»Es ist verboten, einen Namen, der nicht zur eigenen Dynastie gehört, als Mitglied der Dynastie zu beschäftigen oder auszubilden.«
Paragraph 12 des Gesetzbuches von Wonspiel
»Einhundert Goldmünzen.«
»Wollt Ihr mich verarschen?«
»Na schön, zweihundert Goldmünzen. Das ist ein gerechter Preis.«
»Ach ja? Das denkt Ihr!«
So wütend hatte ich Londurs schon seit Langem nicht mehr erlebt. Normalerweise war mein Partner allzeit gelassen. Er verlor nicht einfach so die Fassung oder die Nerven. Söldner zu sein, war ein gefährlicher Beruf: Man überlebte nicht lange, wenn man sich nicht beherrschen und vorausschauend handeln konnte.
Daher hatte es mich auch sehr überrascht, Londurs schreien zu hören. Nun schlich ich mich näher an ihn und seinen Gesprächspartner heran, um besser zuhören zu können. Ging es um einen neuen Auftrag?
Ja, flüsterte mir die Stimme zu.
»Nun hört mal! Zweihundert Goldmünzen sind nicht gerade wenig. Dafür könnte ich auch einen anderen engagieren, der diesen Auftrag erledigt!«, protestierte der Gesprächspartner nun.
»Warum tut Ihr es dann nicht?«
»Na schön!«, knurrte der Gesprächspartner. »Zweihundertfünfzig Goldmünzen, das ist mein letztes Angebot.«
»Abgelehnt!«, knurrte Londurs zurück. Er war rot im Gesicht und stand kurz vor der Explosion.
»Was?« Der potentielle Auftraggeber wirkte fassungslos. Mit dieser Antwort hatte er sichtlich nicht gerechnet. »Mehr als zweihundertfünfzig Goldmünzen? Das ist Wucher!«
»Habt Ihr schon mal daran gedacht, dass es am Auftrag und nicht an der vorgeschlagenen Bezahlung liegt, dass ich das Angebot ablehne?«, fragte Londurs genervt, als sich der Mann noch immer nicht abschütteln ließ.
»Am Auftrag?«, wiederholte der Mann verwirrt. »Aber Ihr seid ein Kurbabu! Das ist Euer Beruf!«
Londurs' Hand zuckte zu seinem Wappen auf seiner Brust und verdeckte so die roten Blutstropfen und das schwarze Messer auf grauem Grund, die darauf zu sehen waren. Jeder, der das Wappen sah, wusste, dass er einen Kurbabu vor sich hatte. Doch Londurs gefiel ganz und gar nicht, was die Menschen auf der Straße von ihm dachten, wenn sie sein Wappen sahen.
»Ich bin kein Mörder!«, erklärte er hitzig. Seine Hand krallte sich inzwischen so fest um sein Wappen, dass sich die Kette um seinen Hals spannte und zu reißen drohte.
»Aber jeder weiß, dass Kurbabus jeden Auftrag annehmen, egal ob Diebstahl, Erpressung, Mord oder als Kämpfer!«
Und hier war er nun. Der Grund, warum es mir und Londurs unmöglich war, eine andere Arbeit zu finden. Unsere Namen bestimmten darüber, was wir waren. Es spielte keine Rolle, dass ich eine ganz passable Näherin war und mir meine Kostüme selbst nähen konnte. Niemand würde mir einen Nähauftrag geben, weil ich keine Lakonita war. Genauso wie mein armer Lon keinen Auftrag am Hafen oder als Holzfäller fand, weil er kein Neriya oder Askaldo war. Stattdessen bekam er Mordaufträge, die er nicht haben wollte.
»Meine Antwort lautet Nein und dabei bleibt es!«, erklärte er dem wohlhabenden Fiento fest, von dem wir eigentlich nur etwas Obst hatten kaufen wollen.
Ein frischer Frühlingswind kam auf und ich zitterte in meiner Jacke. Diese Rast dauerte nun definitiv schon zu lange und ich freute mich schon auf Londurs' schlechte Laune, die wahrscheinlich für den Rest des Tages anhalten würde.
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Die Magie der Lüge (Leseprobe)
FantasyDie Fortsetzung zu "Die Magie der Namen": Anderta Passario führt ein Doppelleben. Tagsüber ist sie eine harmlose Wahrsagerin, nachts eine gerissene Diebin. Sie ist glücklich. Doch eines Tages verändert ein Zauber die Wirklichkeit und Anderta scheint...