Intro

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»Es sind Zeiten wie diese, in denen wir unsere Berufung entweder finden und siegreich sein werden, oder in der Ecke einer kleinen Kammer heulend, und zusammengekauert unserem Tod entgegen sehnen.

Es sind Zeiten wie diese, in denen wir über uns hinaus wachsen müssen, und manch einem mag das gelingen. Doch leider sind dies auch die Zeiten, in denen jene zu Macht kommen, die das Chaos zu nutzen wissen. Ihre Chancen witternd treiben sie ihre Pläne unaufhörlich voran, um selbst einen Vorteil zu erhalten. Kriege bringen eben immer die schlechtesten Seiten in uns hervor. Und wer glaubt, sich davor schützen zu können, dem sei gesagt, dass ich weiß wovon ich rede. Denn ich bin Preloner.

Ich habe in jener Nacht gemeinsam mit meinen Haus gegen die karutischen Truppen gekämpft, welche den Hafen gestürmt haben, und verloren. Doch ich sah das Banner des Stieres siegen. Ich war dabei, als wir allesamt die Schwerter erhoben haben, um unseren neuen König zu huldigen. Und ich war dabei, als wir ihn kurz darauf zu Grabe trugen. Ich hätte Xarven von Trechia zugetraut die Veränderung zu bringen, nach der wir uns alle so sehr sehnten. Doch nichts ist so kurzweilig wie Macht im Süden, das weiß jeder Preloner. Von Tatendrang und guten Worten begleitet folgte ihm sein Sohn auf den Thron. Doch gute Worte alleine genügen nicht.«

Der Mann tauchte die Feder in die Tinte und atmete tief durch, bevor er erneut zu Schreiben begann. »Wir hatten einen grausamen König. Wir hatten einen idealistischen König. Doch für das, was wir jetzt haben, habe ich keine Worte. Nichteinmal unter dem hinlänglich für seine Grausamkeit bekannten König Torlan von Gelom sah ich das Volk so sehr leiden. Denn es war nicht die Zeit Torlans, in denen die anderen Reiche uns mit Krieg drohten, und es war auch nicht die Zeit Torlans, in der man alle Anhänger gefallener Häuser über die Grenzen Perdosiens hinaus verfolgte und tötete. Es ist die Ära des Hauses Trechia, die uns das Leid brachte. An einem Abend, an dem wir alle dachten, dass die Tyrannei enden würde, erreichten sie den Gipfel ihrer Macht. Doch es war nur der Anfang einer Ära, die uns mehr Schmerz bringen sollte, als manch einer von uns in Worte fassen konnte, und niemand erwartet hatte.« Der Mann tunkte seine Feder erneut in das Tintenfass und hielt einen Moment inne, während sein Blick zum offenen Fenster glitt. Es war eine sternenklare Nacht und nur der Schein einer einzelnen Kerze spendete ihm das nötige Licht, das er für das Verfassen seiner Aufzeichnungen benötigte. Schließlich seufzte er und schüttelte kaum merklich den Kopf, bevor er sich wieder seinem Pergament widmete.

»Unsere Geschichte erzählt von einem Helden, den man Gerion genannt haben will. Eine alte Legende über das verschollene Kaiserreich Perdosiens, an die heute nur noch die Kinder glauben. Und doch erinnern sich die Menschen dieser Tage mehr und mehr an diese Legende, denn die Verzweiflung stärkt die Hoffnung in jedem von uns. Hoffnung, die uns daran glauben lässt, dass es einen Ausweg gibt. Dass jemand kommen wird, der die Völker erneut vereint und diesen Wahnsinn beendet.

Ich bin kein Träumer und ich glaube nicht an die alten Heldengeschichten über Gerion, doch in einer Sache bin ich mir sicher. Wenn Perdosien jemals einen Helden gebraucht hat, dann jetzt!«

Janosh, Archivar und Bewahrer der alten Schriften aus dem Haus Helion.



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