Frühlingsblüten

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07. April -  Frühling.

Nach einer regnerischen Nacht blühte alles am Morgen wieder auf. Man konnte die Blumen sich entfalten sehen, die neu gewachsenen Blätter an der Hecke zählen und den Tau von den Ästen streichen. Es war echt traumhaft.

An diesem Morgen ging ich gerade mit meinem Hund spazieren, als mir auffiel, dass es relativ viele Sträucher von dieser einen Sorte gab. An jeder Ecke stand so ein Strauch mit wunderschönen, weißen, zarten Blüten. Ich war hin und weg von ihrer der Schönheit und wollte eine pflücken. Doch der dünne Ast an dem sie hingen war zu hoch gewachsen, als dass ich ihn hätte erreichen können. Da entdeckte ich eine Blüte weiter unten, etwa auf einem Meter Höhe - perfekt!

Ich schnappte sie mir und ging weiter. Während des Gehens betrachtete ich sie genauer und mir fiel plötzlich auf, dass eins der fünf Blütenblätter schon verwelkt war. Alle anderen sahen zwar noch gut aus, aber ich wusste, dass dieses eine Blatt den anderen Wort wörtlich den Saft rauben würde, wenn es noch länger dran blieb. Damit die Blüte vielleicht wieder gesund wurde, musste jede der Anderen ein Wenig von dem eigenen Saft abgeben. Aber wie sähe eine Blume aus, mit fünf halbmatten Blüten? Da hatte ich lieber eine mit vier gesunden Blättchen. Also riss ich das eine kurzer Hand ab und schritt fröhlich voran.

Irgendwie erinnerte mich diese Blume sehr stark an mich selbst. Ich kannte diese Situation, wo eine Sache im Leben schief lief. Die anderen Blüten an mir sahen dann vielleicht noch gut aus, aber ich wusste, dass sie ebenfalls unter diese Sache leiden würden. Wenn man sich dann nicht schnell genug von der Sache trennte, die einen fertig machte, konnte es die komplette Schönheit von einem vermasseln. 

Leichter gesagt als getan. Ich konnte nicht immer alles ablegen, was mich zu zerstören drohte. Zum Beispiel gab es mal viele Lästereien, die mich fertig gemacht haben und die ich nicht einfach ablegen konnte, als wären sie nie gesagt. Und darunter litten dann auch meine anderen Schönheiten. Am schlimmsten war es mit der Schönheit, dass ich vorher nicht so war wie die Anderen, was das Lästern betraf. Ich hatte das Lästern nie richtig gelernt und es auch eingentlich nicht ausgeübt, aber ab dem Zeitpunkt, wo die Anderen über mich gelästert haben, fing ich an, über sie zu reden und damit wurde es irgendwann zur Gewohnheit...

Da sieht man mal, wie so eine einzige kaputte Blüte sehr viel ändern konnte, wenn man sie niemandem abgab. Jetzt weiß ich aber, wenn ich wieder so Probleme habe, ich muss sie nur irgendwem erzählen, egal ob einer Freundin, einem Haustier oder einem Gott. Die Freundin kann einen aufmuntern, das Haustier bedingungslos zuhören und Gott kann es nehmen...

Diesen Monat gab es viele Frühlingsblüten und ich betrachtete jede Einzelne, als wäre sie ein eigener Mensch. Vielleicht findest du ja auch mal eine, die dich an dich selbst erinnert...

When wind blows...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt