Emotionen

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"Hast du mir irgendwas zu sagen?" fragte der Sozialarbeiter mit dem häßlichem Brillengestell auf der Nase und der schwarzen Halbglatze.

"Nur das es mir nicht leid tut. Falls sie das hören wollen."

"Ist das denn so?"

Allison verdrehte die Augen. "Woher soll ich denn wissen, ob sie von mir eine Entschuldigung hören wollen?"

"Das ist nicht das, was ich meinte. Ich will wissen, ob es dir denn wirklich nicht leid tut."

"Ja,Sir." sagte sie und lächelte. "Es tut mir wirklich nicht leid. Darf ich jetzt gehen?"

"Es kommt ganz darauf an wohin, junge Dame. Ob zum Unterricht oder Nachhause."

"Wohin darf ich denn gehen?" zischte Allison und guckte wie eine Katze die gerade ihre Beute entdeckt hatte.

"Nachhause. Du darfst Nachhause gehen."

Der Sozialarbeiter sah sie an, als ob er eine Umarmung oder sowas erwartete. Sie stand auf und ging zur Tür. "Auf Wiedersehen."rief er ihr noch hinterher, aber sie murmelte nur ein "Hoffentlich nicht." und ging über den Schulhof raus zur Straßenbahn.

Wie konnten Erwachsene nur immer glauben, dass einem immer alles leid tat?

'Wir können ja mal Cedric fragen, ob es ihm leid tut. Bin gespannt.'

So gut e sging versuchte sie die Bemerkung der nervigen Stimme zu ignorieren. Aber es war schwierig die Erwähnung von jemanden zu ignorieren,dessen bloße Existenz dein ganzen Leben durch einander gebracht hatte. Also holte sie eine Zigarette heraus und zündete sie gerade an, als sie aus der Bahn stieg.

Da Allison keinerlei Lust hatte, nach Hause zu gehen und ein "ehrliches Gespräch" mit ihrer Mutter darüber zu führen, wie es jetzt weiter gehen sollte und warum sie sich so verhielt, setzte sie sichauf eine der vielen blauen Bänke, die vor ihrem Haus standen und las, mit der Zigarette in der einen Hand und dem Buch in der anderen. Eine Geschichte über eine Welt mit sprechenden Löwen, fliegenden Pferden und roten Phoenixen.

Nie würde sie irgendjemanden erzählen, dass sie noch Kinderbücher las. Nicht so wie ihre Mutter, der es nicht mal ansatzweise peinlich war, dass ihr Lieblingsbuch immer noch Peter Pan war.

Die Geschichte von der vier Kindern, die eine geheimnisvolle Welt hintereinem Schrank fanden und dort wundersame Abenteuer erlebten, war eine weitere von ihren Drogen.

Als ihr Vater ihr das Buch früher vorgelesen hatte, hatte Allison mehr als einmal in ihrem Schrank nachgesehen, ob sich dort nicht vielleicht König Aslan und sprechende Bieber befanden. Leider taten sie es nie.

Aber so wardas immer. Wenn die Eltern nicht nett waren, kam keine Marry Poppins. An deinem elften Geburtstag kam kein Brief aus Hogwarts und Wunderland existierte auch nicht. Ganz zu schweigen vom Nimmerland.

"Bist du nicht noch ein bisschen jung, um zu rauchen?" Sie sah auf und sah eine alte Dame, welche sich neben sie gesetzt hatte und sie mit großen Augen ansah. Sie hatte dickes gelocktes Haar, welches gepflegt ihre Schultern hinunter glitt. Ihre Lippen waren in einem tiefen rot geschminkt und um ihren Hals hing eine weiße Perlenkette,die Allison an die von Mara erinnerte.

"Wie man's nimmt, Miss." meinte sie und klappte ihr Buch zu.

"Oh oh,nenn mich doch bitte Annie, Liebes."

"Okay in Ordnung... Annie."

Sie war verwirrt über die Freundlichkeit der alten Frau und zog erneut andem Glimmstümmel.

"Was sagt denn deine Mutter dazu?"

Sie sah denin Himmel und versuchte Annies Frage zu ignorieren. Genau, was würdeihre Mutter dazu sagen? Wahrscheinlich würde es sie noch trauriger machen... und enttäuschter.

Kind of TwistedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt