Die Menschenwelt war dreckig und dunkel, kein Wunder, dass das kleine Mädchen welches sich mit ihren dunklen Mantel durch die Massen schlängelte keinem auffiel. Arya hatte ihren ersten Tag in dieser Welt schon fast überstanden ohne auch nur einem Dämon begegnet zu sein. Sie fühlte sich schon fast sicher, auch wenn sie manchmal Blicke in ihrem Nacken spürte. Doch wenn sie sich dann umdrehte waren es nur gewöhnliche Menschen.
Früher waren ihr immer Schauermärchen über die Dämonen erzählt worden, die ihr Engelsblut schon Kilometer weit entfernt riechen konnten. Doch das schien auch nur eine Lüge gewesen zu sein. In einiger Entfernung sah sie ein Gasthaus. Sowas hatte es in ihrer Welt auch gegeben, auch wenn es dort heller erleuchtet war und auch insgesamt fröhlicher aussah. Ihr knurrender Magen ließ ihr keine Wahl. Sie wich den größten Pfützen auf der Straße aus bis sie es erreichte und öffnete die Tür. Ein unbekannter Duft strömte ihr entgegen, doch als sie sah was diesen Geruch verursachte wurde ihr schlecht. Es war Fleisch. Auch davon hatte man sich in ihrer Welt erzählt. Die Menschen waren grausam und aßen Tiere.
Einige der Menschen sahen sie schon komisch an und der Wirt schaute sie auch an. „Komm rein Mädchen. Mit was kann ich dir helfen? Nur eine Mahlzeit oder auch ein Bett für die Nacht?" Sie schaute sich noch kurz um, dann ließ sie die Tür hinter sich zufallen. „Wenn es Recht ist hätte ich gern eine Mahlzeit ohne Fleisch und auch Bett für die Nacht." Sie war froh, dass sich ihr Widerstreben nicht in ihrer Stimme sichtbar machte. Der Wirt deutete auf eine Sitzbank in einer Ecke. „Da kannst du dich hinsetzen. Ich lasse dir gleich etwas bringen." Der Wirt ging in einen anderen Raum, wahrscheinlich die Küche.
Arya setzte sich. Es war zwar warm in diesem Raum, doch sie konnte ihren Mantel nicht abnehmen, denn sonst hätten alle anderen bemerkt, dass sie anders war. Sie hatte immer noch die Kleidung eines Engels an und ihren goldenen Schmuck, der kennzeichnete, dass sie aus einer wichtigen Familie kam. Sie entschloss wenigstens die Kapuze abzulegen.
Da saß sie nun einsam und verloren in einer Menschenhütte. Ihr dunkles Haar fiel in Wellen hinab und ihre hellblauen Augen betrachteten ihre Umgebung. Die Menschen schauten schnell weg, wenn sie zu ihnen herübersah und taten so, als hätten sie nie zu ihr hingesehen. Der Wirt kam zu ihr rüber und stellte vor ihr einen Teller Suppe und ein Brot hin. Sie betrachtete beides gierig. Der Wirt setzte sich gegenüber von ihr hin und schaute sie an. Sie ließ sich davon nicht stören, sondern aß das Essen. „Du kommst nicht von hier, oder?" Sie schaute auf. „Wieso?" Der Mann lachte. „Sowas erkennt man einfach. Du bist ein Mensch, der anscheinend noch an das Gute glaubt. Solche gibt es hier nicht sehr oft."
„Wieso das Gute?" Sie verstand nicht, was der Mann von ihr wollte. Auch der Mann sah sie jetzt etwas verwirrt an. „Komisch es hätte schon wirken sollen..." Sie merkte die Veränderung in seinen Augen, von dem strahlenden, warmen Gefühl, dass er vor wenigen Momenten ausgestrahlt hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben, stattdessen schauten sie leblose, kalte Augen an. Sie spürte wie ihr schwindelig wurde. Sie versuchte aufzustehen, doch alles um sie herum drehte sich. „Was.. was passiert mit mir?! Was..?" Sie schien endlich zu begreifen, dass der Mann vor ihr nicht so freundlich war, wie er sich gegeben hatte. „Tut mir Leid, Kleine. Aber du wirst mir auf den Sklavenmarkt ein schönes Sümmchen einbringen."
Das konnte nicht sein mit ihrer letzten Kraft richtete sie sich auf und versuchte wegzulaufen. Sie kam nicht weit. Der Wirt packte sie grob am Arm. „Du bist wirklich widerspenstig." Sie spuckte ihm ins Gesicht, in der Hoffnung, dass er sie loslassen würde, doch es erzielte nicht den gewünschten Effekt. Im Gegenteil, der Griff wurde noch fester und er stieß sie gegen die Wand. „Es scheint mir, als müsse man dir erst noch ein paar Manieren beibringen, bevor man dich verkaufen kann." Sie sah, wie eine Hand auf sie zuraste. Sie wollte sich wehren, doch das, was der Kerl ihr ins Essen gemischt hatte, machte sie viel zu langsam dafür.
Sie schmeckte, das Blut in ihrem Mund und spürte den pochenden Schmerz in der einen Gesichtshälfte. Sie wurde über den Boden geschleift und fand sich ein paar Minuten später bei vollem Bewusstsein in einer kleinen, modrigen Kammer wieder. Der Mann hatte sie alleine gelassen, doch sie war gefesselt. Sie drehte sich und versuchte sich aus den Seilen zu befreien, doch ihre Mühen waren vergebens.
Plötzlich hörte sie neben sich ein Geräusch. Ein anderes Mädchen saß stumm an der Wand und betrachtete sie. Sie hatte nur kurz geseufzt, doch jetzt fing sie an zu sprechen: „Es wird dir nichts bringen. Die Leute sind anscheinend geübt mit sowas, da kommen wir erstmal nicht raus." Arya schaute sie jetzt auch genauer an. Sie hatte hellblondes Haar und genauso blaue Augen wie sie. „Wer bist du?" „Was tut das noch zur Sache?", fragte das Mädchen grimmig. „Morgen wird mir beim Verkauf sowieso ein neuer Name gegeben werden..." Sie schien über etwas nachzudenken. „Naja, vielleicht haben wir Glück und mein Bruder findet uns."
Arya war von ihrer unfreundlichen Art etwas eingeschüchtert, trotzdem rang sie sich zu der Frage durch: „Wo ist dein Bruder?" Sie seufzte wieder. „Wer weiß das schon..." Sie schien noch etwas vor sich her zu murmeln, irgendetwas von wegen „...dreckig...halt Menschen...", doch so genau konnte Arya es nicht verstehen. Sie robbte zur Wand rüber und setzte sich neben das andere Mädchen.
„Es ist so kalt hier." Arya konnte nicht anders, als sich zu beschweren. Sie war etwas anderes gewöhnt. In der Welt der Engel waren alle immer freundlich zu ihr gewesen. Sie war naiv gewesen, als sie gedacht hatte, dass sie sich in dieser korrupten Welt zu Recht finden würde. Das Mädchen neben ihr atmete einmal tief ein. „Du riechst wirklich gut..." Dann schien sie eingeschlafen zu sein und auch Arya war von diesem Tag in der Menschenwelt erschöpft. Ihr Kopf kippte zur Seite und sie schlief, an das fremde Mädchen angelehnt, ein.
DU LIEST GERADE
Sturm der Welten
LosoweEngel und Dämonen bekriegen sich, es gibt immer wieder neue Opfer und mittendrin in dem Chaos ist Arya, eine Engelstochter.