FIRST STEP 01

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Mein Leben ist eine einzige Herausforderung, natürlich, das sagt jeder, aber bei mir ist so einiges anders.

Mein Name ist Vicki, ich bin 19 Jahre alt und mein gesamtes Leben lang schon querschnittsgelähmt. Genauer gesagt ist an dem elften Brustwirbel meiner Wirbelsäule mein Rückenmark durchtrennt, ich kann meine Hüfte, Beine und Füße weder spüren noch bewegen.

Für meine Eltern war es damals ein Schock, sie erfuhren es erst nach der Geburt. Für mich haben sie ihr Leben auf den Kopf gestellt: sie haben einen Umzug in ein rollstuhlgerechtes Haus ermöglicht, einen Sportclub für Behinderte gesucht und meine Mutter hat damals sogar ihren Job gekündigt, alles für mich. Sie wollten immer nur das Beste, aber das Leben im Rollstuhl ist nicht gerade einfach, es beginnt schon mit der Tatsache, dass man sich immer auf Bein- oder Hüfthöhe der andern Menschen befindet, und diese einen immer von oben herab anschauen. Außerdem bekam ich Rückenschmerzen. Ich hatte früher oft geträumt, einmal laufen oder zumindest stehen zu können.

Als ich noch ein Kind war, wollte ich immer, wenn ich nicht querschnittsgelähmt wäre, Ballerina werden, genauso mühelos und voller Freude auf Spitze zu tanzen und hoch in die Lüfte zu springen. Aber ich will es auch nicht bestreiten, in meiner Pubertät hatte ich mich oft gefragt, warum ich eigentlich noch weiter mache und kämpfe. Ich war an dem Punkt angelangt, an dem ich in mir nur noch das Schlechte sah, nur noch die Belastung für meine Mitmenschen.

Ihr fragt euch jetzt sicherlich, warum ich das erzähle: Eigentlich soll es gar nicht um mein vergangenes Leben gehen, sondern um einen Neuanfang - einen Anfang mit der Hoffnung all diese Probleme nicht mehr zu haben.

Ich hatte einen Artikel in einer Fachzeitschrift, über das neuentwickelte Exoskelett, gelesen, und dass hierfür auch noch Testpersonen gesucht wurden. Es weckte sofort mein Interesse und meine Hoffnung, ich hatte zwar schon von mechanischen Stützstrukturen gehört, aber diese waren bis jetzt nur für Menschen, die nicht komplett querschnittsgelähmt waren.

Sofort schickte ich eine Bewerbung ab, es folgten medizinische Tests, Vermessungen und einige Vorgespräche bis ich endlich die erfreuliche Nachricht bekam: Ich wurde angenommen und durfte nach England fliegen, um das Exoskelett zu testen.

Vor Aufregung konnte ich tagelang nicht schlafen, weil es für mich eine meiner größten Herausforderungen sein würde, ich hatte die Hoffnung, die Lebensqualität, die ich nie hatte, endlich zu erhalten. Dies würde mein letzter Kampf gegen den Rollstuhl, gegen all den Mitleid und gegen ein Leben das ich schon längst nicht mehr wollte, sein.


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