O N E

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„What am I supposed to do when the best part of me was always you?"

Es war wie eine Endlosspirale, der ich nicht entkommen konnte. Die Bilder, die sich in meine Netzhaut eingebrannt hatten, brachten mich dazu meine Augen zu schließen und tief auszuatmen, um nicht erneut in Tränen auszubrechen.

Ich fühlte mich wie ein Besucher eines Theaterstückes, der nur zusehen konnte, wie dem Protagonisten die Rolle, die er zu spielen hatte, entglitt. Es gab nichts was ich tun konnte, um dem Schauspiel Einhalt zu gebieten. Ich musste zusehen und es geschehen lassen.

Schon lange hatte ich aufgehört zu zählen, wie oft ich mit dem Finger geschnipst hatte, um einen neuen Martini zu ordern. Und auch der Barkeeper hatte aufgegeben mich zu einem Wasser zu überreden, nachdem ich ihm unmissverständlich klar gemacht hatte, dass er seinen verdammten Job nachkommen solle. Ich brauchte niemandem zum reden und schon gar keinen Aufpasser. Das Einzige was ich brauchte war Alkohol, um meine Trauer runterzuspülen.

Erneut vibrierte mein Smartphone. Wie schon den ganzen Abend ignorierte ich es. Ich wusste nur allzu gut wer mich versuchte zu erreichen und ich hatte ehrlicherweise keinen Nerv mich mit der schmerzhaften Tatsache auseinanderzusetzen.

Nachdem ich meinen Martini geext und meinen feuchten Mund mit meinem Handrücken trocken gewischt hatte, entschied ich mich doch dazu, mein Handy zu entsperren.

Der Code war sein Geburtstag und er grinste mich von meinem Sperrbildschirm an. Seine blonden Haare waren verwuschelt und seine Augen strahlten geradezu in die Kamera. Die Person, die ich am meisten liebte und die mir so weh getan hatte. Meine Augen brannten und eine einzelne Träne tropfte auf das Handyglas, die ich allerdings trotzig mit meinem Daumen versuchte wegzuwischen.

Das Handy vibrierte ein zweites Mal und mit einem Seufzen öffnete ich die Messenger-App.

Vierzig ungelesene Nachrichten in den letzten zwei Stunden. Oder waren es schon drei? Ich hatte den Überblick über die Zeit verloren und mein vom Alkohol vernebelter Kopf tat weh, wenn ich versuchte zu rechnen.

Stella, es tut mir Leid.

Es ist nicht so wie es aussah.

Das war es doch nie, oder? Ein umdamenhaftes Grunzen entwich meiner Kehle und es bahnte sich ein sarkastisches Lachen an, das versuchte meinen Lippen zu entweichen. Es tat weh und trotzdem konnte ich nicht aufhören seine Nachrichten zu lesen.

Ich liebe dich. Wir bekommen das doch hin, oder?

Es war ein Versehen. Ich bin doch auch nur ein Mann.

Müde von seinen Worten schloss ich die Augen und legte meinen plötzlich schweren Kopf auf meine Arme, die ich vor mir auf der Bar verschränkt hatte. Also war sein Schwanz ganz ausversehen in die Vagina meiner besten Freundin gerutscht? Und weil er ja schon mal drin war, hatten sie auch lautstark weitergemacht in unserem Bett zu ficken?

Bei dem Gedanken wurde mir übel und es sammelte sich Galle in meinem Mund, die einen bitteren Geschmack auf meiner Zunge hinterließ. Ihre geschockten Gesichter, als sie von mir auf frischer Tat ertappt wurden, würden mich wohl noch einige Zeit begleiten.

Dabei war es ein guter Tag gewesen bis zu diesem Zeitpunkt. Ich war auf meiner Dienstreise befördert worden und konnte es kaum erwarten Luke davon zu erzählen. Seit Jahren schuftete ich mir den Hintern für die Außenstelle, in der ich seit meinem Collegeabschluss arbeitete, wund und hatte es endlich geschafft eine der begehrten Stellen im Hauptsitz des Immobiliengiganten „Clark's Enterprises" zu ergattern.

Ich hatte extra eine Flasche Wein und Luke's favorisiertes TakeAway Food am Flughafen gekauft, um ihn zu überraschen. Stattdessen wurde ich überascht, als ich die zwei wichtigsten Menschen nackt und eng umschlungen zwischen unseren Laken sah.

Seufzend strich ich mir mein dunkelbraunes langes Haar aus dem Gesicht, als ich aufstand, um auf die Toilette zu gehen. Als ich von dem Barhocker rutschte, dessen Plastikbezug schon unangenehm an meinen unbedeckten Schenkeln festklebte, wurde mir kurz schwarz vor Augen und ich musste mich an der Theke festkrallen, damit ich nicht hinfiel.

Durch die schnelle Bewegung überkam mich erneut in die Übelkeit und zum allersten Mal an diesem Abend überlegte ich, wie viele Martini ich eigentlich schon intus hatte. Dem Schwindelgefühl nach zu urteilen auf jeden Fall einen zu viel.

Mit geschlossenen Augen versuchte ich gegen Drehschwindel, der mich überfiel anzukämpfen. Als ich mir sicher war, dass zumindest mein Mageninhalt an seiner vorgesehen Stelle bleiben würde, wenn ich mich bewegte, öffnete ich die Augen und sah auf teurer aussehende Lederschuhe. Wo kamen die denn auf einmal her?

Langsam ließ ich meinen Blick von den Schuhen über einen trainierten Körper, der in dunklen Jeans und einem schlichten schwarzen T-Shirt, steckte, zu einem überaus ansehnlichen Gesicht schweifen. Amüsiert blitzten mich seine hellblauen Augen an, als sich mein Mund öffnete und sich meine Lippen zu einem leichten O formten.

Erst als er mir frech zuzwinkerte und mit seinem Finger meinen Mund schloss, konnte ich meinen Blick von seinem attraktiven Anblick losreißen. Peinlich berührt schaute ich zu Boden und merkte erst jetzt, wie schrecklich ich eigentlich aussehen musste mit meinen vom weinen verquollenen Augen. Außerdem fühlten sich meine Hände unglaublich klebrig an.

Wie vom Donner gerührt drehte ich mich blitzartig um, um der Situation zu entfliehen und merkte zu spät, wie sich mein Magen erneut umdrehte und ich anfing gefährlich zu schwanken. Alkohol war definitiv nichts für mich und ich bereute es schon jetzt mich in diesen Zustand gesoffen zu haben. Aber zu ändern war es nun auch nicht mehr.

Reflexartig hatte der schöne Mann seine Finger um mein schmales Handgelenk gelegt, damit ich einen sicheren Stand bekam und drehte mich mit einer fließenden Bewegung zu sich um.

Nicht mit dieser Reaktion rechnend, entschloss sich mein Körper die Führung zu übernehmen und so kam es wie es kommen musste.

Ich kotzte dem wohl attraktivsten Mann in dieser Bar vor seine teuren Schuhe.

Oh shit. 

𝕃𝕚𝕞𝕖𝕣𝕖𝕟𝕔𝕖Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt