Mr Montgomery

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Mrs Smith, wenn sie bis hier hin mein Essay gelesen haben, dann Glückwunsch! - Es ist nicht mehr viel. Und heute habe ich ein besonderes Schicksal zu erzählen. Und deswegen wird es auch anders erzählt. In Form eines Interviews.

Mr Montgomery ist sehr alt. Und ich sehe ihn ausschließlich auf dem Friedhof. Er ist jeden Tag da.
Immer wenn ich ein Grab pflege, setze ich mich zu ihm. Und dann erzählt er mir seine Geschichte. Alle zwei bis drei Tage, höre ich ein und dieselbe Geschichte. Und jedes Mal hat Mr Montgomery Tränen in den Augen.

Um mein Interview darzustellen, werde ich meinen Namen mit P abkürzen und Mr Montgomerys Namen mit M.

P: Guten Tag, Mr Montgomery. Wie geht es Ihnen?

M: Hallo, Fräulein Lancaster. Ich vermisse meine Elsa.

Elsa ist Mr Montgomerys verstorbene Frau.

M: Weißt du, ich erinnere mich an den Tag, als ich Elsa das erste Mal sah, als wäre es gestern gewesen...

Damals stand ich in dem Supermarkt, der in der Green Avenue war. Ich suchte Windeln für meine Nichte.

"Diese für fünf Euro sind immer eine gute Wahl.", hatte Elsa gesagt und mich angelächelt.

Ihr Lächeln, Fräulein Lancester, war so schön. Noch nie in meinem Leben hatte ich jemand so schön Lächeln gesehen. Es war, als würde sie mit der Sonne wetteifern, wer die Welt mehr zum Strahlen brachte. Und meine Elsa gewann das Rennen.

Mr Montgomery fing an zu grinsen und ich schaute zu ihm. Er war so glücklich, wenn er von ihr erzählte.

M: Ich kaufte also, auf ihre Empfehlung, die Windeln und verabschiedete mich von ihr. Ich war zu schüchtern gewesen, um nach ihrem Namen zu fragen.
Und auf dem nachhause Weg hatte ich mich darüber fast zu Tode geärgert.

Doch zwei Wochen später sah ich sie auf unserem Dorf Fest. Ich sprach sie an und wir unterhielten uns den ganzen Abend. Das war der Abend, an dem unsere Liebesgeschichte begann.
Danach kamen viele Verabredungen. Sie stellte mich ihrer Familie vor, und ich sie meiner.

Wir hatten sogar einen eigenen Freundeskreis. Wir waren jeden Tag zusammen und glücklich, auch wenn wir stritten.

Am 14. Mai 1946 fragte ich sie dann, ob sie mich heiraten wollte.  Und sie sagte ja.
Ich war so hoffnungslos verliebt in sie. Ich konnte mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen.
Ich liebte es, wie sie Donnerstags nur hellblau trug. Und wie sie sich durch die Haare fuhr, wenn wir uns stritten. Wie sie ihren Nagellack ständig von den Fingernägeln kratzte.

Ich liebte sie, und sie liebte mich. Und drei Jahre, nachdem wir geheiratet haben, bekamen wir einen Sohn.

Lucas war ihr ganzer Stolz. Sie wollte immer eine große Familie haben, doch wir bekamen nur Lucas. Doch ihr reichte das. Sie liebte ihn, und ich verliebte mich jeden Tag aufs Neue in sie, wenn ich sah, wie sie mit ihm umging.

Mr Montgomery macht eine Pause. Wir beide wissen, dass jetzt der Teil kommt, bei dem ihn immer die Tränen kommen.

M: Wir lebten fünfzehn Jahre glücklich zu dritt. In einem großen Haus, mit Lucas' Hund Marly. Dieser Hund war ein Wildfang. Wir hatten unsere Probleme mit ihm, aber Lucas nicht.

Und dann kam die Diagnose. Hautkrebs. Meine süße Elsa litt nicht lange, aber ungemein viel.
Jeden Tag an dem ich sie sah, wünschte ich mir, ich könnte ihr ihre Schmerzen nehmen.
Zum Ende hin, schaute sie nur noch aus dem Fenster unseres Schlafzimmers zu, wie Lucas mit Marly spielte.

Sie starb vor Weihnachten. Sie erlebte es nicht, wie Lucas seine erste Freundin mit nach Hause brachte.

Ihr Tod brachte mich auch um. Ich spüre es noch heute, wie es in meiner Brust schmerzt. Jeden Tag stirbt ein kleines Stück in mir.

Und so war es bei Lucas. Und ich konnte ihm nicht helfen. Die Streitereien mit ihm eskalierten nach Elsas Tod. Bis er ging. Und nie wieder zurück kam.

Interview Ende.

Mr Montgomery ist immer nett, aber ich merke ihm an, wie zerstört er ist. Zerstört vom Tod seiner Frau. Und von dem Verlust seines Kindes.

Ich wünschte, ich könnte ihm helfen.

Mr Montgomery verdient Besseres. Er ist eine Definition von "verdient Besseres".

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