Kapitel 1

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Während Elli ihre Augen aufschlägt dröhnt in ihrem Kopf eine Stimme. Die selbe die immer zu ihr spricht. ,,Das kann nicht wahr sein, dass ist nicht die Realität. Du kannst gar nicht mehr leben. Es war alles so sicher." Die milchige Realität verschwindet wieder hinter ihren Lidern als sie die Augen langsam schließt. Es kostet sie unglaublich viel Kraft überhaupt wach zu sein. Das ständige Piepen irgendwelcher Geräte dringt wie das Geräusch eines Presslufthammers in ihr Ohr. Langsam realisiert sie, dass isie überlebt hat, dass sie immer noch hier auf dieser Welt verweilt.

,,Frau Seratoni. Schön das sie wieder bei uns sind. Wie fühlen sie sich?"

Elli benötigt all meine Kraft um die Augen wieder aufzuschlagen. Vor ihr taucht unscharf ein Mann auf. Vermutlich der Arzt. Er trägt einen weißen Kittel, eine Brille die ihm auf der Nasenspitze sitzt, graue Haare zieren seinen Kopf ebenso wie sein Gesicht.

Sie möchte ihm antworten, doch ist unfähig sich zu bewegen. Ein kleines Zittern an ihren Lippen bringt sie hervor, doch für mehr reicht es nicht. Ihre Augen schließen sich wie von selbst. Dann herrscht nur noch stille und undurchdringbare schwärze.

Als Elli wieder aufwacht, taucht ein schummriges Licht das Krankenhauszimmer in ein leichtes weiß. Ihre Arme schmerzen bei jeder noch so kleinen Bewegung und tief Luft holen geht schon mal gar nicht. Stöhnend richtet sie sich auf und versucht die letzten Ereignisse revue passieren zu lassen. Doch sie kann sich nicht konzentrieren. Schallendes Lachen durchbricht ihre angestrengten Gedanken. 

"Du hast es wieder nicht geschafft. Du bist so lächerlich. Eine kleine mickrige Versagerin. Was habe ich eigentlich erwartet? Ich habe mir viel zu viel von dir erhofft. Dann muss ich wohl noch länger in deinen Gedanken sitzen. Vielleicht schaffst du es irgendwann und wenn nicht, keine Sorge, dann werde ich immer bei dir bleiben."

,,Frau Seratoni, hören sie mir überhaupt zu?" gereizt schaut die Schwester sie an.

,,Entschuldigen sie, ich war in Gedanken. Was haben sie gesagt?" verunsichert und schuldbewusst mustert Elli die Schwester von oben bis unten. Kleine Sommersprossen sitzen auf ihren Wangen und ihr blondes Haar ist zu einem Dutt hochgebunden. In den blauen Augen erkennt Elli etwas abwertendes, als wolle die Schwester sie nur schnell loswerden.

"Siehst du, keiner mag dich. Schade das du überlebt hast. Ich HASSE dich!"

,,Wir haben mit dem Oberarzt gesprochen, du wirst in ein paar Tagen auf die geschlossene Station in der Psychiatrie verlegt werden, bis dahin solltest du nicht noch etwas ausruhen. Du hast sehr viel Blut verloren. Eine Bluttransfusion hast du schon bekommen, die zweite bringe ich gleich. Gegebenenfalls werden wir dir auch eine dritte verabreichen. Außerdem haben wir dir den Magen ausgepumpt, weshalb es noch zu leichten Bauchschmerzen kommen könnte. Du darfst dein Zimmer nicht verlassen und du wirst klingeln wenn du irgendetwas brauchst. Wenn wir sehen, dass du nicht in deinem Bett liegst, dann werden wir über weitere Konsequenzen nachdenken. Besuch ist auch erst einmal ausgeschlossen." mit einem strengen Blick sieht sie Elli nochmal an, steht auf und lässt sie dann alleine. 

Langsam findet sie ruhe, und damit auch die Zeit alles geschehene noch einmal durchzugehen.

Ihr gestriger Tag begann damit, dass sie eine 5 in der Mathe Klausur bekam. Daraufhin folgten die einsamen Stunden auf dem Schulhof. Das schwänzen ab der 6. Stunde und der Zusammenbruch zuhause. Keiner hat was mitbekommen. Wie auch. Ihre Eltern sind ja schließlich von früh bis spät arbeiten und Elli hat Glück, wenn sie ihre Eltern zwei Stunden pro Tag sieht. Kurze Zeit später folgte eine kleine Selbstverletzung, der Dämon machte sie nieder und der Impuls das alles zu beenden war stark. 

Darüber nachgedacht hatte Elli schon oft. Auch den Impuls hat sie schon oft gehabt, doch bisher hat ihr immer der Mut gefehlt. Bis gestern. Im Badezimmer griff sie nach allen Medikamenten die sie sehen konnte, holte eine Flasche Wein aus dem Vorratsschrank und setzte sich auf den Boden. In die Mitte ihres Raumes. Sie hatte das Gefühl, der Raum frisst sie auf. Zitternd griff sie nach der ersten Tablette und spülte sie mit einem großzügigen Schluck Rotwein hinunter. Die selbe Bewegung, immer und immer wieder. Irgendwann begann sich alles um sie herum zu drehen und sie verlor auch die letzten Hemmungen. Der Dämon wurde lauter und Elli griff an diesem Tag erneut zur Rasierklinge. Doch diesmal nicht um den inneren Schmerz mit äußeren Reizen zu vertreiben, nein, diesmal mit dem Willen zu sterben. Tränen flossen lautlos über ihre Wangen, sie biss sich auf die Unterlippe bis sie Blut schmeckte, sie setzte an und zog. Ihr Atem beschleunigte sich, als sie auf die klaffende Wunde auf ihrem Unterarm schaute. Doch das Verlangen nach Ruhe, nach Frieden, war größer. Sie setzte auch an ihrem anderen Arm an. Blut tropfte auf den Laminat. Alles dreht sich. Immer schneller. Sie erbricht. Filmriss.

Ihr Atem geht schnell, sie schwitzt, sie weint und zittert und nur langsam verblassen die Bilder vor ihrem inneren Auge. Es klopft an die Tür. Eine Frau mit braunen Locken und Arztkittel betritt den Raum. Sie lächelt Elli freundlich an und man erkennt eindeutige Grübchen auf ihren Wangen. Hinter der Frau tritt die schlecht gelaunte Schwester ins Zimmer, hängt einen leeren Infusionsbeutel ab und hängt eine neue Bluttransfusion an den Ständer. Eilig verlässt sie den Raum, als die andere Frau zu sprechen beginnt.

,,Hallo Elli, mein Name ist Frau Lieske und ich bin die diensthabende Psychologin hier im Krankenhaus. Kann ich dir ein paar Fragen stellen?"

,,Ja." murmelt Elli nach einigem Zögern, doch mehr zu sich selbst als zu der Frau. 

,,Du hast gestern versucht dir das Leben zu nehmen. Hast du immer noch suizidale Gedanken oder Handlungswünsche?" 

,,Ich weiß nicht." flüstert sie verunsichert. ,,Ich weiß es nicht." wieder kullern ihr Tränen über die Wangen."

,,Kannst du bis morgen für dich und dein Leben garantieren?" Frau Lieske schaute ihr tief in die Augen und versuchte beruhigend zu wirken. 

,,Ja, ich denk schon."

,,Elli, ein ich denke schon, reicht mir leider nicht. Verstehst du das?"

Jetzt bereitest du schon wieder Schwierigkeiten. Du fällst den Leuten hier zur Last. Sehr gut, mach bloß weiter so. Hinterlasse überall einen schlechten Eindruck.

,,Ja. Und es tut mir leid."

,,Wir machen es so. Jede 15 Minuten kommt eine Schwester und schaut nach dir, ich werde auch in etwa 2 Stunden noch einmal vorbeischauen. Wir haben auch eine 1:1 Betreuung organisiert. Sie wird in etwa 10 Minuten hier eintreffen und immer bei dir sitzen. Wir können dich momentan einfach nicht alleine lassen. Anders können wir hier deinen Aufenthalt leider nicht verantworten. Außerdem bekommst du was gegen die Schmerzen und gleich wird dir noch ein Beruhigungsmittel gebracht. In ein paar Tagen wirst du dann in die Psychiatrie verlegt, aber dazu erklären wir dir alles weiterer morgen früh. Außerdem musst du mir versprechen, dass du dich meldest, bevor irgendetwas passiert. Sei es eine Selbstverletzung oder ein Suizidversuch. Kannst du das versprechen?" Frau Lieske hält ihr die Hand hin und Elli nimmt sie an. Sie gibt ihr die Hand. 

,,Ich verspreche es." Die Haut der Psychologin ist weich und der Körperkontakt beruhigt Elli etwas. Am liebsten würde sie jetzt noch Stunden mit der Frau hier sitzen und sich nicht mehr so einsam und verloren fühlen. Doch bevor sie diesen Gedanken auch nur zu ende bringen konnte, steht die Frau auf und verlässt mit schnellen Schritten das Zimmer. Wieder ist Elli alleine. Das Gefühl der Einsamkeit zerfrisst sie.

 Erschöpft lässt sie sich zurück auf ihr Bett sinken, schließt die Augen und eine friedliche Stille umhüllt sie. 

Der Kampf gegen meinen inneren DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt