Jasmina stand im Badezimmer ihres kleinen Hotelappartements und betrachtete sich im Spiegel.
Immer wenn sie das tat, sah sie nicht sich im Spiegel, sondern ihre Eltern. Sie war ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Augen und die vielen, kleinen Sommersprossen hatte Jasmina von ihrer Mutter geerbt. Von ihrem Vater hatte sie die leuchtend orangenen Haare. Sie war die perfekte Mischung.
Noch immer schmerzte der Blick in den Spiegel. Doch Jasmina verdrängte die Geschehnisse von vor zwei Jahren stets. Damals hatte sie psychologische Unterstützung bekommen, doch einen solchen Verlust konnte man mit 18 Jahren nicht verkraften. Doch egal wie alt man zu einem solchen Zeitpunkt war, richtig verarbeiten könnte man es nie. Jeder, der das Gegenteil behauptete log, behauptete Jasmina.
„Jasmina! Beeil' dich! Die ersten Gäste sind schon da! Hast du wieder verschlafen? Ich will dich in zwei Minuten unten sehen!", rief eine raue, weibliche Stimme durch die verschlossene Zimmertür.
„Jaja, ich komme ja schon.", entgegnete Jasmina.
Amalya, einer ehemaligen Freundin ihrer Eltern gehörte das Hotel in welchem Jasmina lebte und arbeitete, seit sie Waise wurde.
Jasmina richtete ihre Bluse und band ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, während sie auf den Hotelflur trat.
Als sie unten im Restaurant ankam, wurde sie, wie angekündigt, bereits erwartet:
„Jasmina, Jasmina... Was mache ich nur mit dir? Wenn ich es deinen Eltern nicht schuldig wäre, dann hätte ich dich schon längst rausgeschmissen... Aber so muss ich dich wohl dulden, bis du endlich richtiges Geld verdienst... Los, geh' jetzt an die Arbeit."
Stumm nickte Jasmina und kümmerte sich um die neueingetroffenen Gäste.
Bei den Restaurantbesuchern war sie stets beliebt und bekam von allen Angestellten am meisten Trinkgeld. Einige Stammgäste wussten von Jasminas Schicksal und brachten ihr zu Weihnachten oder ihrem Geburtstag ein paar kleine Geschenke vorbei. Besonders die älteren Besucher mochten die freundlich, liebenswerte Art von Jasmina.
Auch sie selbst hatte die Menschen in ihr Herz geschlossen und freute sich jedes Mal, wenn ein bekanntes Gesicht das Restaurant betrat. Wie so oft eine willkommene Abwechslung.
„Jasmina komm' her, du wirst hier gewünscht.", rief Amalya zu ihrer Mitarbeiterin herüber. Jasmina war für sie nicht mehr und nicht weniger als eine einfache Angestellte. Mit dem einzigen Unterschied, dass Jasmina in ihrem Hotel wohnen durfte. Einen Teil ihres Einkommens musste sie für die Miete abgeben, mit dem Rest besserte sie ihre Waisenrente auf.
So reichte das Geld gerade so bis zum langersehnten Monatsende, an dem das nächste Gehalt auf Jasminas Konto gebucht wurde.
„Jasmina, Schätzchen! Wie geht es dir?", fragte eine betagte Dame, dessen Haut von kleinen Lachfältchen übersäht war.
„Hallo Rosi. Mir geht es gut, wie immer. Und dir?", entgegnete Jasmina freundlich.
„Ach, ich werde ja auch nicht jünger, nicht wahr? Aber es geht schon. Du musst endlich dein Studium abschließen, damit du hier rauskommst. Das ist doch kein Zustand. Amalya ist eine richtige Furie geworden. Ich weiß nicht wie du das aushältst..."
„Man darf sich ihre Kommentare nicht zu sehr zu Herzen nehmen, dann ist es schon auszuhalten. Schön, dass du da bist. Was darf ich dir bringen?"
„Das Gleiche wie immer. Einen schwarzen Kaffee und ein Stück Kuchen. Bring' mir einfach etwas, was dir auch schmeckt. Und einen Latte Macchiato für dich. Es ist ja noch ruhig hier. Dann können wir uns kurz noch unterhalten. Keine Sorge, den Kaffee für dich übernehme ich natürlich."
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Mit Geist und Seele
RomanceGlaubst du daran, dass die Liebe alles überwinden kann? Glaubst du an ein Leben nach dem Tod? Die 20-jährige Studentin Jasmina jedenfalls nicht. Sie verliert vor zwei Jahren ihre Eltern durch einen Schicksalsschlag und mit ihnen auch den Glauben an...