Solarnia & Nimmermond

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Es war ein warmer Sommertag, an dem jemand, mir unbekanntes, in Solarnia auftauchte

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Es war ein warmer Sommertag, an dem jemand, mir unbekanntes, in Solarnia auftauchte.
Ich war gerade im Archiv und versuchte Bücher über Magie der Sonne zu finden, überhaupt irgendwelche Bücher, die sich mit Magie beschäftigen, doch da war nichts. Gar nichts.
Irgendwann gab ich die Suche auf und ließ mich erschöpft auf den Boden fallen, lehnte mich an ein Bücherregal und atmete tief ein. Die großen Fenster waren allesamt offen und der Duft frisch gemähten Grases flog in das alte Archiv hinein.
Es war einer meiner Lieblingsdüfte und gab ein wenig Trost, nach solch einer Enttäuschung.
Ich blickte auf meinen rechten Arm und konnte mich nicht an den Sonnen Tattoos, die dort zu sehen waren satt sehen. Ein paar Sonnenstrahlen fielen auf sie und sie fingen an zu glitzern. Ich liebte diesen Anblick und war wahnsinnig stolz schon acht von ihnen zu haben. Ich konnte noch vier bekommen, dann hätte ich zwölf. Das war die höchstmögliche Anzahl, die man bekommen konnte; das geschah allerdings nur äußerst selten. Die meisten hatten nicht mehr als fünf Tattoos, wenn überhaupt.
Das erste Tattoo bekam jeder kurz nach seiner Geburt, denn die Sonne war das Zeichen von Solarnia und unseres Volkes. Weitere musste man sich verdienen, sei es durch außergewöhnliche Taten, besondere Talente oder großen Mut.
Dabei wuchs mit jeder Sonne auch das Ansehen und neue Möglichkeiten eröffneten sich.
Doch mir ging es nicht um das Ansehen. Ganz und gar nicht. Dieses hatte ich als Tochter einer der Gründerfamilien sowieso, es bedeutete mir jedoch nichts.
Mir ging es um die Verbundenheit mit der Natur und mit der Sonne, denn ich habe gemerkt, dass mit jedem erhaltenen Tattoo sich etwas bei mir, in mir, verändert hatte. Plötzlich wusste ich Sachen, von denen noch nie jemand etwas gehört hatte und spürte eine unfassbare Energie in mir, die ich kaum bändigen konnte. Sie schien sehr stark zu sein, fast so als ob sie aus mir raus wollen würde. Außerdem fühlte ich mich mit jedem Tattoo stärker als zuvor.
Doch ich wusste nicht was all dies zu bedeuten hatte. Zuerst schien Magie abwegig zu sein, da sie vor Jahrhunderten verbannt worden ist, doch es fühlte sich so an, als ob sie zurückgekehrt wäre. So als ob auf irgendeine Art und Weise, die Sonne sie uns wieder geben würde. Oder zumindest mir, denn sonst keiner schien die Veränderung zu bemerken. Ich sprach nur mit wenigen Leuten über dieses Thema, doch sie erfreuten sich durch die Sonnen an ihren Armen nur an Prestige im Volk und belächelten mich ein wenig für meine angebliche Naivität.
"Du solltest aufhören in Märchen zu leben, Stella. Du gehörst einer Gründerfamilie an; vielleicht wirst du ja irgendwann unser Volk leiten, da sollte niemand ein falsches Bild von dir bekommen.", sagte einst meine Lehrerin.
Niemand konnte mein Interesse für Magie nachvollziehen, denn auch wenn wir in der Geschichte Solarnias gelernt haben, dass diese wegen dem damaligen Krieg verbannt wurde, glaubten die Meisten inzwischen gar nicht mehr daran, dass es sowas wie Magie überhaupt gab. Doch ich tat es und ich wusste auch ganz genau, dass es Bücher über sie gab.
Die Gründerfamilien haben über Generationen ihre Bücher und ihr Wissen an ihre Nachfahren weitergegeben. Doch ich konnte nichts finden. Weder bei uns zu hause, noch in der Schule und auch nichts hier. Es könnte ja sein, dass eine der anderen zwei Gründerfamilien in Besitz dieser Bücher waren, doch auch so hätte ich keine Möglichkeit an sie heranzukommen.
Valentina und Samuel waren die Sprößlinge der anderen Gründerfamilien und genauso wie ich Einzelkinder, was sie ebenfalls zu Anwärtern für den nächsten Herrscher von Solarnia machte.
Doch sie mochten mich nicht besonders. Eigentlich mochten sie niemanden und verbrachten ihre Zeit ständig nur miteinander. Das war auch der Punkt, den ich nicht verstand, ja, ich war Konkurrenz für sie, doch auch sie waren Konkurrenten füreinander.
Wieso schlossen sie mich dann aus, waren aber selber wie Pech und Schwefel? Das machte mich schon so oft stutzig und ich überlegte mehrmals, der Sache auf den Zahn zu gehen, denn ich vermutete, dass sie womöglich etwas wissen konnten, was sie nicht teilen wollten, doch mein bester Freund Konrad beschwichtigte mich immer und meinte es wäre schon nichts, sie würden nur untereinander sein, weil sie jeweils fünf Sonnen hatten und ich ihnen überlegen war, was sie wahrscheinlich beängstigte und in Sorge brachte.
Ich wusste nicht so recht was ich davon halten sollte. Einerseits schien es logisch, da der mit den meisten Sonnen zwar nicht direkt zum Auserwählten wurde, dennoch aber bei der ganzen Sache etwas bevorzugt werden würde.
In meinen Augen machte dies aber keinen Sinn, da nicht nur unsere Familien und das Volk den Erwählten bestimmen würden, wir würden auch jede Menge Aufgaben bewältigen müssen.
Wann genau der Zeitpunkt dafür gekommen ist, weiß keiner von uns drei, weshalb die beiden auch ständig am trainieren sind, um immer vorbereitet zu sein; es könnten unsere Familien schließlich schon morgen eine Versammlung einberufen und uns um Solarina kämpfen lassen und unsere Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ich wusste, dass dieser Tag, sobald er kommen würde, der wichtigste meines Lebens sein würde.
Ich musste es nämlich gewinnen.
Es ist schwer zu erklären, doch da war dieses Gefühl. Es kam mit meiner dritten Sonne. Es spornte mich immer an zu trainieren und besser zu werden; alles zu geben, um irgendwann die Erwählte zu werden. So als ob etwas bevorstehen würde und ich vorbereitet sein musste.
Ich hatte zwar keine Ahnung was, aber ich spürte eine Bedrohung für unser friedliches Volk und dieses Gefühl täuschte mich nie. Nicht umsonst kämpfte ich immer um neue Sonnen und lernte alles was ich nur lernen konnte, wie eine Verrückte.
"Stella! Stella? Du musst sofort kommen! Stella, wo bist du?", hörte ich plötzlich Konrad schreien.
Ich raffte mich zusammen und sagte "Hier bin ich. Was ist denn los?"
"Du musst schnell kommen! Die Gründerfamilien haben sich versammelt und du, Valentina und Samuel sollt auch anwesend sein."
"Wieso denn das? Du meinst doch nicht, dass es schon los geht, oder?", fragte ich schwer schluckend, da ich absolut erschöpft war und mich in den letzten Tagen hauptsächlich auf die Suche nach Büchern, Schriften, oder sonst was, was mit Magie zu tun hatte, konzentriert habe.
Konrad schüttelte seinen Kopf, "Nein, das glaube ich nicht. Ich habe nicht viel mitbekommen, aber alle scheinen ziemlich nervös und wollen euch schnell um sich haben."
Was könnte bloß passiert sein?
"Na gut, wo soll ich hin?"
"Das Treffen ist bei euch zu Hause einberufen worden."
"Danke dir. Ich muss dann schnell los, aber sehen wir uns heute Abend vor meinem Traum?", fragte ich noch schnell.
"Natürlich. Viel Glück, was auch immer es sein mag.", sagte er und gab mir etwas unbeholfen einen Kuss auf die Wange. Ich lächelte und lief los.
Konrad und ich waren schon lange beste Freunde, er hat mich als wir etwas jünger waren auf meine Tattoos angesprochen und ehrfürchtig gefragt, womit ich sie denn alle verdient hätte. So fing alles an, doch so langsam veränderte sich etwas; wir waren zwar immer noch beste Freunde, aber waren ein wenig anders zueinander. Bei zufälligen Berührungen bekam ich Gänsehaut und verspürte den Wunsch ihn zu küssen.
Doch ich wusste, dass jetzt der schlechteste Zeitpunkt überhaupt war, da ich mich auf meine Ausbildung, das Erreichen weiterer Tattoos und die Magie, die angeblich gar nicht existierte, konzentrieren musste.
So sehr ich also auch mehr wollte, konnte ich meinen Gefühlen nicht nachgeben. Außerdem wusste ich auch gar nicht, ob Konrad Ähnliches für mich empfand. Und wahrscheinlich würde ich es in der kommenden Zeit auch nicht allzu schnell erfahren.
Als ich unser Haus erreichte, waren bereits alle da, Valentina und Samuel eingeschlossen. Beide wirkten stark und guckten mich streng an, als ich den Raum betrat.
"Da bist du ja endlich", sagte mein Vater und setzte einen Versuch an mich zu umarmen, als ihm aufzugehen schien, dass dies womöglich nicht der passendste Augenblick war. Schnell setzte er sich zurück an seinen Platz, während ich mich zu Valentina und Samuel stellte.
"Wir haben euch hergerufen, da wir eure Stimme und Meinung benötigen.", sagte mein Vater, der, da dies sein zu Hause war, die Hauptstimme, in der Versammlung hatte.
"An der Grenze unserer Stadt wurde ein Mädchen aufgefunden, welches nicht zu uns gehören scheint, jedoch... Nun ja, irgendwie auch schon..."
Ich blickte mich um, sowohl die Eltern von Valentina wie auch von Samuel schienen nicht wirklich zu verstehen, wovon mein Vater sprach. Und ich konnte mich dem anschließen. Und dann fiel mir ein, dass meine Mutter nicht da war. Wo war sie nur? Sie war doch Mitglied des Rates, es konnte also eigentlich keine Versammlung ohne sie geöffnet werden.
"Vater, entschuldige, dass ich unterbreche, doch ich sehe Mutter nirgendwo."
"Sie kommt gleich nach. Sie ist gerade sehr beschäftigt, weshalb ich ohne sie angefangen habe.", antwortete er etwas nervös. Etwas zu nervös...
"Aber es ist doch gegen die Regeln..."
Ich sah Valentina neben mir ihre Augen verdrehen und hörte Samuel schnauben.
Es war nichts neues für mich, denn auch wenn ihre Eltern sich wie zivilisierte Menschen verhalten konnten, schienen sie diese Begabung bedauerlicherWeise nicht geerbt zu haben.
"Ich weiß, was gegen die Regeln ist und was nicht, aber dies ist zu wichtig und muss sofort besprochen werden, weshalb ich jetzt fortfahren werde.", meinte er wie ein Anführer.
Ich war zwar seine Tochter, doch in solchen Versammlungen durfte man nicht allzu familiär miteinander umgehen.
"Dieses Mädchen, von dem ich sprach... Sie, nun ja, sie scheint bei uns geboren worden zu sein, denn eine Sonne zeichnet ihr Handgelenk. Doch aufgewachsen ist sie anscheinend woanders... Führt sie hinein.", sagte mein Vater, nun etwas lauter, sodass die, die wahrscheinlich hinter der Tür mit dem Mädchen standen, ihn problemlos hören konnten.
Die Tür ging auf und es traten zwei Männer mit einem schlanken, braunhaarigen Mädchen ein, dessen Blick gen Boden gerichtet war.
Mein Blick fiel sofort auf ihren Arm, der mit einer Sonne und sechs Halbmonden bedeckt war. Halbmonde? Zu welchem Volk gehörte sie denn? Ich schaute in die Runde, und stellte fest, dass anscheinend auch andere sich dieselbe Frage zu stellen schienen.
"Entschuldigung, dass ich so spät dran bin. Ich hoffe, ich hab nicht allzu viel verpasst.", sagte meine Mutter, während sie durch die zweite Tür den Raum betrat und sich neben meinem Vater stellte.
Sie musterte das Mädchen ganz genau. Sie hatte diesen Blick, so als ob etwas nicht in Ordnung wäre.
"Wer bist du?", fragte sie bestimmend das Mädchen.
"Ich bin Layla."
"Und woher kommst du?"
"Aus Nimmermond."
"Ach und wo ist das?", fragte meine Mutter ganz sanft, so als ob sie das Mädchen mit einem falschen Wort wie eine Taube verscheuchen könnte.
Dabei sah Layla weder verängstigt noch zerbrechlich aus. Sie war zwar schlank aber auch muskulus, genau wie Valentina, Samuel und ich; bei uns war es ja auch kein Wunder, wir trainierten täglich, um später bessere Chancen gegeneinander zu haben. Doch was war mit ihr? Stammt sie womöglich auch aus einer Nimmermondischen Gründerfamilie?
"Es ist sehr weit weg von hier.", antwortete Layla bestimmend.
"Und wie kommst du dann her?"
"Das weiß ich nicht."
"Willst du nach Hause? Gibt es jemandem, der nach dir sucht."
"Weiß ich nicht."
"Na gut. Was ist mit deinen Tattoos? Ich nehme an, dass der Halbmond das Zeichen von Nimmermond ist, doch an deinem Handgelenk ist ja auch eine Sonne zu sehen. Die Sonne ist ein Zeichen Solarnias, also musst du von hier stammen. Hast du hier Familie? Oder kennst du zumindest jemandem?"
"Nicht das ich wüsste."
Na super, ihre Antworten waren ja total hilfreich und wirklich sehr informativ. Das Mädchen, nun ja, Layla war irgendwie komisch.
Einerseits wirkte sie so selbstsicher aber andererseits schien sie so verwirrt und unwissend. Mein Gefühl sagte mir, dass man ihr mit Vorsicht begegnen musste.
"Mutter, soll ich sie in ein Gästezimmer bringen, sodass sie sich frisch machen und ausruhen kann? Vielleicht wird sie sich dann an etwas erinnern können.", schlug ich vor.
"Ich finde das ist eine gute Idee. Was ist die Einschätzung der anderen Familien?"
Valentinas Vater stand auf "Es macht offensichtlich keinen Sinn das Mädel weiter zu befragen. Sie wird uns nichts sagen. Vielleicht hat deine Tochter recht und sie wird sich mit der Zeit an mehr erinnern können. Ich schlage vor, dass wir uns in zwei Tagen erneut bei euch treffen und den Stand der Dinge besprechen."
"Ich schließe mich dem an.", sagte Samuels Mutter.
"Na gut, so ist es beschlossen. Stella, bring sie bitte nach oben."
"Natürlich.", nickte ich und berührte Layla an ihrer Schulter, die eiskalt war und mich erschaudern ließ.
Schnell zog ich meine Hand weg und deutete an, dass sie mir folgen sollte, was sie auch ohne etwas zu sagen, tat.
Irgendwas war komisch an ihr, etwas fühlte sich falsch an. Und ich wusste wonach ich das nächste mal im Archiv suchen würde: Nimmermond.

Le soleilWhere stories live. Discover now