Teil 1: Von Himmel und Erde

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Da stand ich nun, klein Ondine, gerade mal 12 Jahre alt, die zu viele Ideen für schlechte Charaktere im Kopf hatte. Meine langen dunkelblonden Haare waren nicht zusammengebunden, die schwarze Schleife an meinem Kopf hing lustlos vor sich hin und mein Gesicht war verheult wie sonst was.
Meine Eltern ließen mich nicht den Namen des Gebäudes lesen und so wusste ich nicht, dass ich in einem Waisenhaus gelandet war.
Ich sah nur die ganzen Leute vor mir. Einer hatte eine Narbe am Hals und sah wirklich grimmig aus. Ein anderer war relativ füllig und schien gerade von einer Frau zur Vernunft gebracht zu werden, da er Stifte durch die Gegend schmiss.
Hinter all diesen Leuten lehnte ein Mädchen an einer Wand. Sie hatte langes, braunes Haar mit pink-lila schimmernden Spitzen und eine graue Mütze auf. Ihre grünen Augen sahen direkt mich an und ich werde ihren Blick niemals vergessen.
Klar, ich bin ein Weib, aber wow, sie war eine Schönheit und vielleicht 2 Jahre älter als ich.
Sie lief auf mich zu und war erstaunlicherweise nur ein paar Zentimeter größer als ich. So sah sie zu mir runter und sah plötzlich ganz besorgt aus.
„Du armes Ding, du bist wohl neu hier, stimmt es?"
Ich sah sie weiter an. Ihre Stimme war sogar engelsgleich. Wer war sie und woher kam sie?
Ich nickte nur, das Schluchzen verschluckte meine Worte. Sie lächelte sanft und nahm meine Hand.
„Hallo, ich bin Rosanne, und du?"
„O-o-ondine", schluchzte ich hervor, meine Tränen fielen auf mein weißes Kleid mit türkisenem Schimmer.
„Das ist doch ein Schöner Na-"
Rosanne stockte und sah das Kleid mit großen Augen an, woraufhin sie fragte: „Wo hast du das her?!"
„V-von meinen Eltern. Ist ein Geschenk, weil sie kurz verreist sind."
Es herrschte Stille. Eine beklemmende Stille, die dir die Luft zum Atmen nimmt und die dich langsam, aber quälend fallen lässt, bis du auf dem Grund aufkommst und dir alle Knochen brichst. Dieser Moment kam, als Rosanne wieder anfing zu sprechen.
„Deine Eltern kommen nicht mehr zurück. Sie gaben dich in ein Waisenhaus und das Kleid, was du trägst, ist mit echtem Diamantenstaub überzogen und ein Vermögen wert."
Bei jedem Wort kamen mehr Tränen aus meinen Augen und ich weinte immer heftiger. Ich konnte es nicht glauben. Meine Eltern hatten mich angelogen.
„Diamantenstaub sagst du? Das muss ein Vermögen wert sein!"
Scheiße, der Kerl mit der Narbe, der sich später als Jonas herausstellte, hatte zugehört und Blut geleckt.
Rosanne stellte sich vor mich und wollte schon etwas aus ihrer Jackentasche holen, während Jonas mit gierigem Blick auf mich zukam, doch dann kam die Erzieherin, die zuvor den fülligeren Jungen gebändigt hatte und zog Jonas weg, nur um ihn einer Standpauke zu unterziehen.
Rosanne atmete erleichtert auf. „Du musst es so sehen, Ondy. Die Erzieher hier sind nur zu zweit, die Kinder hier sind das eigentliche Probl-"
Ich ließ sie nicht ausreden, denn ich umarmte sie schon ganz fest. Rosanne schreckte zurück, doch dann nahm sie mich in die Arme und lächelte.
Dies sollte der Beginn einer tragischen, aber perfekten Freundschaft werden.
Wer hätte gedacht, was nach diesem Tag alles passieren würde...

OndineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt