When the sun goes down

Chapter 1

„Was hast du denn hier zu suchen, Liv? Dir ist schon klar, dass das hier immer noch mein Zimmer ist, oder?" Offensichtlich genervt von der Tatsache, dass ich mich in ihrem Zimmer aufhielt, sah mich meine ältere Schwester Camille mit hochgezogener Augenbraue und verschränkten Armen vom Türrahmen aus an. Es war gerade mal acht Uhr morgens und während ich noch im Pyjama vor Camilles offenem Kleiderschrank stand, war sie bereits fertig angezogen und geschminkt, und ihr langes, blondes, welliges Haar hatte sie mit ein paar Haarspangen zurechtgemacht. Abwartend sah sie mich aus ihren wasserblauen Augen an.

„Na ja, also ich hab mir gedacht, nachdem du ja vermutlich alle deine Lieblingsklamotten in deinem College Dorm Room hast, könnte ich mir bestimmt was von dir ausleihen?"

„Mann, Liv, du weißt doch, dass ich meine Privatsphäre sehr schätze und es nicht ausstehen kann, wenn du einfach so in meinem Zimmer herumschnüffelst. Und außerdem..."

„Hey, ich hab doch gar nicht herumgeschnüffelt, ich hab nur kurz in deinen Kleiderschrank gesehen, das ist alles." Beleidigt verschränkte ich nun auch die Arme vor der Brust.

„Wie auch immer." Ohne mich weiter zu beachten, lief Camille an mir vorbei und ließ sich auf ihr Bett fallen.

„Ach komm schon Cami. Lass mich doch bitte was ausleihen von dir. Nur dieses eine Mal. Bitte, bitte, bitte. Ich werd es dir auch wieder zurückgeben. Unversehrt natürlich. Versprochen!" Sie musste wohl die Verzweiflung in meiner Stimme wahrgenommen haben, da sie sich nun aufsetzte und ihr Handy mit einem Seufzen beiseitelegte.

„Na schön, wofür brauchst du denn so dringend ein tolles Outfit?" Bei dieser Frage färbten sich meine Wangen etwas pink. Überrascht und erfreut zugleich schlug Cami ihre Hände zusammen.

„Oh mein Gott, du hast ein Date mit Daniel, stimmt's? Wann hat er dich gefragt, ob du mit ihm ausgehen magst? Oder hast du ihn gefragt? Schließlich leben wir ja im 21. Jahrhundert und wie ich dir schon lange klar machen will, müssen wir Frauen heutzutage nicht darauf warten, dass der Typ den ersten Schritt macht, sondern können die Sache einfach selbst in die Hand nehmen. Wow, ich bin echt stolz auf dich Livie!" Bevor sie mit ihrer Rede weitermachen konnte, hielt ich ihr schnell meine Hand vor den Mund.

„Verdammt, Cami, schrei doch nicht so laut. Mom und Dad sind doch zu Hause und ich hab echt keine Lust, dass sie es so erfahren. Ich werd ihnen schon noch von dem Date erzählen später, aber im Moment bleibt das bitte unter uns." Gegen Ende hin bildete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht bei dem Gedanken daran, mit Daniel auszugehen. Daniel war in derselben Schulstufe wie ich und seit ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, wusste ich, dass er etwas Besonderes war.

„Ist ja gut, ist ja gut. Wann trefft ihr euch denn?" Neugierig sah sie mich an.

„Heute Abend, wir wollen gemeinsam eislaufen gehen. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er gefragt hat. Ich meine, bis gestern hatte er noch kein einziges Wort mit mir gesprochen und dann das..."

„Liv, da ist eine Sache, die du nicht bedacht hast. Du hast doch hoffentlich nicht vergessen, dass wir bis Dienstag nach Parkville fahren die Sullivans besuchen. Du weißt doch, wie sehr sich Mom schon auf diesen Trip gefreut hat. Sie hat ihre beste Freundin seit einem Jahr nicht mehr gesehen und ich muss gar nicht erst davon anfangen, wie sehr unsere Eltern Family-Quality-Time schätzen." Erschrocken sah ich sie an.

„Was? Bist du dir sicher, dass wir heute fahren? Ich dachte, dass wir erst morgen Früh loswollten..."

„Nein... es war definitiv Samstag. Es sind ja immerhin fast acht Stunden Fahrzeit von Chicago nach Parkville, überhaupt bei diesem Wetter – was bedeutet, dass wir zwei Tage schon für Hin- und Rückfahrt verlieren. Und einen Tag vor Weihnachten wollen wir ja wieder zurück sein, von daher."