Kapitel 2

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Erschrocken schlägt Elli die Augen auf. Neben ihr steht eine junge Frau. Vielleicht Mitte 20 und lächelt sie schief an. Eine blonde Strähne fällt ihr ins Gesicht. Mit weit aufgerissenen Augen und pochendem Herzen mustert Elli die Frau.

,,Hallo Elli, darf ich dich so nennen? Ich bin Marie und bin für die nächsten paar Stunden deine Betreuung. Ich hoffe ich kann dich etwas ablenken und dir vielleicht etwas zur Seite stehen." 

Elli richtet sich auf und Marie schaut sie aufmunternd an.

,,Wie fühlst du dich denn, kleines?"

"Sie hat dich kleines genannt. Nichtmal sie glaubt das du reif bist, geschweige denn eigenständige Entscheidungen treffen kannst. Du bist klein, jung und dumm. Machen wir uns da nichts vor."

,,Gut wäre gelogen." antwortet Elli leise. 

Sie flüstert schon fast. Langsam macht sich ein leichtes ziehen in ihrem Bauch bemerkbar und auch ihre Arme pochen. 

,,Magst du über irgendwas reden? Vielleicht warum es so weit gekommen ist? Oder magst du über irgendetwas anderes sprechen? Schule, Freunde, Freizeit?" unsicher wird Elli von der Betreuung gemustert.

,,Nein."

,,Okay." Marie nimmt sich einen Stuhl, setzt sich ans Fenster und holt ihr Handy raus. 

Elli fühlt sich beobachtet, noch nie wurde sie so überwacht. Bei jeder kleinsten Bewegung die sie tätigt schaut Marie auf. Und Elli liegt nur da. Sie hat weder ihr Handy, noch ein Buch. Sie ist komplett alleine mit ihren Gedanken. Sie traut sich aber auch nicht, nach ihrem Handy zu fragen. Die Schwester ist ihr unglaublich unsympathisch und Umstände will sie auf keinen Fall machen. Die macht sie so ja schon genug. Das haben ihre Gedanken, ihr Dämon sie schon spüren lassen. Nach einiger Zeit öffnet sich wieder die Zimmertür und die Schwester tritt wieder herein.

,,Auf einer Skala von 1 bis 10. Wo würdest du deine Schmerzen einordnen?"

,,Naja, so  bei 7." Schmerzvoll verzieht sie das Gesicht. Sie möchte die Tabletten. Ihre Schmerzen sind nicht so groß, aber sie möchte nicht mehr. Die Schwester bringt ihr zwei Tabletten, ein Glas und eine Flasche Wasser ans Bett. Die Schwester verlässt den Raum und Elli wartet bis Marie wieder auf ihr Handy schaut. Sie füllt das Glas mit Wasser und legt sich die Tabletten in den Mund. Doch anstatt sie zu schlucken, schiebt sie die Tabletten geschickt mit der Zunge hinter ihre Backenzähne. Verstohlen schaut sie zu Marie. Während Elli so tut als würde sie sich umdrehen, nimmt sie die Tabletten aus dem Mund. Gerade als sie diese verschwinden lassen möchte steht Marie vor ihr und schaut sie mit ernstem Blick an.

,,Elli, das geht nicht! Das kann ich dir nicht durchgehen lassen!" Marie streckt die Hand aus und widerwillig legt Elli die Tabletten hinein. ,,Ich werde jetzt eine Schwester rufen und mit Frau Lieske sprechen."

Elli will widersprechen, doch bevor sie ihren Mund auch nur öffnen kann hat Marie schon den Schwesternknopf in der Hand und drückt. 

Mit eiligen Schritten stürmt die Schwester herein. 

,,Ist was passiert?" fragt sie völlig außer Atem. Elli wundert sich nicht, den Schlank ist die Schwester nicht gerade. Doch schon im nächsten Moment möchte sie sich für den Gedanken ohrfeigen. Schließlich will sie keine Vorurteile gegenüber anderen haben. Sie möchte nicht in stereotypen denken. Schließlich wird sie selbst gemobbt und weiß gut wie sich solche Sätze anfühlen. 

,,Nein. Also doch schon. Die junge Dame hat versucht diese Tabletten zu sammeln." Marie öffnet die Hand und zeigt der Schwester die Tabletten. Diese schaut Elli nun an, abfällig. 

"Und schon wieder machst du Umstände. Was bist du eigentlich für ein mensch? Kannst du überhaupt irgendwas? Du wirst es wohl nie schaffen dir das Leben zu nehmen, du kleine Versagerin. Obwohl klein passt schon gar nicht mehr. Selbst riesig reicht nicht aus um dich zu beschreiben."

Elli schüttelt den Kopf. Versucht verflucht diese Gedanken loszuwerden. 

,,Möchtest du mir sagen, dass Marie mich gerade anlügt, oder  warum schüttelst du so eisern den Kopf, madame?"

,,Nein, Nein, dass will ich nicht sagen. Ich. Ehm. Ach egal."

,,Was ich sagen wollte, ich würde gerne ein kurzes Rücksprache Gespräch mit Frau Lieske führen. Könntest du solange ein Auge auf die kleine haben?"

,,Ja, ich habe ja wohl kaum eine Wahl." brummt die Schwester und setzt sich auf den Stuhl. Ein kühler Luftzug erreicht Elli. Sie schaut zum Fenster, doch die blauen Vorhänge sind zugezogen. Sie hat jegliches Zeitgefühl verloren. Doch die Sonne scheint schon mal nicht. Regen beginnt monoton an die Scheibe zu klopfen und Elli findet das dies ihre Stimmung wohl ziemlich gut beschreibt. Ansonsten ist es still, nur die  Atmung der unfreundlichen Schwester ist zu hören. 

,,Ich muss mal." Dieser Satz hat Elli unglaublich viel Überwindung gekostet. Einfach so in die Stille hinein zu sprechen und dann auch noch bei dieser unfreundlichen Schwester.

,,Dann musst du jetzt warten. Frau Lieske sollte bald wieder kommen. Ich bringe dir bei Bedarf aber gerne eine Bettpfanne." Ihre Mundwinkel zucken und Elli sieht genau das sie schmunzelt und erwidert nichts mehr.

Nach einer gefühlten Ewigkeit geht die Türe auf und Frau Lieske und Marie betreten den Raum. Frau Lieske stellt sich an ihr Bett und mustert sie lange bevor sie beginnt zu sprechen.

,,Elli. Wir können deinen Aufenthalt hier nicht so verantworten, wenn die Gefahr besteht, dass du dich verletzt oder dir was antun könntest. Deshalb haben wir jetzt beschlossen dich zu fixieren. Du bekommst gleich einen Katheter gelegt und dann folgt die 5 Punkt Fixierung. Das heißt, dass nicht nur deine Arme und Beine fixiert werden, sondern auch noch ein extra Gurt am Bauch ist. Es tut mir  sehr leid das es jetzt doch so weit kommt. Ich hoffe allerdings du kannst es etwas verstehen. Die Schwester wird gleich alles vorbereiten und ich werde morgen früh vor der Übergabe noch einmal nach dir schauen. Marie wird weiter in deinem Zimmer sein. Falls doch irgendwas passieren sollte. Ich bin etwas enttäuscht das du dein versprechen nicht halten konntest, aber ich wünsche dir trotzdem noch eine ruhige Nacht." damit verlässt sie den Raum wieder.

"Fixierung? Haha, verdient hast du das. Verdient. Wenigstens eine kleine Strafe für dein nichts können. Deine Angst ist berechtigt. Ich wünsche dir eine schlimme Nacht. Versagerin."

Auch die Schwester verlässt jetzt den Raum und lässt Marie und Elli alleine. Nach einem kurzen Augenblick der Stille, kramt Marie in ihrer Tasche. 

,,Schau mal. Den habe ich dir gerade von unten mitgebracht. Ich hoffe er gefällt dir?" erwartungsvoll streckt sie Elli einen kleinen Teddy entgegen.

,,Wow, er ist zuckersüß, vielen dank." Elli nimmt den Teddy vorsichtig in die Hand. So als wäre es ein Hundewelpe und man könnte ihn mit jeder kleinen Berührung verletzten. Sie hasst es Geschenke zu bekommen. 

Wie reagiert man, wenn einem das Geschenk nicht gefällt? Die Leute sollen kein Geld für mich ausgeben. Das habe ich gar nicht verdient. Und habe ich mich genug darüber gefreut und bedankt, oder hätte ich etwas mehr von all dem zeigen sollen. Fragen über Fragen und mittendrin die überforderte Elli. Alleine in ihrem Gedankenchaos. 

Man hört Schritte auf dem Gang. Sie werden lauter, bis sie vor der Tür verstummen und jemand den Raum betritt. Es ist die Schwester. In ihrer Hand hält sie große weiße Gurte. Jetzt flößen Elli nicht nur die ganzen blinkenden Geräte Angst ein, nein ihr Herz rast wenn sie die breiten Gurte betrachtet.

,,Hinlegen." faucht die Schwester sie an. 

Elli hat das Gefühl, dass sie von Minute zu Minute schlechtere Laune bekommt. Doch sie tut was ihr gesagt. Nach etwa 10 Minuten und geübten Griffen der Schwester ist Elli bewegungsunfähig. Die Gurte schnüren am Handgelenk und an Schlaf ist nicht zu denken. Sie liegt in einer unbequemen Position und sie hat Angst.

Die Schwester bringt noch einen vollen Infusionsbeutel, löscht das Licht und geht ohne ein Wort des Abschiedes. Auch Marie hat sich wieder auf den Stuhl gesetzt und Elli schaut mit wachen Augen in die Dunkelheit. 

Sie weiß nicht, was sie da durch die Infusion bekommt, aber es scheint zu wirken. Selten hat sie soviel geschlafen, doch sich zu wehren macht absolut keinen Sinn. 

Der Kampf gegen meinen inneren DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt