September. Anfang Herbst. Ich liebte diese Jahreszeit. Die Blätter rot, braun und gelb. Wirklich wunderschöne Farben. Ich ging an einem kalten Samstagnachmittag in den Park. Der Park schien leer zu sein, keine einzige Menschenseele war zu sehen. Eine kalte Brise blies mir meine pastell blau gefärbten Haare ins Gesicht. Ich strich dann eine Haarsträhne hinter das linke Ohr und rammte meine Hände, die ich zu Fäusten geballt hatte, tiefer in die Taschen meiner schwarzen Jeans. Der Wind schüttelte die Bäume, bog sie hin und her und wehte die Blätter von den Ästen. Diese fielen leicht vor meinen Füssen. Der Wind wehte einen Schwung trockener, brauner Blätter an mir vorüber und für einen Augenblick hatte ich das Gefühl, er würde mich gleich ebenfalls wegwehen.Ich bückte mich und griff nach einem rot-braunem gebuchteten Blatt. Ich betrachtete es eine Weile und warf es dann achtlos wieder weg. Ich ging eine Weile durch den Park. Ich mochte Spaziergänge. Man konnte sich dabei Zeit nehmen und über alles Mögliche in Ruhe nach zu denken.
Ich sah auf einmal eine Bank und beschloss für einige Minuten eine kurze Pause einzulegen. Ich blickte auf meinem schwarzen Strick schal hinunter. Fusseln. Toll. Ich zupfte ein paar heraus.
"Entschuldigung? Ist da noch neben Ihnen frei?" fragte mich plötzlich eine freundliche, tiefe Stimme. Ich sah überrascht auf. Vor mir stand ein grosser, gutaussehender, junger Mann. Er war so vielleicht um die Mitte 20. Er hatte goldblonde Haare, die zu einem Short Quiff geschnitten wurden, bezaubernde dunkelbraune Augen und ein strahlendes Lächeln, bei dem jedes Mädchen dahin schmelzen würde. Eine echte Schönheit eben. Ich konnte gar nicht mein Blick von ihm loslassen und hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihn gerade mit offenem Mund anstarrte. "J-ja klar." brach ich mühsam heraus. Er bedankte sich und setzte sich neben mich. Sofort holte er sein Smartphone heraus und begann seine SMS abzuchecken. Ich fuhr nervös durch meine Haare. Ich konnte nicht einmal ruhig sitzen, ohne hin und her zu rutschen. Ich musste aufstehen. Er hatte mein nervöses Verhalten bestimmt bemerkt. Ich stand schnell auf und sagte etwas Unverständliches, dass sich wie eine Verabschiedung anhören sollte, die er aber nicht verstand und ich ging weiter meinen Weg entlang durch den Park. Aus dem Park heraus, entdeckte ich endlich meine Schrottkarre die in einer Parklücke parkierte und ich näherte mich zielstrebig meinem Wagen. Ich öffnete die Fahrertür und glitt hinters Lenkrad. Es war ziemlich frisch im Wageninneren. Ich schaltete die Heizung ein und fuhr weg.
Während ich mich auf dem Weg nach Hause machte, kamen auch sogleich Erinnerungen hoch, jedoch keines Falls schlechte.
Ich war nun 23 Jahre alt. Ziemlich viel war geschehen in diesen acht Jahren.
Meine Mutter hatte sich eine Kugel in den Kopf geschossen. Selbstmord. Echt traurig. Doch ich bin schon Jahre darüber hinweg. Michael hatte sich mit 13 die Pulsader aufgeschnitten und ich zog mit der 17 jährigen Catherine weg von Ladur. Seit heute lebte ich mit ihr in einer kleinen, hübschen Stadt namens Zutrey.
Ich konnte mich wieder daran erinnern, an meine Flucht vor nicht allzu langer Zeit. Ich hatte erfolgreich die beiden Officer Brooks und Johnson getötet und ihre Leichen lagen jetzt tief in einem See.
Ich grinste. Meine Vergangenheit. Mein dunkelstes Geheimnis. Sie suchten eine Anne Jones die schwarzes, langes Haar und blaue Augen hatte. Meine Haare pastell blau zu färben und schwarze Kontaktlinsen zu tragen war eine gar nicht so schlechte Idee. So würde es den Bullen schwerer fallen mich zu finden. Sie würden mich niemals kriegen.
Zu Hause angekommen fuhr ich die gepflasterte Einfahrt hinauf zu unserem kleinen Heim.
Unsere Wohnung war nicht allzu riesig aber man konnte darin gut leben. Eine kleine Küche, ein mit Möbel eingerichtetes Wohnzimmer sowie eine Terrasse mit einem Blumengarten genügten mir vollkommen. Im ersten Stock war das Badezimmer sowie das Zimmer von Catherine als auch mein eigenes. Als ich langsam die Holztreppen, die bei jedem Schritt den ich machte einen knarrenden Laut von sich gaben, hinauf stieg, hörte ich von der geschlossenen Zimmertür meiner kleinen Schwester aus sehr lautes, tiefes Gebrüll, Drum Beats und E-Gitarren Sound. Heavy Metal. Ich hämmerte an ihrer Tür. Der Klang von Schlüsseln und Türriegeln ertönte und ein Mädchen mit rabenschwarzen Haaren, schwarz umrandeten Augen, und lauter Piercings am Mund-, Nasenbereich riss die Tür auf. Ihre beiden Hände hatte sie zu Fäusten geballt und ihre Miene verzog sich zu einem missgelaunten Ausdruck als sie mich erblickte. Die grauenvolle Musik, die in meinen Ohren dröhnte und mir Kopfschmerzen bereitete, verstummte jedoch nicht. "Was ist, du blöde Kuh?", fuhr sie mich mit einem mürrischen Ton an. "Siehst du nicht das ich beschäftigt bin?"
Ich wollte gerade den Mund auf machen um ihr zu sagen, dass sie die Musik ein wenig reduzieren sollte, doch mit einem wütenden "Halt die Klappe" knallte sie ihre mit Postern von Rock- und Metal Bands dekorierte Zimmertür wieder zu und drehte die Musik noch lauter als vorhin. Ich stieß einen langen Seufzer aus. Dieser Teenager war unerträglich.
Spätabends ging Catherine mit drei Freunden weg. "Wir chillen nur ein bisschen draussen.", hatte sie gesagt. Sie war ganz in Schwarz gekleidet. Sie trug ein schwarzes Oberteil, eine schwarze Lederjacke mit Nieten, schwarze, zerrissene Leggins und ihre schwarzen stiefeln. Ihre Augen waren wie immer schwarz umrandet und ihre Augen leuchteten so wie eine Ampel. Wenn es sowas wie blaue Ampeln überhaupt gab. Sie warf ihre schwarze Umhängetasche über die rechte Schulter und eilte mit schnellen Schritten hinaus. Von einem Fenster aus konnte ich ein weisses Auto am Strassenrand vor unserem Haus parkieren sehen. Aufeinmal hupte jemand. Ich beobachtete wie Catherine die Beifahrertür aufstieß und einstieg. Der Motor brummte laut auf, durchbrach so die Stille der Nacht und fuhr weg.
Eine Stunde lang saß ich auf der Couch im Wohnzimmer, hatte den Fernseher noch immer eingeschaltet und wechselte gelangweilt von einem Kanal zum anderen. Als ich genug vom herumsitzen hatte, beschloss ich ebenfalls irgendwo hinzufahren. Ein bisschen durch die Stadt cruisen konnte doch nicht schaden oder? Ich holte sogleich meinen Autoschlüssel den ich auf dem Küchentisch liegen gelassen hatte und stieg in mein Auto ein.
Ich fuhr eine Weile umher bis ich an einer Abzweigung kam die zur Autobahn führte. Ich nahm die Abzweigung und befand mich dann auf der leeren Autobahn. Es war wirklich unheimlich. Kein Auto war weit und breit zu sehen. Und zu dieser Uhrzeit ziemlich seltsam. Ich fuhr trotzdem weiter und beschleunigte mein Tempo ein wenig. Niemand in Sicht also konnte ich ein wenig Gas geben oder nicht?
Von 100- fuhr ich auf 160 Stundenkilometer. Ich drückte das Gaspedal voll durch. Der starke Wind der durch das offene Fenster ins Wageninnere durchdrang, blies mir meine Haare ins Gesicht. Ein wunderbares Gefühl die frische Nachtluft zu spüren. Ich schloss für einen Moment die Augen, als ein schriller Schrei ertönte. Ich sog scharf die Luft ein und drückte auf die Bremse. Ich wurde nach vorne geschleudert. Was war geschehen? Ich blickte auf.
Für einen Augenblick hatte ich das Gefühl das mein Herz still geblieben war. Ich atmete stossweise. Meine Augen weiteten sich und meine Körpertemperatur stieg. Jemand stand wenige Meter vor mir auf der Menschenleeren Autobahn. Das schwache, gelbliche Licht der Scheinwerfer schien genau auf das Gesicht der Person. Mit einem Schrecken erkannte ich wer diese Person war. Es war Stella. Das Herzklopfen kehrte wieder zurück und wie verrückt hämmerte mein Herz in meiner Brust. Es schien fast herausspringen. Ihre Kleidung war mit Dreck übersät. Ihre Haare waren zerzaust und lagen ihr wirr im Gesicht. Blut quoll ihre eine Gesichtshälfte herab. Sie hatte ein psychopathisches Grinsen auf dem Gesicht, das jedem eine Gänsehaut bereitet hätte. Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Ich empfand nur noch einen harten Schlag an meinem Hinterkopf. Gleich darauf wurde alles schwarz vor meinen Augen.