Stigma

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Du sagst es gibt immer ein gut und böse?

Lass mich dir das Gegenteil beweisen.

Es gab da einen Jungen. Niemand verstand ihn. Alle mieden ihn.

Warum?
Er lief immer in schwarz herum. Lächelte nicht. Sein Blick war kalt und hatte keinen Ausdruck. Nie hörte man ihn reden. Es gab viele Gerüchte. Er hatte Narben. Wovon? Das wusste niemand. Er stiehl. Spielte mit Messern. Sprühte mit Graffiti Muster und unleserliche Sätze an Hauswände. Nicht selten sah man ihn mit Blut an den Fäusten und ihm Gesicht.

Natürlich verurteilten ihn Menschen. Warteten darauf, dass er wegen etwas festgenommen wird.

Und es kam wie es kommen musste. Die Polizei erwischte ihn, wie er ein Muster in eine Garage ritzte. Sie fanden etwas über ihn heraus. Der Junge war ein gesuchter Mörder. Er hatte seinen eigenen Vater auf dem Gewissen.

Man wollte ihm lebenslänglich geben, aber dann setzte sich ein Fremder in seinem Alter stark für ihn ein. Sagte, der Junge brauche ein Psychiatrie, kein Gefängnis. Und so wurde er in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. Der Fremde besuchte ihn oft und sie würden gute Freunde. Jahre vergingen. Sie wurden immer älter. 18. 19. 20. Und irgendwann dann 21. Noch immer war er in psychischer Behandlung. Noch immer sprach der nun junge Mann nicht.

Bis dann etwas Überraschendes passierte. Er sprach einen Satz. Nur einen. Mit seiner kratzigen, unbenutzten Stimme sagte er: "Ich bin ein Sündiger", als sein bester und einziger Freund ihn besuchte. Sein Freund wusste nicht wie er reagieren sollte. Sündiger. Jeder wusste, dass er ein Sündiger war. Man brauchte es nicht aussprechen.

Die Zeit zog weiter. Nichts tat sich. Nur dieser eine Satz.

Ein weiteres halbes Jahr. Bis die Psychologen nicht mehr weiterwussten. Sie informierten die Polizei. "Ihm ist nicht zu helfen", sagten sie und der Sündiger, so nannte man ihn schon, sollte nun doch in das Gefängnis kommen.

Aber bevor der Sündiger abgeführt wurde, durfte er noch Abschied von seinem Freund nehmen.

Und dann, als die beiden zusammen waren, tat der Sündiger etwas unerwartetes. Er redete nicht. Nein, er stimmte mit seiner kratzigen Stimme ein Lied an.

Am Anfang traf er keinen Ton. Zulange hatte er keinen Zugriff auf seine Stimme gehabt. Doch dann nahm der heisere Gesang Form an, wurde zu einem Lied.

Der Sündiger sang darüber, wie sein Leben war. Sang davon, warum er seinen Vater ermordet hatte. Warum er voller Narben war.

Als er 16 war, bekam er er mit, wie sein Vater, nein er nannte ihn lieber Erzeuger, seine Mutter misshandelte. Wie er sie schlug, trat, und schließlich vergewaltigen wollte. Ein Glück waren seine jüngeren Geschwister nicht da. Eine unbändige Wut überkam den Jungen. Er schlug auf seinen Erzeuger ein, prügelte ihn zu Boden. Er schrie und weinte, während er eine leere Bierflasche nahm und diese auf den leblosen Körper sausen ließ. Er wiederholte immer wieder zwei Sätze abwechselnd: "Ich hasse dich!" und "Ich liebe dich!" So ging es weiter, bis sein Vater tot unter ihm lag. Dann brach der Junge schluchzend zusammen. "Es tut mir Leid!", schrie er. Immer wieder.
Zwei Wochen darauf nahm sich seine Mutter das Leben. Danach sprach der Junge nie wieder etwas, außer "Es tut mir Leid, mein Bruder! Es tut mir Leid, meine Schwester! Es tut mir so unglaublich Leid!" und "Ich bin ein Sündiger!". Und Sündiger müssen bestraft werden. Also verletzte er sich. Schnitt sich die Arme und Beine auf.
Er zog um. Wurde zu dem, wie ihn alle kannten.
Er war tot. Tot im Inneren. Ein Sündiger.

Der letzte Ton des Liedes, war der letzte, der den Mund des Sündigers verließ. Seine restlichen Lebensjahre verbrachte er einsam in einem Gefängnis.

Nur sein einziger Freund erinnerte sich noch all Jahre an die letzten Worte des Liedes. Und er würde sie nie vergessen.

"Bitte, lass mich Strafe nehmen.
Bitte, vergib mir meine Sünden.
Bitte."

~ inspiriert von Stigma aus dem Album Wings von BTS

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𝐒𝐈𝐍𝐍𝐄𝐑 𝐨𝐧𝐞𝐬𝐡𝐨𝐭Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt