oder geflüchtet, die hätten den Krieg weiterführen wollen und können. Die zwei Regierungen zerfallen, das Land zerstört und großflächige Landstriche als Radioaktiv verseucht erklärt.

Immer wieder versuchten Nachbarländer sich an Rettungsaktionen, doch das Volk selber und das Ausmaß an Zerstörung waren immer noch größer als vorerst vermutet.

In einem waren sich alle einig, niemand hatte gedacht, dass sich der Mensch in einem so kurzen Zeitraum aus Wut, Neid und Meinungsverschiedenheit selbst zerstören konnte. Viele, die nicht geflüchtet waren oder im Krieg an den tödlichen Waffen oder dem Hungertod gestorben waren, liefen Gefahr, an den Folgen der Atomwaffen zu sterben. Trotzdem hatten vergleichsweise viele den Krieg überlebt - das Volk war auf Grund der Größe des Landes auch zuvor nicht sonderlich klein gewesen.

Er erreichte das Flachdach des Hauses und atmete tief die frische Luft ein, die hier oben herrschte. Dann schüttelte er den Kopf und setzte sich. Er versuchte schon seit langem die Bilder von Tod und Verderben zu vergessen, doch es gelang ihm nicht. Er musste einfach aufhören zu denken, redete er sich jeden Tag aufs Neue ein. Und dann tauchten wieder seine Eltern in seinem Kopf auf. Er erinnerte sich noch genau. An alles. Die schreie seiner Mutter. Die rufe seines Vaters, er solle auf sich und seine Schwester aufpassen.

Rennt. Bring sie in Sicherheit.

Wir lieben euch.

Sie hatten nie oft diese Worte gesagt. Sie waren einfache Bürger der Mittelschicht gewesen. Seine Eltern waren fast nie Zuhause, sein Vater war unter der Woche weg, erst Samstags abends kam er zurück, unter der Woche hatte er in der Nächsten Stadt übernachtet, dort wo seine Arbeit war. Seine Mutter war Tagelöhnerin, sie hatte jeden Tag einen anderen Job gehabt, aber er wusste nie, welche Arbeiten sie verrichtete. Wenn man sie fragte, sagte sie immer nur, sie arbeite im Dorf.

Und sowas war nichts unübliches, vor allem das Leben auf dem Land wurde immer härter, während in der Stadt auf Kosten der Bauern und Unterschicht die neusten Technologien entstanden und die Schere zwischen arm und reich, zwischen Neid und Übermut immer größer wurde. Immer mehr Raube, Morde und Straftaten wurden begangen, reiche mordeten aus Langeweile und Einsamkeit, arme stahlen und töteten aus Not. Es gab immer mehr Gruppen, die die Herrschaft des Proletariats forderten; wie schon oft in der Vergangenheit. und als die Regierung schließlich nach Jahren des Luxus und der perfekt scheinenden Blindheit versuchte, einzugreifen, war dies der Auslöser des Bürgerkrieges.

Immer mehr Meinungsverschiedenheiten kamen ans Licht, bis sich dann schließlich mehr oder weniger zwei Gruppen zusammenfügten, die gegeneinander kämpften - und dabei handelte es sich schon lange nicht mehr um Arm und Reich. Als dann das Land dann dem Tod und Verderben verfallen war, war es schlicht und einfach zu spät, noch effektiv einzugreifen. Wie schnell nur alles einstürzen konnte.

Er seufzte auf. Dann griff er in seine Jackentasche, nur um das Gefühl des glatten Glases, der Kappe über dem Ende der dünnen, spitzen, eisernen Nadel und dem Endköpfchen aus Plastik in seiner Hand zu spüren. Es beruhigte ihn, einfach zu wissen, dass er die Spritze und somit die Fluchtmöglichkeit präsent hatte, die Fluchtmöglichkeit in bunte, frohe Welten in seinem Unterbewusstsein, die nicht Leid - und Kriegsgezeichnet waren.

Mittlerweile war es gelungen, immerhin zum Teil das Wirtschaftssystem wieder aufzubauen - zumindest soweit, dass es die Möglichkeit gab, mit Geld an Dinge zu gelangen, die man sich nicht selber holen oder erbauen konnte. Legal hieß es Dinge kaufen und verkaufen, aber es gab nur die wenigsten Möglichkeiten legal Geld zu verdienen. Genauergesagt bestand das darin, Aufräumarbeiten zu leisten, für die wenigen reichen, die kurzerhand einen Konzern gegründet haben, in dem sie arbeitsfähige anstellten und dafür Bezahlten, dass sie ehemalige Städte, Dörfer, Industriegebiete oder einfach nur die Natur von Leichen, Waffenresten und sonstigen Kriegszeichnungen befreiten. Da das ganze aber nicht sonderlich fair ablief, verschrieben sich viele dem illegalen - Drogenhandel stand da an erster Stelle. Aus Nachbarländern wurden Drogen für Depressive, Verzweifelte, nicht mehr Lebenswillige und Hoffnungslose gebracht - alle, die zahlen konnten. Aus einem Volk, was noch vor weniger als zehn Jahren in einem fortgeschrittenen, modernen Land lebte, war ein Land des Elends geworden.

Er band sich notdürftig ein Stück festen Stoff um den linken Oberarm, holte die Spritze aus seiner Jackentasche, die mit dem süßen Gift gefüllt war, entfernte die Kuppe und setze an. Für die heutige Nacht würde er seine Gedanken betäuben. Nur für die heutige. Dass er schon lange Abhängig war, hatte er bis jetzt erfolgreich ausblenden können, wie so viele andere.

Und als er die leere Spritze weggeworfen hatte, sie war bis zum Rand des Flachdachs gerollt, starrte er hinauf in den großen, runden Mond.

~Verzweiflung

PAPER STARS {Random Oneshots}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt