»Da seid ihr ja endlich«, begrüßte Brengar Jerdan und Rael, als sie zum Lager zurückkehrten. Der Yidaki saß, in eine Felldecke gehüllt, auf einem von vier Holzstämmen, die er um eine Feuerstelle herum verteilt hatte. Jerdan grinste, als er neben ihm einen Korb entdeckte, in welchem sich Früchte, Käse und Wein befanden. Offensichtlich hatte Brengar die Packpferde nicht nur entladen, sondern auch bereits von den Dingen, die er mitgebracht hatte, gekostet.
»Rael?«, wandte sich Jerdan mit einem Blick auf die Feuerstelle an die Magierin. Rael zögerte nicht. Mit einer knappen Handbewegung entfachte sie ein Feuer, das die Lichtung in ein gemütliches Licht tauchte. Dann setzte sie sich auf einen Holzstamm und zog die Felldecke etwas enger um sich.
Jerdan verteilte Wein und Brot, bevor auch er sich an das Feuer setzte. Obgleich Rael heute zum ersten Mal seit Tagen gelächelt hatte, war die Stimmung noch immer gedrückt. Minutenlang sprach niemand ein Wort. Nur das leise Knistern der Flammen, die gierig das Holz umschlungen, war zu vernehmen.
»Wie soll es jetzt weitergehen?«, durchbrach Brengar die Stille mit einer Frage, die ihnen wohl alle im Kopf herumgeistern müsste.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Rael ihm leise. »Aber was tut das schon zur Sache. All jene, die auf unserer Seite standen, sind tot.«
»Ihr müsst loslassen«, wandte Brengar sich an sie. »Ihr könnt Euren Weg nicht finden, wenn Ihr die Trauer nicht begrabt.«
»So einfach ist das nicht.«
»Nein«, stimmte er ihr zu. »Doch wir Yidaki glauben daran, dass der Tod Teil des Lebens ist. Wir erinnern uns der Gefallenen, indem wir ihre Taten würdigen. Die Erinnerung an sie begleitet uns auf unserem weiteren Weg durch das Leben und lässt uns nie vergessen, dass alles endlich ist, aber nie vergessen sein wird.«
Jerdan warf die Stirn in Falten. »Ihr glaubt an das Leben, aber auch daran, dass der Tod Euch stärkt?«
»Ja.«
»Das widerspricht sich.«
Brengar schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein, es hilft das Unausweichliche zu akzeptieren und das eigene Leben fortzuführen.«
»Und wie funktioniert das?«, wollte Rael wissen. Jerdan warf ihr einen kurzen Blick zu. Die junge Magierin wirkte verkrampft. Sie hielt ihren Blick starr auf die Feuerstelle gerichtet und zog die Decke etwas enger um sich.
»Es ist nicht so schwer. Ihr sagt einfach, was Ihr an diesem Menschen bewundert habt, warum er Euch fehlt und wie er Euch auf Eurem Weg positiv beeinflusst hat.«
Rael antwortete nicht, und als Jerdan schon glaubte, dass sie gar nichts sagen würde, erhob sie plötzlich das Wort. »Magister Ayigor«, begann sie leise. »Ich kannte sein Leid und verstehe nur zu gut, was er in seinem Leben durchgemacht hat. Ein ständiger Kampf gegen die Magie. Magie, die einem Kräfte verleiht, die einen selbst vor schier grenzenlose Möglichkeiten stellen, doch zu einem hohen Preis. Er war ein begnadeter weißer Magier und ein treuer Verbündeter.« Sie lächelte und blickte zu dem Sternenhimmel empor. »Ja, manchmal war er etwas verwirrt und seine Unterrichtsmethoden waren durchaus merkwürdig, doch er hatte das Herz am rechten Fleck. Ich vermisse seine Unbeschwertheit, seine stetig fröhliche Art und seine Fähigkeit, selbst den ausweglosesten Situationen etwas positives abgewinnen zu können. Ich werde wohl nie vergessen wie er sich auf den Rücken eines Greifen schwang, um den karutischen Soldaten nachzujagen.« Rael schwieg einen kurzen Moment, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme wieder ernst. »Ohne ihn hätten wir niemals fliehen können. Er gab sein Leben, damit die graue Gilde uns nicht aufhalten konnte. Ich vermisse ihn.«
»Magister Ayigor«, sagten beide Männer und erhoben ihren Becher, um auf den Lehrmeister der weißen Magier anzustoßen.
»Torlan von Gemlon«, nannte Brengar den Namen des ehemaligen Königs von Prelon und erntete direkt einen überraschenden Blick von Rael und Jerdan. »Ihr kanntet ihn nicht so, wie ich ihn gekannt habe. Ich war jahrelang sein persönlicher Berater. Er hat stets versucht den Frieden mit den Reichen zu erhalten ...«, versuchte er sich zu verteidigen.