Prolog

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Panikerfüllt konzentrierten sie sich auf das Geschehen vor der Tür. „Aus dem Weg!", hörten sie die Stimme vor der Tür brüllen. Kurz darauf schwang die Tür so heftig auf, dass der Knauf ein Loch in die Wand schlug.

Gefolgt von einem Schwall kühler Winterluft stürmte ein Maskierter in das Spielcasino.

„Ich will Geld! Alles! Los, her damit!", schrie der Maskierte und fuchtelte wild mit seiner Waffe herum. Er taumelte dabei auf den Tresen zu und konnte sich kurz vor dem Umfallen noch an einem alten Barhocker abstützen.

Nun sah er dem Ehepaar, welchem das Casino gehörte tief in die Augen.

„Beweg' deinen Arsch oder ich blase dir und deinem Weib das Gehirn weg!"

„Die Automaten sind gesichert, da kommen wir jetzt nicht ran.", log der Besitzer.

„Willst du mich verarschen? Ich bin in ‚nem Casino und nicht bei den Schlipsträgern in ‚ner Bank! Alter, beweg' dich!"

„Aber... das ist doch unsere Existenz...", wimmerte die Frau.

„Das ist mir scheißegal! Ihr habt die Wahl – Geld oder Leben!"

„Ist ja gut, ich versuche die Automaten zu öffnen...", sagte der Mann gespielt ruhig und steckte seiner Frau vorsichtig das Telefon zu, damit sie die Polizei alarmieren konnte.

„Keine Spielchen Weib! Wenn ich mitbekomme, dass du die Bullen rufst, seid ihr tot!"

Wieder fuchtelte der Maskierte mit seiner Pistole in der Luft herum, taumelte und konnte sich im letzten Moment wieder aufrappeln. Er folgte dem Casino-Besitzer, um sicherzugehen, dass er kein Geld unterschlug.

„Sie... sie sind noch leer. Wir haben gerade erst geöffnet und es waren noch keine Kunden hier..."

„Verarsch' mich nicht! Dann hol das Geld aus der Kasse!", fluchte der Maskierte und schubste den verängstigten Mann vor sich her.

„Mehr haben wir nicht...", stammelte die Frau und schob zögerlich einen 50€-Schein über den Tresen.

„Das kann nicht sein! So eine Scheiße! Das reicht nicht! Ich brauche mehr!"

„Mehr haben wir aber nicht..."

„Lassen Sie die Waffe fallen!", schrie ein Polizist, der soeben in das Casino gestürmt kam.

„Scheiße Bullen! Bleibt stehen oder ich puste denen das Gehirn weg!"

„Ganz ruhig. Es wird alles wieder gut. Geben Sie mir die Waffe!"

„Einen Scheiß werde ich!", brüllte der Maskierte Räuber und schoss wild um sich. Dabei traf er das Besitzer-Ehepaar, welches zu Boden sackte und erwischte einen Polizisten an der Schulter, ehe sein Kollege ebenfalls das Feuer eröffnete und dem Maskierten ins Bein schoss. Während er vom Schmerz erschüttert zu Boden fiel, nahm der Polizist ihm die Waffe ab und legte ihm Handschellen an.

Dann lief er sofort weiter zu dem Ehepaar, welches bis eben noch hinter dem Tresen stand. Doch nun lagen sie beide am Boden. An der Wand hinter ihnen war alles voller Blut. Die beiden hielten sich noch in den Armen und lagen reglos da. So, als ob sie hier nur nach einer durchzechten Nacht eingeschlafen waren und gleich mit einem Kater aufwachen würden.

Der Polizist legte zwei Finger an die Halsschlagadern der beiden Opfer. Er wusste bereits, dass sie tot waren, doch er musste den Puls prüfen und den Notarzt alarmieren.

Dieser konnte nur noch den Tod feststellen, ehe er sich um den verletzten Polizisten kümmerte.

„Weißt du wer das ist?", fragte ein weiterer Polizist, der nun zu seinem Kollegen dazu stieß.

„Nein, keine Ahnung. Aber vielleicht haben sie im Büro irgendwo einen Personalausweis liegen."

Während der verwundete Beamte von den Rettungskräften versorgt und ins Krankenhaus gefahren wurde, suchten die anderen Uniformträger nach den Personalausweisen des getöteten Ehepaares. Die inzwischen eingetroffene Streife sammelte den maskierten Räuber ein und fuhr mit ihm zur Wache.

Das Casino glich einem Schlachtfeld. Überall war Blut. Von dem Ehepaar, von dem Räuber, von dem angeschossenen Polizisten. Stühle waren umgekippt, Spielautomaten geöffnet. Eine Atmosphäre voller Angst und Entsetzen erfüllte die kleine Halle.

„Chef, ich hab' hier was. Es handelt sich um das Ehepaar Ruhland. Beide sind 45 Jahre alt. Sie wohnen im Wachtelweg 10. Das ist hier gleich um die Ecke. Ich fahre da mal mit Markus vorbei. Vielleicht bekommen wir vor Ort noch ein paar Informationen, die uns zu den Angehörigen führen. Ich hoffe nur inständig, dass sie keine Kinder hatten..."

„Alles klar. Berichte mir dann bitte."

Keine fünf Minuten später hielt der Streifenwagen vor einem kleinen Einfamilienhaus. Es war schon etwas in die Jahre gekommen, sah aber trotzdem gemütlich aus. Auch, wenn es bereits dunkel war, konnten die beiden Polizisten erkennen, dass in der Einfahrt ein Auto parkte. In der Küche brannte noch Licht.

„Dann wollen wir mal... Manchmal frage ich mich, warum ich mir diesen Job ausgesucht habe. Für diese Aufgaben hasse ich meine Arbeit.", sagte der eine Polizist zu seinem Kollegen. Dieser stimmte ihm nur mit einem Nicken zu.

„Habt ihr euren Schlüssel schon wieder ver... Oh... Entschuldigen Sie. Ich habe sie für meine Eltern gehalten. Was kann ich für sie tun?", fragte eine junge, hübsche Frau.

Wie sagt man einem so jungen, hübschen Mädchen nur, dass seine Eltern, welche es erwartet hatte, nie wiederkommen werden? Dass nur noch Erinnerungen bleiben werden? Dass sie zukünftig, wenn sie mit ihren Eltern sprechen wollte, nicht mehr zu ihnen ins Wohnzimmer gehen, sondern auf einen Friedhof musste? Wie sagt man es, ohne die Seele des jungen Menschen für immer zu zerbrechen? Es war unmöglich. Und die Beamten hatten nun diese unmögliche Aufgabe vor sich.

„Können wir reinkommen?", unterbrach der kleinere, dicke Polizist die Stille.

„Na klar. Möchten Sie etwas trinken? Worum geht es denn?"

„Nein, danke. Können wir uns setzen?", schaltete sich nun der zweite, glatzköpfige Polizist ein und deutete auf die einladende Sofaecke.

„Bitte.", entgegnete die junge Frau und setzte sich.

„Sind Ihre Eltern Frau und Herr Ruhland?"

„Ja, ist etwas passiert?", fragte sie nun beunruhigt.

„Es gab einen Überfall auf das Casino Ihrer Eltern..."
„Oh scheiße! Ist ihnen etwas passiert? Kann ich zu ihnen?"

„Es tut mir leid... Ihre Eltern sind tot."

„NEIN! NEIN! NEIN! Das kann nicht sein! Sie sind doch eben noch quicklebendig zur Arbeit gegangen! Sie haben gesagt, dass sie heute früher Schluss machen, damit wir den Abend gemeinsam verbringen! Das muss ein Missverständnis sein!", brüllte die Tochter der verstorbenen. Sie weinte, schrie, sackte zu einem kleinen Häufchen Elend zusammen.


Der zarte Körper bebte vor Anstrengung zu schreien, zu weinen und dabei nicht zu ersticken. Schluchzend und nach Luft ringend saß sie da. Das Gesicht in den Händen vergraben, die Beine dicht an den Körper gezogen.

So hilflos saß sie da. War nicht mehr in der Lage aufzustehen. Ihr unbeschwertes Leben hatte mit einem Mal Risse. Nein, es waren keine Risse, es warten Schluchten, die sich langsam, aber sicher durch ihr Herz fraßen. Sie würden ihren Körper von innen zerstören. Der Schmerz schien zu groß für diese junge Frau.

„Möchten Sie psychologische Unterstützung?", fragte der glatzköpfige Polizist nach.

Doch die Neu-Waise war nicht in der Lage zu sprechen.

Sein Kollege nickte ihm nur zu und verständigte den Seelsorgerischen Notdienst und einen Rettungswagen.

Mit Geist und SeeleWhere stories live. Discover now