Teil 7 - Gefangen!?

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Ich hatte das Dorf schon lange hinter mir gelassen und man konnte seine Lage nur noch geradeso erahnen. Die Sonne schien mir ins Gesicht, als ich meinem Weg folgte. Obwohl es nichts Besonderes für mich gewesen war, war ich trotzdem schon ziemlich stolz auf mich. Unwillkürlich erinnerte ich mich an die Aufgaben, dich ich mit Bravur erledigt hatte. Mein Lehrmeister hatte mich danach zwar immer gelobt aber auch jedes Mal einen schlauen Spruch für mich gehabt. Wie mein Lehrmeister wohl reagieren würde? Bestimmt würde er mir sagen, dass Hochmut vor dem Fall kommt und mir dann auf die Schulter klopfen und mich anlächeln. Ja, das würde er wohl machen, wenn er noch unter uns weilen würde. Sein Tod hatte mich damals schwer getroffen und heute fühlte ich mich immer noch schuldig an ihm. Wäre ich da gewesen, hätte ich ihn retten können. Hätte sie alle retten können.

Noch immer konnte ich mich an diesen Tag erinnern, als wäre es gestern gewesen. Auf Nachttänzer kam ich aus dem Wald, in der Hand zwei Kaninchen. Damit hatte ich meine Aufgabe für den heutigen Tag erfüllt. Mein Meister erteilte mir für jeden Tag eine Aufgabe und wenn ich diese nicht erfüllte, bekam ich kein Abendessen. Also versuchte ich das immer. Wenn ich wiederkehrte war es meistens leise auf dem Hof, da es am späten Nachmittag war und die anderen auf dem Feld arbeiteten. Nachttänzer scheute in der Nähe des Tores und etwas später erkannte ich auch wieso. Die Scheune brannte lichterloh und das Feuer drohte auf das Bauernhaus überzugreifen. Rauch zog über den Hof und brannte in meinen Lungen wie das Feuer im Dachgebälk der Scheune. Aus dem Stall vernahm ich einige Schreie. Er war direkt neben der Scheune und hatte schon Feuer gefangen. Schnell ließ ich mich von Nachttänzers Rücken gleiten und rannte hinein. Ich konnte nichts sehen und versuchte vergeblich ihren Schreien zu folgen. Plötzlich stolperte ich über einen Eimer und bemerkte die Kinder des Bauern im Stroh. Der Rauch machte es mir schwer zu atmen. Gerade als ich zu ihnen eilen wollte, stürzte die Decke zusammen und versperrte mir den Weg. Sie waren verloren... Tränen liefen mir über das Gesicht und ich ließ mich auf den Boden fallen und kroch so aus dem Stall hinaus. Mir wurde gelehrt, dass es oben weitaus heißer ist als am Boden. So gelangte ich aus dem Stall hinaus auf den Hof. Aber ich kam zu spät, das Wohnhaus hatte schon Feuer gefangen und brannte nieder.

Auf Nachttänzer ritt ich in die Felder um von dem Unglück zu berichten, hier konnte ich so oder so nichts mehr tun. Hoffentlich würden sie mir den Tod ihrer Kinder und die Vernichtung ihres Heimes verzeihen. Auf dem Weg bemerkte ich die Frau des Bauers, sie hatte sie Sichel umklammert und an ihrem Hals klebte Blut. Man hatte ihr die Kehle durchgeschnitten. Es war vor kurzem geschehen, denn es war noch nicht geronnen und ihr Körper war noch warm. Sie war immer wie eine Mutter für mich gewesen und hatte mich liebevoll umsorgt, solange ich krank war. Warum musste ich sie verlieren? Ich konnte die Tränen nichtmehr zurückhalten, sie rannen mir über das Gesicht und vermischten sich mit Erde und Schweiß. In der Ferne hörte ich das Geklirr von Waffen, schnell zog ich mich in den Sattel und ritt darauf zu. Der Mörder musste noch immer hier sein. Als ich an ein kleines Gehölz kam, galoppierten die Mörder gerade weg. Ich folgte ihnen nicht sondern stieg ab und suchte nach meinem Lehrmeister und seinen Knechten. In meiner Ausbildung hatte ich auch einiges über Heilpflanzen gelernt und vielleicht würde ich sie retten können. Sie lagen in einem Graben neben dem Feld und ich eilte zu ihnen. Bei den Knechten war es schon zu spät, sie hatten ihnen die Köpfe abgeschlagen. Traurig faltete ich ihnen die Hände wie zum Gebet, denn sie waren fromm gewesen. «Nachtvogel?», wisperte eine Stimme und ich fuhr herum. Es war mein Lehrmeister, der aussah, als hätten sie ein Rudel ausgehungerter Wölfe auf ihn gehetzt. Der Anblick war grausam aber ich wandte mich ihm trotzdem zu und kniete mich neben ihm. «Ich bin hier», sagte ich leise und ruhig und nahm seine große schwielige Hand in meine. «Du...du musst etwas wissen, bevor ich gehe.» Er holte rasselnd Luft. «Sprich nicht so viel, du wirst es schaffen», schluchzte ich und drückte seine Hand. «Nein...mach dir nichts vor. Du weißt es genauso wie ich.» Er öffnete die Augen und schaute mich sanft an: «Deine Eltern sind nicht tot. Dein Vater...er ist noch am Leben.» Dann fügte er noch hinzu: «Du wirst ihn finden wenn du es willst...und dich am Mörder rächen. Dem Mörder deiner Familie.» Er öffnete den Mund wie um etwas zu sagen, dann erschlaffte seine Hand in der meinen und das Funkeln in seinen Augen erlosch. Sanft drückte ich ihm einen Kuss auf die Stirn und schloss dann seine Augen.

Schweren Herzens verließ ich den Hof wissend, dass es meine Schuld gewesen war. Wäre ich nicht in den Wald geritten, hätte ich ihnen helfen können. Die Trauer saß tief und ich war mir nicht sicher, ob ich sie jemals wieder loslassen konnte. Doch nicht nur Trauer erfüllte mich, sondern auch ein unbändiger Hass. Ein Hass auf den Menschen, der ihnen das angetan hatte. Ich wollte mich an ihm rächen, um jeden Preis. Und dieser Hass leitete mich seit jenem Tag und half mir alles durchzustehen. Ich würde seine Worte erfüllen, die wie ein letzter Wunsch geklungen hatten. Ich würde mich rächen, egal wie und wann aber ich würde nicht sterben, bevor ich es geschafft hatte.

Vor mir lang eine Hügellandschaft. Weiter im Westen waren sie bewaldet und man konnte einzelne Dörfer und Städte erkennen. Das weiche Gras auf den Hängen lud gerade dazu ein sich darin zu sonnen, aber mir war wirklich nicht nach Freude zu Mute. Am Abend machte ich in der Nähe eines Dorfes Halt. Es war eigentlich ziemlich groß, fast schon eine Kleinstadt. Aber ich war Menschen nicht wirklich gewöhnt und ihnen gegenüber misstrauisch. Wer weiß, vielleicht gehörte einer von ihnen zu den Schatten oder zu jenen, die die Familie meines Lehrmeisters ermordet hatten.

Nachttänzer graste auf der kleinen Lichtung und ich rollte mich in meinem Umhang zusammen. Ein Feuer anzuzünden wäre sehr leichtsinnig gewesen. Der Schlaf übermannte mich wie ein Nebel und ich sank hinüber in meine Welt der Träume. Friedlich atmete ich die kühle Nachtluft und träumte von meinem Lehrmeister und seinen ersten Lektionen. Erst das Schnauben von Nachttänzer riss mich aus meinem dringend benötigten Schlummer. Als ich die Augen aufschlug und sie sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte ich Schatten, die mich umringt hatten. Hätte ich nicht ihren Atem gehört, ich hätte vermutlich gedacht es wären Bäume. Meine Hand lag auf meinem Schwertknauf und ich musterte sie genau. Es waren vielleicht zwanzig. Mit denen würde ich leicht fertig werden wenn ich ausgeschlafen wäre, so war es aber auch nicht mehr als ein kleines Hindernis, was es zu bewältigen galt. Geschmeidig sprang ich auf und stieß einem mein Schwert in die Brust. Ich wirbelte herum und rammte einem Nächsten meine Faust an die Schläfe, er brach ohnmächtig zusammen. Was für ein Glück ich doch hatte, immer mit meinen Waffen und in der Rüstung zu schlafen. Ich wusste zwar nicht, was sie von mir wollten aber sie glichen den Schatten auf der Lichtung bei den Holzfällern auf eine groteske Weise, sodass ich nicht lange überlegte. Als ich einen gefällt hatte, ersetzten zwei Andere seinen Platz. Sie konnten zwar nicht besonders gut Kämpfen, aber es waren einfach zu viele. Ich spürte, wie ich immer langsamer wurde. Meine Muskeln waren erschöpft, aber mein Geist war hellwach. Vermutlich hätte ich sie nicht einmal ausgeruht alle besiegen können. Immer wieder spürte ich wie ein Schwert mich streifte. Eines traf mich an der Seite und hinterließ einen tiefen Schnitt, aus dem Blut quoll. Ich konnte nicht mehr. Aber ich hatte keine Angst vor dem Tod, plötzlich warfen sich fünf von ihnen gleichzeitig auf mich und drückten mich zu Boden. Doch ich hatte mir etwas geschworen und so wehrte ich mich noch immer verbissen gegen sie. Einer löste sich aus dem Schatten der Bäume und trat auf mich zu. Sein Grinsen brannte sich in mein Gedächtnis wie heißes Eisen. Dann bekam ich einen Schlag auf den Hinterkopf und alles wurde schwarz...


Die Geschichte einer KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt