Teil 34 - Erst beim Sonnenuntergang

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König Rudolf pov.

Das Mädchen hatte geendet und sah sich um. Ich konnte nicht fassen, was sie getan hat. Sie war doch harmlos, der einzige Grund für ihre Hinrichtung war, dass sie wichtig für Nachtvogel war. Nie hätte ich erwartet, dass sie mir einen weiteren Grund liefern würde. Aber sie würde sowieso sterben. Ich hatte gedacht, Nachtvogel würde kommen um sie zu retten. Wirklich hatte ich mehr von der erwartet, die eine Rebellin war. Eine Rebellin, die ein Mädchen sterben ließ, das sich nun auch als Rebellin entpuppt hatte. Vor anderen würde ich das niemals zugeben, aber ich war wirklich überrascht. Warum hatte das Mädchen nur einen solchen verdammten Mut. Sie hatte ihr Schicksal anscheinend akzeptiert und wusste, dass sich besonders nun an ihrem Tod nichts ändern würde. Ich kam nicht umhin eine stumme Bewunderung für das zu empfinden, was sie getan hatte. Aber sie hatte gerade öffentlich zu einem Aufstand gegen mich aufgerufen und das machte mich unheimlich wütend. Meine Ziele waren fast erreicht. Mein einziger Widersacher war tot und die Mörderin hatte sich für den baldigen Tod einer mehr oder weniger Unschuldigen verantwortlich gemacht. Ich hatte vor den Tod ihr zuzuschieben, denn als Königsmörder und Kindermörder würde sie keinen Hass auf mich schüren können. Auch wenn mir klar war, dass Graf Bollani ihn umgebracht hatte. Ich würde ihn nicht einmal dafür belohnen, genauso wenig, wie ich den anderen belohnt hatte.

Rückblick

Ich saß in meinem Empfangszimmer auf der Burg und starrte in den Regen hinaus. Hier oben war es relativ kühl, aber das störte mich nicht. Seit meine Mutter ums Leben gekommen war, hatte ich selbst eine kühle Fassade wie aus Stein. Ich war damals zehn Jahre alt gewesen. Obwohl es schon acht Jahre her war, sah ich die Situation noch direkt vor mir. Meine Mutter hatte sich mit meinem Vater gestritten, er hatte sie angeschrien. Weinend war sie die Treppe auf den Turm hinaufgerannt. Dort hatte sie sich vor Gram und Trauer laut meinem Vater heruntergestürzt. Aber ich glaubte ihm nicht. Selbst hatte ich gesehen, wie er ihr hinterhergegangen war. Er hatte sie niemals geliebt, aber ich hatte das immer getan. Von meinem Vater wurde ich terrorisiert und immer hatte meine Mutter mir Schutz und Ruhe gegeben. Sie hatte mich geliebt und nicht wie mein Vater als ein Mittel zum Zweck gesehen. Nach außen hin war mein Vater ein Herrscher, der weder gütig noch grausam war. Aber uns schubste er nach Belieben herum und quälte uns. Meine Mutter hatte es nicht ausgehalten und ihn darauf angesprochen und dann hatte er sie geschlagen. Ich war meinem Vater leise gefolgt und hatte mich hinter einer der Zinnen versteckt. Meine Mutter stand an der Mauer und ihr Haar wehte sanft im Wind. Sie weinte und blickte in die Weite des Landes. Niemals hatte sie meinen Vater heiraten wollen, aber ihre Familie hatte sie dazu gezwungen. Mein Vater stellte sich hinter sie und drückte sie gegen die kalte Mauer. «Deine Tage sind gezählt. Du machst meinen Erben zu einem Weichei und Feigling. Außerdem hast du dich meinen Anweisungen und Befehlen wiedersetzt. Auf das du in der Hölle schmorst.» Dann hatte er sie zu einer der Lücken in der Mauerkrone gezerrt und sie hinabgestoßen. Hinunter und in den Tod. Keiner konnte einen solchen Fall überleben. Seine einzige Sonne war untergegangen und so war er geworden wie sein Vater. Aber er hatte nie darüber nachgedacht, dass er jemals heiraten könnte. Seinen Vater hatte er ausgelöscht. Er war seiner Frau gefolgt. Aber nur in den Tod, denn sie würde im Gegensatz zu ihm in den Himmel kommen.

Nun hatte er einen Plan geschmiedet, wie er das andere Reich übernehmen konnte. Der König dort war so gütig, dass regelmäßig Leute aus seinem Land in das andere flohen und sich ihm anschlossen. Außerdem passte es ihm nicht, dass seine Söhne einen solch guten Vater und auch noch eine Mutter haben durften. Und so hatte er jemanden losgeschickt, der sie töten sollte. Der Ältere war schon auf dem Schlachtfeld gestorben, bei einem Kampf an der Grenze gegen seine Truppen. Den anderen hatte er vergiften lassen. Aber die Königin hatte noch ein Kind bekommen. Eine Tochter, und das war ihm gar nicht recht. Also würde sie nun sterben. Die Tochter aber sollte er zu ihm bringen. Er wusste schon, was er mit ihr tun würde. Jetzt kam ein Bote in den Raum gestürmt und brachte ihm einen Brief. Er war von seinem Auftragskiller und nachdem er ihn gelesen hatte, lehnte er sich erfreut zurück. Die Königin war tot, der König am Boden zerstört dachte an Selbstmord. Wahrscheinlich war sein Auftragskiller inzwischen ebenfalls tot. Aber er hatte die Tochter nicht bekommen. Mit keinem Wort war erwähnt worden, dass sie tot war. Doch sie war auch nicht bei ihm. Das musste bedeuten, dass sie noch lebte. Der König jedoch sollte seine ganze Familie verlieren.

Einige Tage später hatte er erfahren, dass der König seine Tochter gefunden habe. Aber sie in der Nacht wieder verschwunden war, ein blutbeflecktes Leinenkleidchen zurücklassend. Wenigstens war einer seiner Untertanen schlau genug um sich um sie zu kümmern ohne immer auf seinen nächsten Befehl zu warten.

Rückblick

Das Königreich ohne König konnte man mit Leichtigkeit überrennen und ich würde König werden. Außerdem hatte ich mit Genugtuung in die entsetzten Gesichter der Menschen unter mir gesehen, nachdem ich vor ein paar Minuten meine Rede beendet hatte. Niemand würde es jemals wagen sich mir zu widersetzen. Mit der Hinrichtung des Mädchens wurde Nachtvogel zum Mörder erklärt und das hieß, sie war vogelfrei. Sie machte sich noch nicht einmal die Mühe das Leben einer Unschuldigen zu retten. Wenn die gekommen wäre, hätte ich beide hinrichten können, dann wäre ich sie endlich losgewesen. So musste jemand anderes diese Aufgabe übernehmen. Leonore blickte mich kurz an und ich sah wie sie kurz zusammenzuckte. Aber sonst blieb sie tapfer. Die Sonne berührte den Schatten der Hügel und so hob ich die Hand. Der Henker nickte kurz und begann dann die Falltür zu öffnen. Am liebsten hätte ich lauthals gelacht, aber das würde nicht gut ankommen, also hielt ich mich dieses eine Mal zurück. Die Falltür öffnete sich langsam und das Mädchen wurde unruhig. Ich hatte die Eltern nach ihrem Namen gefragt, so konnte man wenigsten sagen, dass Nachtvogel Leonore tötete.

Die Geschichte einer KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt