01 - Flug des Todes

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Hilflos musste ich mit ansehen, wie mein Dad mein Gepäck in den Kofferraum unseres Autos lud, um mich zum Flughafen zu bringen. Das Protestieren und Gebettel der letzten Tage hatte nicht genügt, um meine Eltern umzustimmen.
April und Lindsay - meine beiden besten Freundinnen - waren genauso wenig begeistert wie ich es war. Auch sie konnten meine Mom und meinen Dad nicht umstimmen. Selbst Donald Trump könnte das wohl nicht, obwohl dieser wohl eher auf der Seite meiner Eltern stehen würde… auf meiner Seite jedenfalls eher nicht.

»Der Flieger wartet nicht«, meinte mein Vater und zwang sind ein Lächeln auf die Lippen.
»Ich werde nicht in dieses Auto steigen!« Ich weigerte mich nach wie vor, doch ich wusste eigentlich schon jetzt, dass es keinen Zweck hatte und ich so oder so bald im Flugzeug nach Texas sitzen würde. Außerdem war ich immer noch sauer auf meine Mom. Ich hatte sie dabei erwischt, wie sie mein Notebook aus meiner Tasche schmuggelte. Als sie weg war, packte ich es aber wieder ein. Wenn ich schon dahin musste, sollte ich wenigstens mitnehmen dürfen, was ich wollte!
»Madison Victoria Cooper!«, warnte meine Mutter, die soeben die Beifahrertür geöffnet hatte, um einzusteigen.
»Nichts Madison Victoria Cooper! Ich… ich- ihr könnt mich nicht zwingen!«, brachte ich trotzig hervor, obwohl ich genau wusste, dass ich im Unrecht lag.
»Und ob wir das können! Und wenn du jetzt nicht freiwillig einsteigst,verfrachte ich dich im Kofferraum!« Ich glaubte ihm, ich glaubte meinem Vater. Jedes Wort. Er würde mich im Kofferraum zum Flughafen fahren. Also war ich zähneknirschend eingestiegen und hatte beleidigt die Armee verschränkt. Innerlich ertrank ich gerade in Tränen - Tränen der Wut und der Verzweiflung.

*  *  *

Keine zwanzig Minuten später erreichten wir den San Francisco International Airport. Während mein Dad uns aussteigen ließ und noch nach einem Parkplatz suchte, gingen meine Mom und ich bereits in die Eingangshalle.
Später am Check-in war nicht viel los und so kam ich zügig an die Reihe. Meine Eltern begleiteten mich noch bis zum Gate und wollten noch warten bis ich im Flieger war, damit ich ja nicht abhauen konnte, was ich ehrlich gesagt sogar schon in Erwägung gezogen hatte.

»Viel Spaß, mein Schatz. Wir telefonieren, ja?«, meine Mutter schloss mich in eine Umarmung und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
»Ja, ja«, brummte ich leise. Mein Dad umarmte mich ebenfalls.
»Hab Spaß, ja? Wir sehen uns dann in zwei Monaten. Grüß deinen Onkel von uns!«, rief er mir noch nach, als ich um die Ecke ging und ins Flugzeug stieg.

Mein Platz war so ziemlich in der Mitte der Maschine und Gott sei Dank war am Fenster. Schlecht wurde mir beim Fliegen zum Glück auch nicht und so keimte langsam etwas Hoffnung in mir auf. Als ich meine Sitzreihe erreichte, musste ich feststellen, dass mein Platz belegt war.
»Entschuldigung, aber das ist mein Platz!« Der junge Mann wandte den Blick von der Fensterscheibe zu mir um und-
»Mark!?«, fragte ich fassungslos, als ich meinen Mitschüler erkannte, der sich meinen Fensterplatz unter den Nagel gerissen hatte.
»Hallo Madison«, sagte er finster.

Falls es jetzt noch nicht aufgefallen sein sollte, Mark und ich konnten uns nicht leiden. Seine Jungs gegen meine Mädels. So ging das schon seit dem Kindergarten. Trotzdem wollte ich freundlich sein, damit er mir meinen Platz überließ: »Was tust du hier?«
»Dasselbe könnte ich dich auch fragen«, entgegnete er, ohne mir zu antworten.
»Meine Eltern schicken mich in ein Militärcamp nach Texas. Du?«, meinte ich knapp.
»Besuche meinen Cousin«, erwiderte er.
Meine Lippen formten ein O: »Cool?«, sagte ich unsicher, doch Mark schüttelte den Kopf.
»Ich kann ihn nicht leiden. Meine Eltern und auch sonst jeder ist begeistert und stolz auf ihn, blablabla. Ich soll mir ein Beispiel an ihm nehmen und auch so werden wie er! Meine Mom würde ihn am liebsten adoptieren, pah!«, schimpfte er und fuhr fort: »Aber wieso erzähl ich dir das eigentlich? Egal, verpiss dich und lass mich in Ruhe!«

Und da war er wieder. Der Idiot!

»Sorry, aber du sitzt auf meinem Platz und ich verpisse mich sicherlich nicht, sondern du!«, sagte ich verärgert.
»Verschwinde, ich habe so schon genug Probleme!«
»Das ist doch nicht meine Schuld!«
»Jetzt verpiss dich endlich!«, knurrte er mich wütend an, dabei hatte ich viel mehr Gründe, um auszurasten.
»Okay, das reicht jetzt! Ich hole jemanden von der Fluggesellschaft!« Auf dem Absatz machte ich kehrt und steuerte ins Cockpit, was eigentlich völlig unlogisch war. Dort schickte der Pilot mich wieder weg und stattdessen ging ich auf eine blonde Stewardess zu. Sie stand am Eingang und begrüßte die Passagiere, die gerade an Bord kamen. Ihre blaue Uniform saß perfekt und betonte ihre Figur. Freundlich lächelte sie ein kleines Mädchen an, welches sich schüchtern hinter ihrer Mutter versteckte.
»Guten Flug, Kleine«, sagte die Stewardess.

Ich räusperte mich hinter ihr und sie drehte sich sofort zu mir um.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie. Nicht aus Höflichkeit, sondern einfach weil es ihr Job war, nahm ich an.
»Äh… ja! Mein Platz ist besetzt und die Person weigert sich, aufzustehen«, erklärte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich helfe Ihnen. Einen Moment bitte«, meinte sie und sagte etwas zu ihrer Kollegin. Dann ließ die Blondie mich vorgehen und dackelte mir hinterher.

Als wir an meinem Platz ankamen, wurde ich noch wütender. Mark hatte sich vom Acker gemacht und jetzt sah es wohl so aus, als hätte ich die Stewardess verarscht.
»Na, so wie's aussieht ist ihr Platz wohl doch wieder frei«, sagte sie, schüttelte den Kopf und ging dann wieder zum Eingang zurück. Vielen Dank, Mark!

*  *  *

Der Flug war schrecklich!

Nachdem ich also wieder meinen Platz für mich hatte, wurden die anderen beiden Sitze zu meiner Linken ebenfalls eingenommen. Es waren beides Männer. Prinzipiell habe ich ja nichts gegen das männliche Geschlecht, aber diese beiden waren wirklich übel!
Während der Geschäftsmann am Gang - der definitiv der Harmlosere war - den ganzen Flug über lauthals geschnarcht hatte, hatte mein Sitznachbar die ganze Zeit in eine Plastiktüte kotzend neben mir verbracht. Anfangs war er dafür ja auch auf dem Klo gewesen, aber da sich dort eine lange Schlange angesammelt hatte, hatte man ihn rausgeworfen. Die Kotze war nicht nur ekelhaft, nein, sie stank auch bestialisch. Ich konnte förmlich riechen, was der Mann zu Mittag gegessen hatte: Steak, das noch nicht richtig durch war, dazu Pommes und einen Beilagensalat mit Joghurt-Dressing. Jedenfalls vermutete ich es...

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