Kapitel 1

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Gelangweilt schlurfte ich durch die Gänge der Highschool und beobachtete aufmerksam die anderen Schüler. Die meisten Mädchen hatten sich ein Kilo Make-up in ihre Gesichter geklatscht, in der Hoffnung so ein wenig hübscher auszusehen und so einen der heißbegehrten Plätze im Cheerleader-Team zu bekommen. Natürlich war aber auch wichtig dafür, dass sie die Aufmerksamkeit von einem der Footballer oder einem der anderen Beliebten zu bekommen.

Mir selber war dieser ganze Highschoolquatsch relativ egal. Keine dieser Personen war sie selbst, sondern trug nur eine Maske, die ihr zur Perfektheit verhalf. Es war aber auch nicht so, dass ich selber nicht oft genug die Chance gehabt hätte, dem Team beizutreten, Florence, die Headcheerleaderin hatte mich sogar öfters gefragt, ob ich nicht Lust hätte dem Team beizutreten, doch diese Heuchelei war nichts für mich. Ich gehörte einfach nicht in diese Welt.

Für mich war es auch vollkommen klar, dass Florence mich auch nur wegen meinem Aussehen immer wieder fragte. Ich hatte pechschwarze, hüftlange Haare und eisblaue Augen, die von langen Wimpern umrahmt wurden. Zudem war meine Figur sportlich und ich war nicht wirklich groß mit meinen 1,65m, aber alles in allem war ich wirklich, ohne eingebildet wirken zu wollen, ansehnlich.

Trotzdem zählte ich nicht grade zu den Beliebten auf der Highschool. Ich war einfach nicht normal. Die anderen Schüler nannten mich hinter meinem Rücken "Psychomädchen" und dachten, dass ich es nicht mitbekommen würde, doch ich hatte meine Ohren überall, denn obwohl ich mich immer dagegen wehrte, sprachen die Schatten seit jener Nacht immer mal wieder zu mir. Ich versuchte sie zu ignorieren, doch es gelang mir nicht.

Nach meiner ersten Begegnung mit den Schatten kam Anna, die Heimleiterin, morgens in mein Zimmer um mich zu wecken und fand mich zitternd und zusammen gerollt in meiner Zimmerecke liegen und immer wieder verschiedene Sachen vor mich hinmurmelnd. Ich nehme an, dass sie ab diesem Moment für sich selber festgestellt hatte, dass ich nun endgültig verrückt geworden bin. Sie wollte mich zu einem Psychiater schicken, doch immer wenn ich einen Termin dort hatte, versteckte ich auf dem Dachboden und betete, dass sie mich nicht finden würde. Glücklicherweise konnte ich so den Terminen aus dem Weg gehen, aber je länger ich im Heim war, desto verbissener versuchte Anna mir eine Adoptivfamilie zu suchen, doch bis jetzt ohne Erfolg. 

Für heute hatte mir Anna erneut einen Termin mit Adoptiveltern besorgt und ich fragte mich, woher sie die ganzen Leute immer nahm, denn ich war keinesfalls die Vorzeigetochter, welche sich Adoptiveltern wünschen würden. Nicht zuletzt wegen der psychischen Störung, die mir meine Heimleiterin einreden wollte, sondern auch wegen meinem unaufhaltsamen Drang Unruhe zu stiften, egal wo ich auftauchte. Meistens war ich nicht einmal selber Schuld, wenn ich in Einkaufsläden war, steckten mir die Schatten unbemerkt Produkte in meine Jackentaschen oder sie gaben Leuten, welche an mir vorbei gingen einen Tritt mit.

Das alles konnte ich natürlich nicht auf der Polizeiwache oder bei den Securityguards im Einkaufszentrum erzählen, da diese natürlich wieder auf meine nicht vorhandene psychische Störung zurück schließen würden und ich keine Lust hatte irgendwann mal in einer geschlossenen Anstalt zu landen. Ich musste einfach für alles meinen Kopf hinhalten und so war die Anzahl meiner Vorbestrafungen schon relativ hoch.

Ich meine mich störte es im Endeffekt eher weniger, da ich keine Person in meinem Leben hatte, die ich stolz machen wollte. Mir war mein Ansehen bei den Anderen einfach egal. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich nicht als Säugling weggegeben worden wäre, aber daran konnte ich ja jetzt auch nichts mehr ändern.

Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als ich unsanft angerempelt wurde und gegen meinen Schulspind stolperte. Genervt keifte ich:

„Hast du keine Augen im Kopf und kannst aufpassen?", erst dann blickte ich auf und sah ein Mädchen mit großen Augen vor mir stehen und man konnte es förmlich sehen, wie es in ihrem Kopf ratterte, als sie nach einer geeigneten Entschuldigung suchte. Ich blickte sie noch einmal kurz abwertend an und winkte dann gespielt genervt ab.

„Lass gut sein und nerv mich nicht weiter!", meinte ich mit unfreundlichem Ton in meiner Stimme. Sie nickte nur wie ein Schoßhündchen und lief dann schnell weiter. Ich weiß, nicht grade freundlich, wie ich sie angefahren hatte, doch das war meine Art, die Leute auf Abstand zu halten. Ich brauchte einfach keine Leute in meinem Leben, die überflüssige Fragen stellten und nachher noch von meinen ungewöhnlichen Fähigkeiten erfuhren.

„Das war aber nicht grade nett", hörte ich eine tiefe Stimme hinter mir und ich drehte mich langsam um. Mein Blick war auf ein graues T-Shirt gerichtet und ich musste nach oben blicken, um dem Jungen ins Gesicht sehen zu können.

„Und deine Meinung interessiert mich jetzt weil...?", fragte ich ihn mit uninteressiertem Unterton.

„Wen interessiert meine Meinung denn nicht? Ich meine ich bin ich!", gab mir der Junge mit einem Schmunzeln eine Antwort auf meine Frage, auf die ich eigentlich gar keine Antwort erwartet hätte.

Ich blickte ihn nun mit schief gelegtem Kopf an und auf meine Lippen schlich sich ein kleines Grinsen, als ich „Hi, Ich!", sagte und mich dann auf den Weg zu meinem nächsten Unterrichtsraum machte.

Save me from the darkness (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt