FÜR CARO.
„Remember to get the weather in your damn book; weather is very important."
- Ernest Hemingway
DIE WELT WAR ein Wirbel aus Rosa und Olive und der Himmel schien an diesem Abend nichts lieber zu tun, als sich dem bereitwillig anzupassen. Ich zählte meine Atemzüge, und als nach dem sechshundertdreiundfünfzigsten sich auch der letzte rosane Streifen hinter den Bäumen niederlegte, kam die Nacht. Und sie kam mit Wolken und sie kam schnell.
Ich hatte den Donner nie verstanden. Blitze waren einfach, sie waren schnell und kreischend und voller Energie. In ihnen lag die unbändige Impulsivität, die man mir all die Jahre vorgesetzt hatte als die Ursache all meiner Probleme. Mit Blitzen hatte ich etwas gemeinsam. Auch mit Regen. Er sagte wenigstens, was er meinte, und wenn es regnete, dann regnete es eben und jeder Tropfen brachte ein neues Schimpfwort. Der Donner aber hatte zu viele Geheimnisse. Er grollte langsam und unheimlich wispernd und wenn man es am wenigsten erwartete, brüllte er für ein paar lange Sekunden los. Man wusste nie wo der Donner war und noch weniger wusste man, was er einem sagen wollte. Der Donner hatte keinen Platz in meiner Welt und so kümmerte ich mich auch wenig um ihn.
Aber dann kam Harry.
Während sich fette Wolken auf den Himmel pflasterten, gestand er mir seine Liebe und mit jedem Blitz zuckte er zusammen in seiner Salve von Lachen. Doch am liebsten hatte Harry den Donner, denn Harry liebte Geheimnisse und noch lieber mochte er es, sie zu lösen. Er kitzelte sie aus jedem Donnergrollen und bewahrte sie in einer Kammer rechts von seinem Herzen, da, wo noch so viel Platz übrig ist. Und wenn alles voll war mit seinen Donnergeheimnissen und er keines mehr hineinquetschen konnte, dann verriet er mir eines und vielleicht noch ein zweites und so begann auch ich nach und nach, den Donner zu mögen. Nicht zu vertrauen, natürlich, denn wer dem Donner vertraut ist zu mutig und zu leichtsinnig für diese Welt und wird vermutlich nicht weit kommen im Leben.
Harry allerdings war zu schlau, um sich davon beeinflussen zu lassen. Zumindest sagte er das immer.
„Ellie", sagte er immer. „Ellie, das Leben ist zu schön, als sich nicht ab und zu vom Donner in die Irre führen zu lassen. Manchmal musst du nur dem Himmel vertrauen."
Ich vertraue dem Himmel, Harry. Gerade jetzt vertraue ich ihm mein größtes Geheimnis an, das wichtigste, das ich habe. Und dieses größte Geheimnis; das bist du.
Ich hoffe, der Himmel weiß was er tut.
Wir redeten über Gewitter und die Winde, Harry, aber hast du je an den Nachthimmel gedacht? Ging für dich die Sonne jemals unter? Denn ich habe die Sterne gesehen und den Mond und er ist wunderschön. Er ist mein einziger Freund, seit du weg bist, denn er hört zu und ich glaube, dass er auch Geheimnisse für sich behält. Das wäre schön. Mal Geheimnisse geben, anstatt sie immer nur zu nehmen. Findest du nicht?
Ich bin ein Wrack, Harry, Liebster. Ich vermisse dich. Ich hoffe, dass der Mond dir das sagt, falls du mich nicht hören kannst.
Nun aber muss ich zurückkehren zu meinem Leben, bevor es wuchert und zuwächst und das Unkraut seine Wurzeln schlägt. Ich verspreche, dass ich bald wieder zurückkomme, wenn meine Hände nicht mehr voller Erde sind.
Vor Harry wusste ich nichts von Liebe. Ich kannte sie so wenig wie einen Fremden in der Straßenbahn und war so vertraut mit ihr wie mit der Bedienungsanleitung für meinen Toaster. Ich kannte die Chemie von Liebe, wusste wie das funktioniert mit den Hormonen und allem, aber das Gefühl Liebe, das war mir so fremd wie die Fähigkeit ein Marmeladenglas öffnen zu können. Liebe war für mich wie Schlagsahne; zu süß, ohne Substanz, und wird ekelig wenn man zu viel davon bekommt.
Aber dann kam Harry. Und Liebe bekam eine neue Bedeutung.
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Long Way Home {coming early '18}
Fanfiction"And there's one thing I can tell you for sure; we are going to take the long way home." Über Liebe, Einsamkeit und die Kunst, nach Hause zu finden. {WARNUNGEN: Verlust, Depression, Selbstmord.}