Sie wälzte sich vergebens in ihrem kuscheligen Bett herum. Sie konnte einfach nicht schlafen. Und das schon seit 20 Uhr und mittlerweile zeigte der Wecker auf ihrer Uhr schon 23 Uhr an. Sie schnaubte genervt; Sie konnte nie bei Vollmond schlafen. Sich aber auch nicht heimlich raus schleichen, wie als sie noch nicht in einem Kinderheim wohnte. Obwohl sie es schon öfters getan hatte.
Hier war zwar alles freundlich, hell und kindergerecht eingerichtet und man bekam sogar ein Smartphone wenn man in die 5. Klasse kam, einen Laptop, wenn man in die 7. Klasse kam und einen Fernseher, wenn man 16 wurde.
Aber es gab hier strenge Regeln. Man musste, egal wie alt man war, unter der Woche um 20 Uhr schlafen gehen und spätestens um 6 Uhr aufstehen. Das Frühstück gab es dann von 6.30 Uhr bis 7.00 Uhr und dann wurde man auch schon um 7.30 Uhr zur Schule gefahren. Mittags gab es Essen in der Schule, an dem die Kinder aus dem Kinderheim teilnehmen mussten. Dabei war es egal was sie aßen, auch wenn es nur ein Apfel war. Um 15.30 Uhr wurden sie dann von der Schule abgeholt und hatten Freizeit bis um 18 Uhr, da gab es Abendessen bis 18.30 Uhr. Und anschließend hatten sie Freizeit bis 20 Uhr. Dann sollten sie schlafen.
Am Wochenende war alles etwas lockerer. Spätestens sollten sie um 8 Uhr aufstehen, weil es manchmal Ausflüge in Zoos oder ähnliche Dinge, wie Lasertag für die Großen und Töpferkurs für die Kleinen, gab. Frühstück gab es an solchen Tagen von 6 bis 9 Uhr. Mittag gab es, je nach Ausflugtag oder nicht, als Lunchpaket oder im Heim vom 12 bis 14 Uhr. Und Abend gab es von 18 bis 20 Uhr. Dann durften die Kinder so lange aufbleiben wie sie wollten und mit Einverständnis auch mal weg gehen, mussten aber spätestens um 0 Uhr wieder da sein. Und wenn man im Heim blieb, sollte man sich leise verhalten oder in einen der Aufenthaltsräume gehen, dort war es schlicht egal wie laut man war.
Die Großen hielten sich aber eher selten an die Schlafenszeiten unter der Woche. Meistens blieben sie bis 11 Uhr oder länger wach. Aber sie hielt sich noch ganz brav an die Regeln, da sie erst 11 Jahre alt war, und kapierte die großen einfach nicht. Na ja, wenn es nicht gerade Vollmond war.
Sie drehte sich noch einmal auf eine Seite und stand nun entnervt auf. Es klappte einfach nicht mit dem Schlafen. Sie schnappte sich ihren weißen Plüschhund, der als einziges unversehrtes Überbleibsel von dem Brand übergeblieben war, bei dem ihre ganze Familie umgekommen war, und lief in ihrem weißen kurzen Schlafanzug barfüßig zur Zimmertür. Diese öffnete sie möglichst leise und strecke den Kopf aus der Tür raus. Gut, niemand im Flur, dachte sie zufrieden. Leise schlüpfte sie aus ihrem Zimmer und machte die Tür sachte zu. Nun schlich das Mädchen den Flur entlang zur Treppe, bei der sie zur Hälfte runter ging, um zu prüfen, ob noch einer der Betreuerinnen da war, aber wie es schien waren sie alle schlafen, denn es brannte kein Licht.
Sie schlich den Rest der Treppe herunter und folgte dem letzten Stück Flur zur Tür die in den großangelegten Obst-, Gemüse und Spielgarten führte. Wenn sie Glück hatte, war die Tür offen und wenn nicht... dann musste sie sich ihn wohl aus dem Heimleiterbüro borgen.
Langsam drückte sie die Klinke der Tür herunter und drückte, aber die Tür bewegte sich nur einen Zentimeter nach vorne und dann stoppte sie. Also muss ich ihn mir mal wieder „borgen", dachte sie sich und machte sich auf Zehnspitzen auf dem Weg zum Büro.
Das Büro befand sich zum Glück direkt am Eingang des Heims und war immer geöffnet, was ihr immer ein Vorteil bei diesen Aktionen war.
Sie betätigte also leise die Türklinke Büros und schlüpfte rein. Meistens war eh keiner mehr um diese Uhrzeit in ihm. Zielsicher ging sie auf das Schüsselbrett zu und schnappte sich den Schlüssel ganz rechts unten vom Haken, über dem „Garten" stand. Es gab noch jede Menge andere Schlüssel, wie zum Beispiel für das Gartenhäuschen oder für andere noch freie Zimmer.
Sie lächelte. Es gab ihr immer ein gutes Gefühl, wenn sie einen Schritt näher an ihrem Ziel war. Im Falle, wenn die Tür offen wäre, wäre dieser Moment für sie, wenn die Tür aufschwang.
Aber nun setzte sie sich wieder auf Zehnspitzen in Bewegung und schlich aus dem Büro zur Türe in den Garten. Hinter sich machte sie die Bürotür leise zu. Bei der Tür nach draußen schloss sie diese genauso leise auf. Das Mädchen zog den Schlüssel auf dem Schlüsselloch und drückte die Türklinke behutsam herunter. Nun öffnete sie die Tür einen spaltweit, sodass sie herausschlüpfen konnte und machte sie gleich wieder zu.
Einen Moment sah sie sich nun stumm um und dann lächelte sie los. Das Mädchen atmete die kühle Nachtluft ein und wirbelte herum. Sie war glücklich. So glücklich, dass sie das Gefühl die ganze Welt in die Arme nehmen zu müssen. Nach der Drehung, ließ sie sich nach hinten, auf den weichen Rasen fallen. Nun lag sie mitten im Garten, umgeben von Obst, Gemüse, Blumen und Spielgeräten. Wie ich das hier vermisst habe, dachte sie sich und sah den wolkenfreien Himmel an. Der Vollmond war groß und rund und die Sterne funkelten wie verrückt um die Wette. Ihr Lächeln wurde breiter und verwandelte sich in ein Grinsen.
Langsam hob sie ihre rechte Hand, in der der geborgte Schlüssel war, und verband einige Sterne miteinander zu Einhörnern, Blumen, Wörtern und weiteren absurden Dingen. Sie ließ ihrer Fantasie freien Lauf, wobei ihr auffiel, wie viel man aus den einzelnen Sternen machen konnte. Aber als sie ein loderndes Feuer malte, verschwand ihre Freude augenblicklich und sie sah zum Mond, der sie anzulächeln schien. Aber es war kein nettes Lächeln, sondern eher ein fieses, deutete sie es. Sie stand auf, als wolle sie noch näher an den Mond heran kommen; was wollte er ihr damit sagen? Meist gab er ihr Mut, einen Rat oder sonstiges, aber da war das Lächeln eher... sanft und nett, wie sie fand. Sie stellte sich auf die Zehnspitzen und hob ihren rechten Arm erneut um noch näher dran zu kommen und plötzlich wurde die Welt um sie herum schwarz und es fühlte sich so an, als ob sie durch Zeit und Raum geschleudert wurde...
Der Mond wollte ihr mal wieder etwas zeigen.
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✰Schlaflose Vollmondnacht✰
Short StoryEmilia kann, wie so oft bei Vollmondnächten, nicht einschlafen. So entscheidet sie sich wie oft, raus in den Garten zu gehen. Und wie immer will ihr der Mond dann etwas zeigen.