"Du hast was?" schockiert starrte ich sie an. Sämtliche Gefühle wichen aus meinem Körper und ich sprang so plötzlich vom Stuhl auf, dass dieser hinten über kippte. Blitzschnell drehte ich mich um und sah zu Cosmin auf. Er hatte den Stuhl aufgefangen, noch bevor er zu Boden fiel und blickte mir traurig in die Augen. Immer abwechselnd wandt ich den Kopf zu meiner Mutter und dem Vampir, von dem ich nicht mehr wusste, ob er es je ernst mit mir meinte.
Vor meinen Augen drehte sich alles und ich wusste, wenn ich nicht sofort verschwand, würde ich zusammenbrechen. Es fühlte sich an, als hätte man mir gewaltsam das Herz aus der Brust gerissen. Also rannte ich, rannte so schnell ich konnte durch die Tür Richtung Küche. Oliver stand gerade vor der Kühltruhe und suchte etwas.
"Oliver, bring mich nach hause, bitte. Sofort." platzte es erschöpft aus mir heraus.
Er sah mich völlig überrascht an und hielt meinem Blick stand.
"Natürlich, Sophie."
In meinem Kopf herrschte Chaos, wie in Trance folgte ich Oliver bis zum Auto, ich konnt an nichts anderes mehr denken als das Durcheinander in meinem Inneren. Er hielt mir die Tür auf und wollte mir ins Auto helfen, als plötzlich hinter uns ein dunkles Grollen ertönte. Laut wie ein heftiges Gewitter, donnerte es die Hauswand entlang. Ich sah mich erschrocken danach um und entdeckte Cosmin, der mit vor Wut verzerrtem Gesicht auf uns zu raste. Er rauschte an mir vorbei, packte Oliver am Kragen und warf ihn mit Leichtigkeit von sich. Der junge Vampir fiel ins nächste Gebüsch, dessen dünne Äste bei seinem Aufprall knackend brachen. Cosmins Augen glühten förmlich als er sich zu mir umdrehte und auf mich zu schlich. Das erste Mal, seit ich ihn kannte hatte ich wahrhaftig Angst vor ihm. Dieser Mann, den ich liebte, dem ich vertraute, der mir seine Welt zu Füßen legte - er war nicht da. Vor mir stand ein Vampir, gefährlicher als jedes Lebewesen in dieser Gegend.
Völlig erschrocken über seine Reaktion starrte ich erst ihn an, dann Oliver- der sich gerade wieder aufrappelte, mich jedoch hilflos beobachtete.
In seinem schwarzen Anzug und dem wehendem Umhang kam Cosmin mir immer näher. Dieser Anblick löste in mir immer noch ein Kribbeln aus, egal welchen Hass ich im Moment gegen ihn hegte. Für jeden Schritt den er mir näher kam, machte ich einen rückwärts, doch plötzlich hinderte mich das kalte Metall des RollsRoyce am Weiterkommen.Cosmin stützte seine Hände rechts und links neben meinem Kopf aufs Auto und beobachtete mich mit hungerndem Blick. Ich spürte die Kälte seiner Haut an mir hinaufkriechen, gleichzeitig fing das Blut in meinem Körper an zu kochen. Das Kribbeln und Rauschen in mir machte nur überaus deutlich, welches Verlangen ihn plagte. Als sein Gesicht mir bedrohlich langsam näher kam, hielt ich instinktiv die Luft an und wartete ab.
Oliver wollte mir erst zur Hilfe eilen, sein Respekt gegenüber seines Grafen war aber zu groß. Ich zitterte inzwischen am ganzen Körper, wartete aber wortlos ab, was er vor hatte.
Sein kalter Atem streifte meinem Hals und eine Gänsehaut breitete sich darauf aus, bevor er ihn mit den Lippen berührte. Ich hatte erwartet, dass er zu biss, doch er streifte meine Haut nur sanft mit der Zunge."Sophie, du gehörst mir, mir allein - vergiss das nicht." raunte er mir ins Ohr und löste sich schlagartig von mir. Cosmin trat einen Schritt zurück, schlang den Stoff seines Umhangs um seine Schultern und war verschwunden. Eine weiße Rauchwolke umhüllte mich, genauso wie seine letzten Worte meine Gedanken umhüllten.
Erschöpft lehnte ich mich an den Wagen und legte meinen Kopf in den Nacken.
"Sophie, alles in Ordnung bei ihnen?" fragte Oliver hastig und war sofort wieder zur Stelle.
"Ja, ich denke schon. Fahr mich nur so schnell wie möglich nach Hause." stöhnte ich und ließ mir, endlich ungestört, von ihm ins Auto helfen.
Als die Tür zu schlug, drückte ich den Knopf der die Trennwand zum Fahrerraum hoch fuhr. Auch wenn Oliver nichts für die Situation konnte und sich wundervoll kümmerte, wollte ich jetzt allein sein. Der Wagen setzte sich in Gang und ich lehnte mich in das teure Leder zurück.
Die Tränen flossen wie kleine Bäche meine Wangen hinunter. Mein ganzer Körper schmerzte vor Traurigkeit. Ich fühlte mich, als sei gerade eben meine ganze Welt um mich herum zusammen gebrochen.
Völlig in Gedanken stieg ich zuhause aus dem Wagen und schlurfte kraftlos ins Haus. Oliver fragte, ob ich noch etwas brauchte, ich lehnte aber ab und verkroch mich in mein Schlafzimmer.
Ich hatte wirklich gedacht, mit diesem Mann konnte ich glücklich werden und er sei ehrlich zu mir.
An diese seltsame dunkle Welt der Vampire hatte ich mich gerade gewöhnt, einer der ältesten hungerte nach meinem Blut und ich fing an zu akzeptieren, dass ich diesen Mann liebte.
Doch dann riss er mir innerhalb von wenigen Stunden den Boden unter den Füßen weg und ließ mich in ein tiefes dunkles Loch fallen.
Mein Herz war in tausend Teile zersplittert, mein ganzer Körper schmerzte. Ich konnte nicht glauben, dass es so weh tun könnte, von einem - nein zwei - geliebten Menschen so belogen und hintergangen zu werden.
Cosmin hatte mir nicht nur die ganze Zeit, die wir uns kannten, verheimlicht dass er von mir wusste und mich überwachen lies. Er hatte mir sogar verschwiegen, dass meine Mutter noch existierte.
Als Überraschung hatte er sie aus Italien einfliegen lassen, damit ich sie sehen konnte, mit ihr sprechen konnte. Er sah es scheinbar als eine Art Entschuldigung. Nicht nur dass sich das aufgrund ihrer Blutgier als schwierig heraus gestellt hatte, hatte auch sie mich so sehr enttäuscht, dass ich nun in meinem schwarzen Loch saß und nicht wusste wie ich wieder herauskommen sollte. Als sie verwandelt wurde, hatte sie ihre eigene Tochter als Gegenleistung einem Vampir versprochen, von dem sie nicht einmal wusste, zu welchen Vorteilen er ihr Versprechen nutzte.
Schluchzend und tränenüberströmt schlief ich nach Stunden des Grübelns und mit riesigen Kopfschmerzen ein.
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Der schwarze Gral -Bluterbe-
FantasyTeil 2 der Gral-Serie Sophie stellt sich oft die Frage, ob sie Cosmin wieder vertrauen könnte. Doch die Wahrheit über ihre Vergangenheit und der Weg durch die Welt der Unsterblichkeit führt sie unweigerlich zu einer Erkenntnis, die schon lange vor i...