Kurz vor dem Countdown

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Wir sahen uns nicht an.
Kein Einziges Mal. Wir starrten geradeaus. Drehten nicht den Kopf zur Seite. Bewahrten einen kalten Gesichtsausdruck. Zeigten nicht was wir wirklich dachten oder fühlten. Sie nahm nur meine Hand in ihre und diese Berührung reichte mir. Ihre kalte Hand schien mit meiner zu verwachsen, so als würden wir uns niemals wieder loslassen müssen.
Und als ich langsam aus meiner Taubheit erwachte wollte ich schreien. Schreien, Weinen vielleicht auch rennen. Wenn ich denn ein Ziel gehabt hätte. Und obwohl ich Schreien wollte redeten wir nicht einmal miteinander.
Nicht als wir aus dem Krankenhaus gingen. Nicht auf dem Weg zu der einzigen Apotheke die um diese Uhrzeit noch offen hatte. Garnicht.
Wenn man weiß dass man bald stirbt kommt die Zeit einem wie ein Marathonläufer vor. Rasend und nicht einzuholen. Ich schätze dass daher der Drang kahm zu rennen. Doch die Zeit kannst du nicht einholen oder auch nur zurückdrehen.
Und wenn die Ärzte wissen dass du bald stirbst lassen sie sich Zeit. Schließlich möchte man sich um diejenigen kümmern die noch eine Chance auf Leben haben.
Nicht um die die sowieso bald diese Welt verlassen werden. Ich verübelte ihnen dass nicht. Die Ärzte hatten ihr bestes getan. Was nutze es noch Kraft auf jemanden zu verschwenden dem nicht mehr zu helfen war?
Somit war es tiefste Nacht als wir da waren um die Schmerzmittel für mich abzuholen. Die Frau die uns die Tabletten übergab wirkte müde.
Ihre kurzen braunen Haare waren ungekämmt und sie aus als hätte sie gerade eben noch geschlafen und wir sie gestört. Ich hatte plötzlich dass irrationale Verlangen mich zu entschuldigen. Ließ es dann aber.
Ihre Augen verrieten nichts über Sie außer Desinteresse.
Nur einmal schaute Sie uns staunend an. Und zwar in dem Moment als sie die Menge der mir zugeschriebenen Mittel sah. Dieses kurze Aufflackern von Interesse verschwand genau so schnell wie es gekommen war und mit einem Schulterzucken entschied sie dass es sie nichts anging.
Unwirkürlich fragte ich mich wie lange ihr Leben wohl noch dauern würde. Ob sie in ihren letzten bewussten Momenten noch wissen würde dass sie bald stirbt? Ob ihr noch die Zeit bleiben wird die letzten Augenblicke zu erfassen und zu genießen? Und wenn ja, ob sie sich dagegen sträuben würde? Oder es ebenfalls mit einem Schulterzucken hinnehmen würde?
Oder würde es so schnell gehen dass Sie es garnicht mitbekahm?

Das Warenfenster knallte mit Wucht zu, ließ mich zusammenfahren und riss mich aus meiner Gedankenwelt.
Schweigend gingen wir nach Hause.
Für einen Bus oder ein Taxi reichte und dass Geld nicht. Die zahlreichen Behandlungen für mich waren teuer gewesen. Und da nur wir zwei übrig geblieben sind hatten wir auch kein besonderes Einkommen mehr.
Wie sich doch alles innerhalb kurzer Zeit verändern konnte. Ein einziger dummer Unfall und alles geht den Bach runter. Ein kleiner Fehler und es gibt kein zurück mehr. Nie wieder.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 02, 2017 ⏰

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