Odas

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Odas

Schritt für Schritt wurde es schlimmer. Und unangenehmer. Die Schuhe hatten schon vor geraumer Zeit einen Punkt erreicht, an dem sie sich absolut sicher waren, nicht mehr nasser werden zu können. Doch sie waren eben nur Schuhe, keine Besitzer von großem Wissen davon, wie die Dinge in der Welt funktionierten, und hatten sich offenbar in ihrer Überlegung getäuscht, wie damals, als sie sich vor ihrem Verkauf erhofft hatten, an einen Träger ohne Stinkfüsse weitergegeben zu werden. Doch nun waren sie hier, umhüllten wahrlich mies riechende Fersen und fielen dazu auch noch immer mehr einer Mischung aus Schlamm, Kieselsteinen und dem gelegentlichen Kot eines dem Braewald heimischen Tieres zum Opfer. Hätte jemand sie nach ihrer Meinung zur momentanen Situation gefragt, so hätten sie bestimmt mit «Unverschämt!» geantwortet, stünde das Sprechen in ihrer Macht. Doch sie waren eben nur Schuhe. Geräuschlos seufzten sie, und wünschten sich an einen wärmeren und vor allem trockeneren Ort.

Der Wanderer stapfte, während der ihm unbewussten, misslichen Lage seiner Schuhe, weiterhin durch die alles andere als zum Reisen einladende Nacht. Es schien, als hätte sich die Dunkelheit mit dem Regen, der seine Aufgabe, Pflanzen zu bewässern, wieder einmal zu ernst genommen hatte, gegen den Reisenden verschworen. Halblaut fluchte er. Warum hatte er sich auch ausgerechnet die Nacht für den Weg nach Braewald Dorf ausgesucht, die wohl ein in die Geschichte von Odas eingehendes Unwetter barg?

Denn Odas war eigentlich ein relativ südlich gelegener Kontinent, der es mehrheitlich vorzog, trocken zu bleiben und nur dann und wann einmal gerade so viel Regen passieren zu lassen, dass es ihm trotzdem noch möglich war, dichte Wälder und Pflanzen aller Art zu beherbergen. Doch heute schien er ausnahmsweise seine Präferenzen mal beiseite liegen gelassen zu haben.


Der in einen Umhang gekleidete Wandersmann folgte weiterhin dem Weg - oder zumindest dem, was davon noch übrig war, was tatsächlich nur noch so wenig war, dass der Reisende seit ungefähr einer halben Stunde nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, ob er ihm überhaupt noch folgte.
Es war nicht im Interesse der Zeit, sich verstreichen zu lassen und so allmählich schien den im Wald Verlorenen die Müdigkeit zu überkommen. So konzentriert darauf, nicht hinzufallen, vergaß der Wanderer für einen kurzen Moment, dass er sich eigentlich hätte darauf konzentrieren sollen, nicht hinzufallen. Aufgrund dessen stolperte er über einen genauso fest im Boden und Schlamm verankerten, wie auch darin versteckten Stein, und tauchte mit seinem ganzen Körper im Morast ein.

Kurz davor, aufgrund des Unglücks mehr als nur halblaut vor sich los zu fluchen, entdeckte der Mann etwas in der Ferne. Lichter.

Freude und Erleichterung überkamen ihn, was er sich aber nicht anmerken ließ, da er sich fest vorgenommen hatte, gegen außen ein Image der Lässigkeit und Unverfrorenheit aufrecht zu erhalten, und er wollte es nicht riskieren, dieses zu verlieren, bevor er es überhaupt erlangt hatte. Mit nun schnelleren Schritten marschierte er gen Zivilisation.

Das Dorf wurde inmitten einer riesigen Lichtung gebaut und setzte sich aus Häusern zusammen, die so aussahen, als hätten sie eigentlich durch das im Moment wütende Gewitter weggespült werden müssen. Der nun frisch pensionierte Waldläufer folgte einem kleinen, gepflasterten Pfad, für den sich seine Schuhe lautlos bedankten und an dessen Seite nach jeder Distanz, die etwa einem Steinwurf entsprach, eine mit mittlerweile ausgelöschter Kerze ausgestattete Laterne aus dem Boden ragte.

Und plötzlich stand sie vor ihm, als hätte sie sich hinter einem metaphorischen Vorhang versteckt, nur, um dann dahinter hervorzuspringen und den umhüllten Mann zu erschrecken: Die Taverne des Dorfes. Wie die restlichen Bauten der kleinen Siedlung hatte auch sie ihre besten Tage schon hinter sich, aber machte sich dennoch alle Mühe, noch einigermaßen attraktiv für hungrige, durstige und frierende auszusehen, was ihr aber nur halbwegs gelang. 

Durch die Fenster war ein warmes Licht zu sehen, und obwohl der Wind durch die Ohren des Wanderers zischte und der Regen diese regelrecht ausspülte, war von drinnen trotzdem ein lautes Poltern und daraufhin betrunkenes Gelächter zu vernehmen. Ein kleines Schild neben dem Eingangsportal versprach 'Das beste Bier in ganz Braewald Dorf!'. Neugierig herauszufinden, ob dies wirklich der Wahrheit entsprach und entschlossen, am richtigen Ort angekommen zu sein, schritt der Reisende zur Tür und öffnete sie, wobei diese vermutlich nicht ein noch nervtötenderes Quietschen von sich geben hätte können. Ein Stück kalte Luft von draußen nutze diese einmalige Gelegenheit und floh ins gemütlichere Innere. Die Wärme des Gasthauses ohrfeigte den neuen Kunden sanft und einladend. Er trat ein.

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I'm aware this is pretty short, but it's late at night and I kind of want to go to sleep. Sorry!
New chapters coming up though.

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