Kapitel 1

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*Flashback - 3 Jahre zuvor*

"Shawnee." Die Stimme meiner Mutter drang durch unsere kleine drei Zimmer Wohnung, im Dachgeschoss eines Altbaus. "Ich komme schon." Rief ich, und riss die dunkelbraune Holztür von meinem Kinderzimmer auf, die mit ausgedruckten Bildern und Postern irgendwelcher Stars beklebt war. Meine Mutter, sie trug ein schwarzes enges Kleid. "Beeil dich little Prinzess, ich will heute nicht zu spät kommen." Seit dem mein Erzeuger mich und Mama verlassen hatte, als ich noch nicht einmal ein Jahr alt war, hatte meine Mutter keinen Mann mehr an ihrer Seite gehabt. Zumindest erinnerte ich mich an keinen. Vor einigen Wochen allerdings hatte sie über das Internet, einen neuen Mann kennengelernt, der uns über das Wochenende zu sich auf die Yacht eingeladen hatte. Ich schlüpfte in meine dunkelroten Turnschuhe, nahm meine Tasche, in der sich mein Gepäck für dieses Wochenende auf See befand, welche mit dem Gepäck meiner Mutter in unserem kleinen Flur stand und verließ hinter ihr die Wohnung. Glücklich sprang ich die Treppen des Mehrfamilienhauses herunter, und kletterte in das alte Auto meiner Mutter, welches direkt vor dem Haus an der Straße geparkt war. Wie jedes mal führ sie erst ein Stück rückwärts, da sich vor uns einer der großen Bäume befand, die in der ganzen Straße standen..

Zum zweiten mal, in wenigen Stunden, wachte ich Schweißgebadet in meinem sterilen Einzelzimmer auf. Die Angst vor meiner Vergangenheit, vor diesen Albträumen, war wieder einmal Stärker als die Wirkung der Medikamente. Diese unfassbare Angst vor diesen Träumem, die mehr Realität und Vergangenheit als Traum beinhalten, war schon so oft stärker als meine Mitlerweile viel zu stark dosierten Medikamente. Und das, obwohl das laut den Ärzten gar nicht möglich ist..

Aber wenn ich jetzt, nach ziemlich genau drei Jahren, an diese Wochen wenn nicht sogar Monate meines jetzt so verkorksten Lebens zurück denke, hätte ich so vieles anders machen sollen. Angefangen damit, das ich, wenn ich gewusst hätte, dass ich an jenem Tag, zum letzten mal diese Wohnung, in der ich aufgewachsen war, verlassen hätte, direkt wieder umgedreht wäre. Wenn ich damals gewusst hätte wie sehr dieser Mann, generell dieses gesamte Wochenende mein Leben verändert, welche Auswirkung die Zeit bei IHM auf mein Leben, meine Zukunft hat, dann wäre ich nie zu meiner Mutter in den Wagen gestiegen. Wäre nie mit ihr ans Meer zu diesem einen bestimnten Yachthafen gefahren und hätte mit ziemlicher Sicherheit, dieses eine bestimmte Schiff, niemals betreten. Aber ich wusste es nicht. Woher hätte ich es auch wissen sollen. Ich konnte es nicht wissen können. Ich war schließlich erst 13. Ich war jung. Zu jung und Naiv. Ich war ein dummes kleines Mädchen, das an das gute im Menschen glaubte. An das gute, in jedem Menschen. Aber egal wie sehr ich mir jetzt wünsche, das ich früher so vieles anders gemacht hätte. Ich kann es heute nicht mehr ändern. Sämtliche Ereignisse die mich in dieses Irrenhaus verfrachtete haben lassen sich inzwischen nicht mehr ungeschehen machen, genau so wenig lässt sich die Zeit einfach zurückdrehen.

6:49 Uhr zeigte die digitale Uhr auf meinem Nachttisch an. Diese Uhr, war neben den paar Klamotten, die sich in meinem Kleiderschrank befanden, der einzige mehr oder weniger persönliche Gegenstand, in meinem sonst komplett weiß eingerichteten, leblosen Zimmer. 6:50 Uhr, und ich hatte nicht einmal eine Stunde geschlafen. Es war noch knapp eine Dreiviertel Stunde bis zum Frühstück. In zehn Minuten kommt die Visite, um uns zu wecken. An sich sind zehn Minuten ja nicht viel Zeit. Aber wenn du, unteranderem wegen Psychose, in einer Irrenanstallt behandelt wirst, sind zehn Minuteb devinitiv viel Zeit. Zu viel Zeit. Viel zu viel Zeit. Zeit in der diese nicht existenten Stimmen in deinem Kopf so viel Chaos anrichten können, wie sie wollen. Es kann sie ja niemand daran hindern. Schließlich ist niemand hier. Es ist viel zu lange, viel zu still.

Für Ausenstehende sind zehn Minuten nichts tun und einfach einmal länger im Bett liegen bleiben, wenigstens eine kleine Erholung in einem eh schon viel zu vollgestopften Tagesablauf. Ein kleiner Ausbruch aus dem Altagstrott. Für Menschen mit einer Psychose Erkrankung sind diese zehn Minuten allein sein, schon eine Qual. Diese Paar Minuten, sie ziehen sich in die länge, wie eine halbe Ewigkeit.

Tick. Tack.

Wieder und wieder spielten sich diese grauenvollen Erinnerungen, welche ich selbst am eigenen Leib erfahren durfte, vor meinem inneren Auge ab. So, als ob irgendjemand wieder und wieder auf die Wiederholen-Taste drückt..

Niemand außer mir sieht diese Bilder.
Ich bin die einzige.
Früher, direkt nach dieser Zeit, hat man mir einreden wollen, das ich mir alles nur einbilde. Das es keine Bilder und schon gar keine Stimmen gibt. Das sie nicht existent sind..
Aber ich wusste das es anders ist. Oder? Schließlich sah ich diese grauenvollen Bilder und hörte diese Stimme. Tag für Tag. In jeder freien Sekunde. Nacht für Nacht. In jedem einzelnen Traum..

Bis zu jenem Tag, an dem ich endgültig als verrückt betitelt und hier her 'geschickt', inzwischen würde ich aber eher sagen, verwiesen wurde..

Und so sehr ich die letzten 3 Jahre versucht habe, meine Vergangenheit zu Verdrängen, sie aus meinen Gedanken zu verbannen, aus meinen Erinnerungen zu löschen. Schließlich ist etwas zu verdrängen der einfachste Weg, doch auf dauer tötet es deine Seele. Was der Grund dafür ist, das ich mich heute noch an jedes kleine, noch so unwichtige Detail, in dieser schlimmen Zeit meines Lebens, die sich meine Vergangenheit nennt, erinnere.

Ich werde Ihm niemals verzeihen können was Er mir, oder eher, meinem damaligen gerade einmal dreizehn Jährigen ich, angetahn hat. Vor allem, werde ich niemals verstehen können, warum Er getan hat, was Er nun mal getan. Es gibt keinen Grund der Welt, der auch nur ansatzweise rechtfertigen kann, was Er gemacht hat. Dieser Mann, hat innerhalb 48 Stunden mein komplettes Leben zerstört. Und was bekommt Er dafür? 5 Jahre Freiheitsstrafe. 5 verdammte Jahre hinter Gittern, dafür das ich mein Leben lang psychische Probleme davon trage, seit 3 Jahren in einem Irrenhaus eingesperrt bin und niemanden mehr in meinem Leben haben, der mir in dieser, bisher dunkelsten Zeit meines Lebens bei Seite steht. Er hat mir meine Familie genommen, meine Mutter.. Er hat mich seelisch zerstört, mich gebrochen und bekommt lächerliche 5 Jahre..

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 22, 2017 ⏰

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Shawnee [Slow Update]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt