Exception

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Hoseok und ich trafen uns in den nächsten Wochen öfter. Anfangs noch mit Jimin und Namjoon, dann alleine. Überraschender Weise war keines der Treffen mit Hoseok von unangenehmen Stillen unterbrochen wie ich zu Beginn befürchtet hatte.

Er hatte immer viel zu erzählen und auch meine sarkastischen Kommentare schienen seine immer gute Laune nicht zu trüben. Aus Treffen die einmal in der Woche in Seokjins Kaffee stattfanden wurden Treffen die zweimal pro Woche stattfanden.

Aus Wochen wurden Monate und bald schon sahen Hoseok und ich uns fast jeden Tag. Inzwischen trafen wir uns nicht mehr in dem kleinen Kaffee, welches wir dennoch öfters besuchten, sondern Hoseok kam in Namjoons und mein Aufnahmestudio, in dem ich die meiste Zeit verbrachte.

Vor Hoseok hatte ich noch nie jemanden hierhergebracht. Nicht einmal Jimin. Der Gedanke mit Jimin in diesem engen, kleinen Raum zu sein, erzeugte pures Grauen in mir. Einmal hatte Namjoon seine Freundin mitgenommen. Das war eines der wenigen Male in denen ich froh war blind zu sein. Doch meine Ohren funktionierten deshalb umso besser und nach einigen Minuten im selben Raum mit dem Paar, beschloss ich, dass es besser wäre in mein kleines Appartement zurück zu kehren.

Was die beiden noch alles machten nachdem ich meinen Abgang gemacht hatte, will ich mir lieber nicht vorstellen.

Ich arbeitete gerade an einem neuen Song, als ich plötzlich jemanden hinter mir spürte.

„Hoseok", brummte ich leise zur Begrüßung und musste fast schmunzeln als ich sein frustriertes Aufseufzen hörte.

Es war immer dasselbe Spiel. Hoseok versuchte sich an mich heran zu schleichen und ich bemerkte ihn bevor er mich erschrecken konnte. In Wahrheit spürte ich es, sobald er den Raum betrat, aber das verschwieg ich lieber. Zu sehr genoss ich Hoseoks immer gleiche Reaktion.

Ohne ein weiteres Wort arbeitete ich weiter. Meine Finger kannten jeden Knopf jede Erhebung dieses Raumes. Ein weiterer Grund weshalb ich so oft hier war. Hier fiel es kaum auf, dass ich nichts mehr sehen konnte.

Stumm ließ sich Hoseok auf das Ledersofa hinter mir sinken und beobachtete mich. Ebenfalls ein Muster das sich wiederholte. Nach seinen Tanzstunden – Hoseok war wie Jimin professioneller Tänzer bei einem Entertainment- besuchte er mich immer in meinem Studio. Egal wie spät es war. Ich bekam immer Gewissensbisse, wenn ich hörte wie er versuchte seine Erschöpfung vor mir zu verstecken. Wenn ich ihn darauf anzusprechen versuchte blockte er ab.

„Du bist ja auch noch hier Hyung", sagte er dann immer.

Auch heute war Hoseok erschöpft. Ich hatte es an seinen Schritten gehört. Sein Gang war nicht so federnd wie sonst.

Ich arbeitete einige Stunden weiter. Da ich nicht mehr sehen konnte hatte ich keine Ahnung wie spät es war, doch als ich ein Gähnen unterdrückte und meine entspannten Schultern zu lockern versuchte, hörte ich Hoseoks gleichmäßiges Atmen im Hintergrund. Ich war so sehr in meiner Arbeit versunken, dass ich Hoseok komplett vergessen hatte. Das passierte öfters, wenn ich mit Musik zu tun hatte. Namjoon war das inzwischen schon gewohnt und ging irgendwann einfach nach Hause.

Ein kleines Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich dem leisen Aus- und Einatmen lauschte. Ich könnte noch ewig hier sitzen und Hoseok beim Atmen zuhören, doch es war bestimmt schon lange nach Mitternacht und Hoseok hatte um sechs in der Früh seine erste Tanzklasse.

Ich seufzte leise und stand dann absichtlich laut auf. Hoseoks Atmung kam kurz zum Stillstand und ich hörte wie er sich mit einem leisen Grummeln zu regen begann. Leise schmatzte er und ich konnte mir richtig seine verquollenen, müden Augen vorstellen, welche desorientiert blinzelten in einem Versuch sich an das dunkle Licht zu gewöhnen.

Nicht das ich Licht bräuchte, doch ich drehte es immer auf, damit Hoseok in dem Fensterlosen Studio etwas sehen konnte, wenn er mich besuchen kam.

„Bist du fertig?", quakte Hoseok vom Sofa aus.

Ich ignorierte den warmen Schauer, welcher meinen Körper beim Klang seiner vom Schlaf heiseren Stimme überlief und gab ihm ein Nicken als Antwort. Ich hörte wie Hoseok aufstand und verzog das Gesicht als ich seine Knochen knacken hörte sobald er sich streckte. Er wusste, dass ich dieses Geräusch hasste und streckte sich immer absichtlich in meiner Nähe.

„Lass uns gehen", meinte er müde in seiner fröhlichen Hoseok Art.

Stumm liefen wir nebeneinander her. Da es erst Frühling war, waren die Nächte noch kühl und ich vergrub meine Hände in meinem großen Hoodie. Ich liebte es des Nachts durch Seoul zu laufen. Liebte es schon vor meinem Unfall. Die friedliche Stille in den sonst so vollen Straßen die nur hin und wieder von einem vorbeifahrenden Taxi unterbrochen wurde, das Müde Arbeiter und betrunkene Partybesucher wieder nach Hause brachte.

Ich wusste, dass Hoseok viele Fragen an mich hatte. In den Monaten die wir schon befreundet waren, hatte ich viel über ihn erfahren. Dass er von Kwangju nach Seoul gekommen war um sich als Tänzer bei einem Entertainment zu bewerben. Dass seine Eltern von der Idee nicht so begeistert waren und es lieber hätten, wenn ihr Sohn wie alle normalen, jungen Leute in seinem Alter an einer Universität studierte.

Ich wusste alles, doch hatte ich ihm nichts über mich erzählt. Er fragte auch nicht. Vielleicht hatte es ihm Namjoon gesagt, vielleicht wusste er von alleine, dass meine Geschichte nicht so glücklich war. Nicht, dass mein Leben schrecklich war, oder besonders schlimm, doch glücklich war es auch nicht und ich wollte nicht darüber sprechen.

Ich war 22 Jahre alt. Songwriter bei demselben Entertainment bei dem auch Namjoon, Hoseok und Jimin unter Vertrag standen und lebte alleine in einem kleinen Appartement nicht weit entfernt von meinem Arbeitsplatz.

Müde lauschte ich Hoseoks Schritten neben mir. Ich kannte die Gegend hier gut, darum konnte ich auch ohne Probleme alleine nach Hause finden. Dennoch brachte mich Hoseok immer zurück. Etwas das ich bei keiner anderen Person zugelassen hätte – nicht, dass jemand außer Namjoon es gewagt hätte mich nach Hause zu bringen-, doch ich genoss Hoseoks Anwesenheit.

Heute war Hoseok ungewöhnlich still. Normalerweise redete er selbst wenn er müde war wie ein Wasserfall. Die gelegentlichen Seufzer welche sich einen Weg zwischen seinen Lippen hervor bahnten, bekräftigten meine Vermutung.

Doch ich fragte nicht nach was falsch war. Auch wenn die Frage auf meiner Zunge brannte. Mir im Kopf herumgeisterte und ich Hoseoks fröhliche, unbeschwerte Stimme hören wollte, fragte ich nicht nach.

Min Yoongi fragte nie nach.

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