Prolog

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Der Wind fegte an mir vorbei. All die grün leuchtenden, weiten Wiesen und die grauen Klippen würde ich vermissen. Ich zog den Reißverschluss meiner dicken Jacke fröstelnd weiter nach oben, während meine Stute schnaubend ihren Kopf schüttelte. Mir zerriss es fast das Herz, dass ich meine Heimat zurück lassen musste. Ich strich durch Nocturnes weiße Mähne, bevor ich von ihrem Rücken glitt und sie einfach grasen lies. Ich wusste, sie würde nicht davon laufen und deswegen schritt ich langsam auf die Klippe vor mir zu. Mein rotes Tuch, das ich als Schal trug, wehte im Wind und ich blieb kurz vor dem Abgrund stehen, um auf das weite Meer hinaus zu sehen. Die Wellen schlugen gegen die Felswand vor mir und ich konnte außer dem Rauschen des Meeres und dem blasenden Wind nichts hören. Früher war ich oft mit Nocturne hierher gekommen, nachdem es passiert war. Aus diesem Grund war ich auch heute morgen zu diesem Ort geritten. Um abzuschließen, bevor ich aufbrechen würde. Ich atmete ein letztes Mal tief durch und löste das Tuch von meinem Hals. Es wehte heftig im Wind, bevor ich es los ließ und es davon flog. Nachdem es aus meinem Blickfeld verschwunden war, schritt ich langsam zu meiner Trakehnerstute zurück, die mich aufmerksam beobachtete. 

Als ich Nocturne erreichte, strich ich ihr sanft über die Nüstern und schwang mich anschließend wieder in den Sattel. Kaum hatte ich die Zügel aufgenommen und eine leichte Galopphilfe gegeben, jagten wir über die weiten Wiesen in Richtung des kleinen Hofes meiner Tante, wo ich mit ihr lebte. Noch. 

Nach einigen Minuten erblickte ich am Horizont das kleine Anwesen und beugte mich etwas weiter über Nocturnes Hals und sie erhöhte wie von selbst ihr Tempo, während ich schon den niedrigen Koppelzaun einige Hundert Meter vor uns anvisierte, um kurze Zeit später mit meinem Pferd hinüber zu fliegen. Ich wusste, ich würde meine Stute, ihre Sprünge und die gemeinsamen Ritte vermissen, aber ich musste diesen Schritt machen, um in meinem Leben etwas zu erreichen. Und viel mehr noch, um aus diesem Ort hinauszukommen, wo jeder jeden kannte und jeder alles über jeden wusste.

Wissen - das war es, was ich nicht mehr ertragen konnte. Wie sollte man einen Abschnitt seines Lebens abschließen, wenn ständig diese wissenden Blicke auf einem lagen und die Stille nach einem schrie: "Ich weiß es, ich weiß, was du getan hast!"


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