Er rannte. Wo sollte er sich verstecken? Wo nur? Sie kannte jeden Winkel und jede Ecke des Hauses. Er musste sich beeilen. Panisch blickte er sich in dem Zimmer um, wohin ihn sein Instinkt geführt hatte. Es war dünkler als der Rest des Hauses oder kam ihm das nur so vor? Nein, er hatte recht, er befand sich im Schlafzimmer seiner Mutter. Die Vorhänge waren zugezogen, schwaches Sonnenlicht kämpfte sich durch die Spalten zwischen dem Stoff, der alles zu verschlingen schien, was in dieses Zimmer wollte. Seine Augen sprangen von einem Punkt zum anderen, er suchte ein Versteck. Sie durfte ihn nicht finden. Sein Blick blieb plötzlich hängen. Der Kleiderschrank. Wie oft hatte er sich mit seiner Schwester hier versteckt. Nun war es nur noch er, der es brauchte, sie würde es nie wieder brauchen, nicht in diesem Leben. Schnell schloss er die Tür mit dem kleinen abgegriffenen Schlüssel auf, der stellenweise silbrig glänzte. Als er den Spalt vergrößerte, um hindurch zu schlüpfen, knarrte es. Er erstarrte, drehte seinen Kopf langsam zum Eingang des Zimmers. Hatte sie ihn gehört? Es war totenstill. Dann Schritte, immer schneller und schneller, sie kamen auf ihn zu. Sie kommt! Sie kommt um mich zu holen! Er öffnete die Tür ganz und stürzte in den Schrank. Zog die Tür hinter sich zu. Dunkelheit, er sah nichts. Tränen rannen seine Wangen herunter, er umschlang seine angezogenen Beine mit seinen Armen und verharrte. Alter Stoff berührte seine Haut, wie Schleier, wie Hände. Er unterdrückte ein Wimmern, kalter Angstschweiß rann ihm über den Rücken. Er wollte raus, weg, einfach nur weg. Er fühlte sich als würde er ersticken, die Kleider nahmen ihm den Atem, er rang nach Luft, durfte aber kein Geräusch machen. Atmen wurde zu laut, sie würde ihn hören. Er konnte sein Blut rauschen, seinen Puls schlagen und seine Lungen sich entfalten hören. Es war zu laut, sie würde ihn hören. Zu laut, zu laut, ZU LAUT! Die Schritte kamen immer näher. Jetzt waren sie vor der Zimmerschwelle. Ich bin nicht hier, ich bin nicht hier, ich bin nicht hier! Sagte er immer wieder zu sich, wie als würde es dadurch in Erfüllung gehen. Plötzlich stoppten sie ganz in der Nähe von seinem Versteck. Sie war hier. Ihm stockte der Atem. Aber die Schritte kamen nicht mehr näher. Hatte sie aufgegeben? Vielleicht würde sie umdrehen und in einem anderen Teil des Hauses nach ihm suchen. Er war fast gerettet! Fast frei! Er hatte es fast geschafft ihr zu entkommen. Ohne einen Mucks von sich zu geben legte er seinen Kopf neben das Schlüsselloch und spähte hinaus. Seine Augen weiteten sich in blankem Horror. "Hier bist du also. Wieso versteckst du dich vor mir? Ich will dir doch nichts Böses!", säuselte eine Stimme zu der das Auge gehörte, in welches er blickte. "Deine Schwester wartet doch auf dich!"
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Pretty short.
Short StoryHier sind ein paar Kurzgeschichten, die wahrscheinlich verschieden sein werden und euch hoffentlich gefallen!