Prolog

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Vollkommene Stille, absolute Dunkelheit - ich konnte weder hören, noch das Geringste sehen.

Ich war nicht dazu in der Lage, zu sagen, wo ich mich befand. Vielleicht war ich überall gleichzeitig, vielleicht nirgendwo, vielleicht träumte ich sogar.

Der kalte Wind rauschte an mir vorbei, meine Augen zum Tränen bringend. Wie eine Luftblase hüllte er mich ein, isolierte mich von der Umwelt und hielt mich in sich gefangen, drohend, mich zu ersticken. Im Versuch herauszufinden, was genau geschah, öffnete ich letzten Endes meine Augen, indem ich meine bereits tauben Augenlider voneinander trennte. Doch ich entgegnete nur tiefe Schwärze, nur Dunkelheit. Abertausendmal zwinkerte ich, damit sich Figuren, Linien oder gar Punkte in mein Visier zeichneten, ehe ich realisierte, wie vergebens es doch war. Eine schreckliche Urangst drohte von mir Besitz zu ergreifen, mich zu verzehren, in den Wahnsinn zu treiben, denn ich konnte von keinem meiner Sinne Gebrauch machen. Meine Sicht wurde mir gestohlen, mein Spüren war verschwunden und mein Gehör schien, nie existiert zu haben. Nicht mal den Schmerz meiner zugeschnürten Kehle oder meiner brennenden Lungen machte sich bemerkbar. Allein das etwas nicht in Ordnung war, war das, was ich registrieren konnte. Es vergingen etliche Wimpernschläge, in denen ich verzweifelt versuchte, mehr zu sehen als nur die tiefe Schwärze, die drohte mein Herz in Besitz zu nehmen. Wie ein Raubtier, das es kaum erwarten kann, sich auf seine Beute zu stürzen, war meine Furcht, latent - ewig anhaltend. Urplötzlich durchbrach ein stetiger Rhythmus das Schweigen meiner Sinne. Ein Lied, welches die Höhen und Tiefen meines Lebens darstellte, begann wieder in meinen Ohren zu hämmern. Es wurde lauter, schneller, heftiger, bis es letztendlich sein Ende fand und langsam starb. Zur selben Zeit spürte ich, wie mein Bewusstsein flackerte, falls ich es als solches bezeichnen konnte. Ich konnte nicht länger zwischen Fiktion und Realität unterscheiden - wer ich überhaupt war, hörte ich mich selbst fragen.

Die Möglichkeit, das es mich überhaupt nicht gab, tauchte plötzlich irgendwo in meinem Verstand auf, und langsam schien sie auch die einzig Richtige zu sein. Eventuell war ich ja auch gar nicht ich, sondern Teil des kalten dunklen Nichts, in dem ich regelrecht schwebte. Mein Universum erschien mir flüchtig, wenn ich daran dachte, was es überhaupt darstellen sollte. Gewiss hätte ich auch der verworfene Gedanke eines kleinen Kindes sein können, der vergessene Traum eines erfolglosen Erwachsenen oder einfach nur - das Nichts.

Ich befand mich in keinem Zustand, aber zur gleichen Zeit auch in dem einzigen Richtigen, dem einzigen Vollkommenen.

So plötzlich wie ich auch aufgewacht war, löste sich der letzte Rest von mir wieder auf. Ohne jegliche Spur zu hinterlassen, nahm ich Abschied von niemanden, aber doch auch von jedem. Meine lauten Gedanken füllten nicht mehr die erdrückende Stille, die mich so sehr gequält hatte.

Als hätte sich ein Maler meiner armen Seele erbarmt, schüttete dieser einen Eimer karmesinroter Farbe in meine Augen, sodass das Schwarz durch einen roten Nebel ersetzt wurde. Und so war ich dann nicht mehr ich, und die Welt nicht mehr die Welt...

EngelsgeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt