Ich zucke zusammen, als ein Polizeiauto mit schrillender Sirene an mir vorbei rauscht. Ich lege mich direkt neben den "Abgrund", wenn man das so nennen konnte. Ich habe freie Sicht auf den Himmel, doch wie ich mir schon gedacht habe, sind keine Sterne zu sehen. Aber was erwarte ich auch? Ich befinde mich schließlich nicht in irgendeinem Kaff im nirgendwo sondern in Berlin. Ich seufze. Jedesmal wenn ich im Urlaub gewesen war, wo man Sterne sehen konnte, stand ich Ewigkeiten am Fenster und sah sie an. Ich liebe Sterne. Doch es gab auch Orte, wo mein Interesse nicht den Sternen galt, sondern meinen Freunden. Oder besser gesagt: meinen ehemaligen Freunden...
Ich hatte die schmerzliche Erfahrung machen müsste, all meine Freunde zu verlieren. Ihr denkt euch, egal, dann sucht man sich andere Freunde? Tja, aber was ist, wenn der Rest der Klasse einen hasst? Könnt ihr euch nicht vorstellen? Ich habe noch so einiges zu erzählen, was sich viele von euch nicht vorstellen können. Aber egal. Zurück zur Sache. Es begann damit, dass ich immer mehr kleine Streit's mit Ella hatte. Nicht der Rede wert. Na ja. Dachte ich zumindest. Wir waren zusammen in einer Kunstgruppe und unsere Lehrerin schickte uns was holen. Sie war schon den ganzen Tag seltsam zu mir gewesen und ich beschloss die Chance zu nutzen und sie direkt darauf anzusprechen.
"Ella?" begann ich.
Sie war vor mir gelaufen, blieb jetzt stehen und sah mich an.
"Ich hatte irgendwie den Eindruck, dass du was gegen mich hast", fuhr ich fort, "hab ich irgendwas getan?".
Sie zog eine Augenbraue hoch. "Du machst mich vor allen anderen immer nur fertig und bist richtig seltsam" gab sie zurück und machte Anstalten, weiterzugehen. Ich hielt sie an der Schulter fest.
"Wie meinst du das?" fragte ich sie. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich hatte doch gar nichts getan? Soweit ich mich zurück erinnerte, habe ich sie nie vor irgendwem fertig gemacht. Also wusste ich gar nicht wovon sie redete.
Sie verdrehte genervt die Augen: "Du machst mich total schlecht vor allen anderen" sagte sie, als würde ich schon wissen müssen, was sie meinte.
"Ich weiß, ich bin scheiße und eine total miese Freundin" sagte ich leise, obwohl ich immer noch keinen blassen Schimmer hatte, was sie meinte.
"Habe ich gemerkt" fuhr sie mich scharf an, drehte sich anschließend um und lief einfach weiter. Ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen. Ich schluckte. War's das jetzt? Wollte sie nichts mehr von mir wissen? Ich lief ihr hinterher, weil ich ja auch zu Kunst musste, aber wir redeten kein Wort miteinander. Nach Kunst hatten wir Religion. Ich saß im "normalen Unterricht" (sprich: alles, was wir im Klassenraum hatten) neben Celina. Sie bemerkte sofort, dass da irgendetwas nicht stimmte. "Was ist los?" fragte sie mich mit einem etwas besorgten Unterton. Ich konzentrierte mich gleichmäßig aus- und einzuatmen. "Lass mir kurz einen Moment, ich muss erst meine Trauer in Wut umwandeln" Sie zog eine Augenbraue hoch und drehte sich nach hinten zu Amelia. Ich schaute mich vorsichtig nach Ella um. Der schien das gar nichts auszumachen. Sie redete munter mit ihrer Sitznachberin Malena. Malena war eins der Mädchen, mit denen ich noch nie viel anfangen konnte. Eine der Personen, die ich die "Zicken-Clique" getauft hatte. Wir waren im übrigen für viele die "Streber-Clique", obwohl nicht alle von uns sonderlich strebsam waren. Ja, ich war strebsam. Ich hab mich jeden Tag nach der Schule hingesetzt und ordentlich meine Hausaufgaben erledigt und auch für jede Arbeit gelernt. Ich war so erzogen worden. Im Gegensatz zu manch anderen in meiner Klasse, die es zwar wie auch immer auf's Gymnasium geschafft hatten, jedoch niemals ein Blatt oder einen Stift mit sich führten. Ich drehte mich kopfschüttelnd wieder nach vorne. Sie sollte sie mir doch eigentlich einfach egal sein oder? War sie mir aber nicht. Ich mochte sie. Es war ein Freitag, ich dachte damals sie würde sich übers Wochenende wieder eingekriegt haben. Die Betonung liegt auf dachte. In der Schule passierte nichts besonderes mehr an dem Tag. Ich fuhr nach Hause, wo ich dann auch schon mit Celina zum telefonieren verabredet war. Celina und ich machten häufig so Hausaufgaben gemeinsam und lernten für Arbeiten. So blöd es klingen mag, es machte immer Spaß und war sehr unterhaltsam. Doch diesmal kümmerten wir uns nicht um irgendwelche Hausaufgaben. Sondern um den Streit zwischen Ella und mir. Celina rief mich an.
"Was ist denn genau zwischen euch passiert?" fragte sie mich direkt.
Ich erzählte ihr den genauen Ablauf.
"Ach echt? Sie hat mir das völlig anders erzählt" antwortete sie, nachdem sie mir aufmerksam zu gehört hatte.
"Wie denn?" fragte ich mit einem verwunderten Unterton. Wollte Ella alle anderen gegen mich aufhetzen?
"Na ja sie hat nicht gesagt, dass es total random war, sie meinte, du wärst immer total gemein zu ihr und heute auch, aber sie hat halt nicht gesagt, dass ihr eigentlich gar nicht zerstritten wart" erklärte Celina.
"Wann habt ihr euch überhaupt unterhalten?" fragte ich.
"Heute nach der Schule vor dem Tor" antwortete sie. Ich dachte kurz nach. Tatsächlich erinnerte ich mich, die beiden vor dem Tor gesehen zu haben. Wir verabschiedeten uns. Wollte Ella mich wirklich vor allen anderen schlecht machen? Vielleicht als eine Art von Rache, weil sie ja auch dachte, ich würde sie vor allen anderen fertig machen. Doch was war, wenn sie das nur als Vorwand genutzt hatte, um mir die Freundschaft zu kündigen? Ich verbannte diesen Gedanken sofort wieder aus meinem Kopf. Die hatte bestimmt nur einen schlechten Tag oder so. Montag würde wieder alles normal sein. Ich ahnte gar nicht, wie das alles enden würde...
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Da ist endlich das zweite Kapitel. Ich hoffe es gefällt euch. Wie das letzte Mal wäre ich dankbar über eventuelle Kritik über Schreibstil, Länge oder sonstiges.Bildquelle: WeHeartIt
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Unfähig
Novela Juvenil"Es wird besser, haben sie gesagt. Du wirst dich dran gewöhnen, haben sie gesagt. Dein Leben ist doch toll, haben sie gesagt. Und nun stehe ich hier, ganz allein auf einer Brücke und sehe nach unten. Ich weiß nicht weiter. Ich kann nicht mehr!" Elen...