Entscheidungen

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Gegensätzliche konnten das heutige Wetter und die Stimmung der jungen Frau nicht sein. Die Sonne schien hell und fröhlich durch die Gegend, erwärmte die Erde und leutete den bevorstehenden Sommer ein. Wie widersprüchlich für sie. Sie stand verzweifelt auf der Brücke, ans Geländer gelehnt und starrte auf die zahlreichen Gleise unter ihr. Die letzten Minuten spielten sich in ihrem Kopf ab, wiederholten sich wieder und wieder.
Eine Routineuntersuchung war es gewesen, die ihr jetzt, vollkommen unerwartet, nach zahlreichen weiterführenden Untersuchungen den Boden unter den Füßen wegzog.
Sie wusste nicht mehr ein, noch aus. Nicht mehr wie sie voran kommen sollte, noch wie sie in diesem Moment bestehen konnte. Die Gefühle überrollten sie.
Sie war wütend, auf Ärzte, auf sich selbst. Man hätte schon viel früher genauer untersuchen müssen, dann hätte man noch Entscheidungen treffen können. Heute, jetzt, war die Wahl schon vergangen und verloren. Sie verstand auch nicht den Grund. Warum denn sie? Warum ausgerechnet sie? War sie nicht schon mit genug Problemen behaftet? Musste das nun wirklich noch sein?
Und sie war traurig, tief traurig. Sie hatte etwas verloren, was für andere selbstverständlich war. Sie hatte etwas verloren, es wirklich vorher als "Reichtum" wahrgenommen zu haben.
Sie war überfordert mit sich, mit der Diagnose und mit ihrem Leben.
Mit den Tränen in den Augen schüttelte sie leicht ihren Kopf. Das war doch nicht sie. Sie war doch ein Mensch, der nicht aufgab, der jeden steinigen Weg ging.
Leicht stieß sie sich vom Geländer ab und ging ihres Weges. Sie hatte entschieden, für sich und ihr Leben. Für den Momente und die nächsten Monate gegen die Gefühle, die sie aufgeben lassen wollten.

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