8
Mein Geburtstag war jetzt drei Tage her. Seit blaues Blut geflossen ist sind jetzt drei Tage vergangen.
Die Wunden waren unnatürlich schnell verheilt, als ich am übernächsten morgen aufwachte. So, als wären die letzten Tage nur ein ganz böser Alptraum gewesen. War es nur leider nicht.
Ich war irgend so ein Meerjungfrauen-Ding. Wie Arielle halt. Ich bezweifelte, dass mir eine Schwanzflosse wachsen würde und ich plötzlich in den schönsten Korallenriffen umherschwimmen dürfte. Dieses Meeresvolk hatte etwas mystisches an sich, etwas böses und verführerisches.
Ich war weder mystisch, noch böse. Und sicherlich nicht verführerisch.
Nun ja, jetzt lag ich schon drei Tage nur im Bett und hatte viele Informationen und Gefühle zu verarbeiten. Ich hatte nur meinen Laptop, Collegeblocks und Stifte bei mir. Ich suchte im Internet nach Texten und nach Wissen über diese ganzen Wassergeister. Ich notierte mir über jedes Fabelwesen, dass im Meer lebte, Informationen, vielleicht würden sie mir etwas nützen. Meine Mom machte sich bestimmt Sorgen um mich, denn sie kam andauernd rein und fragte, ob ich essen wolle oder endlich meine Geschenke auspacken möchte. Ja, ich hatte die Geschenke noch nicht ausgepackt. Diese ganze Meerjungfrauengeschichte hatte mir meine Geburtstagslaune deutlich verdorben. Immer sagte ich Nein. Wenn ich Hunger hatte, schlich ich mich in die Küche und holte mir einen Apfel, wenn ich aufs Klo musste, ging ich halt zum Badezimmer. Und so ging das jetzt schon drei Tage lang.
Ich wusste einfach nicht, wie ich es meiner Mom erklären sollte. Oder ob ich es ihr überhaupt erzählen sollte. Vielleicht war sogar nicht ich diejenige, die etwas erklären musste, sondern sie. Die Nymphe hatte ja gesagt, dass ich halb Mensch, und halb Meeresfrüchtchen war. Der Gedanke daran, dass ein Wassermann oder was auch immer meine Mom geschwängert hatte, ließ mich schaudern.
Vielleicht war aber auch mein Dad, der Mann, den meine Mutter geheiratet hatte, ein Meeresbürger gewesen.
Die Geschichte von meinem Dad ist eine etwas kuriose.
Meine Mom redete nicht gern darüber, aber sie erzählte mir manchmal etwas, wenn ich danach fragte. Sie sagte immer, dass wir vor 14 Jahren alle zusammen an Silvester auf die Philippinen geflogen waren. Mein Dad hatte eine kleine, gemütliche Yacht gemietet, auf der wir die Silvesternacht vor der Küste verbrachten. Meine Mom wurde immer etwas traurig, wenn sie von dem Teil erzählte, in dem er sich nachts von Boot gestürtzt hatte, zwei schwere Backsteine um jeden Fuß gebunden, und ertrunken ist. Es war Selbstmord, aber wieso hätte mein Dad das tun sollen? Er hat uns beide geliebt, meine Mom und mich.
Sie erzählte mir zwar nicht oft von seinem Tod, aber oft genug über meinen Dad selbst. Ich hatte seine Nase, schwärmte meine Mutter immer. Ich wusste, er war auch der Grund, warum sie sich nie mit Männern traf. Sie konnte ihn noch nicht loslassen. Nicht mal nach 14 Jahren.
Es klopfte an meiner Zimmertür. Ich schloss schnell die Webseite über Nixen, als meine Mutter ins Zimmer kam.
"Clary, kann ich mit dir sprechen?", sagte sie und schloss die Tür hinter sich.
"Ich fühle mich nicht so gut, ich lege mich jetzt schlafen.", erklärte ich ihr und legte den Laptop zur Seite.
"Nein, wir müssen jetzt reden.", sagte sie und setzte sich ans andere Ende meines Bettes. Einen kurzen Moment herrschte Schweigen.
"Was ist passiert? Seit deinem Geburtstag versteckst du dich nurnoch in deinem Zimmer. Ich mache mir Sorgen um dich!", teilte mir Mom ihre Sorgen mit und sah mich mit traurigen Augen an.
Ich hatte mich auf diesen Moment vorbereitet - entweder würde ich jetzt die Wahrheit sagen oder lügen.
Ich entschied mich für das erste.
"Ich glaube, ich bin nicht diejenige von uns beiden, die was erklären muss.", rechtfertigte ich mich. Meine Mutter sah mich nur mit diesem unwissenden Blick an.
"Was genau meinst du?", fragte sie verwirrt. Ich seufzte und überlegte, wie ich das Thema ansprechen sollte. ich entschied mich dazu, es nicht anzusprechen, sondern ihr zu zeigen.
Ich reichte ihr meinen Collegeblock über Nixen. Im Internet hatte ich nicht viele Informationen bekommen. Aber genug, um meiner Mutter klarzumachen, dass ich es weiß.
Sie öffnete den Block und starrte erstmal einne gefühlte halbe Ewigkeit auf das Blatt Papier. Ich konnte sehen, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten. Sie schlug die Hand vor den Mund und versuchte, sich zu beruhigen.
"Mom, weißt du was darüber?", fragte ich sie. Sie nickte entrüstet. "Was ist damals passiert, Mom?", fragte ich und malte ihr tröstend kreisförmige Muster über den Rücken, wie sie es immer bei mir tat, wenn ich mich aufregte.
"Es ist eine sehr lange Geschichte. Soll ich es wirklich erzählen?",fragte sie.
Ich nickte.
"Vom Anfang bis zum Ende."