Kapitel 4.. leichte Zeit?

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Der Tag verging schleppend. In der ersten Stunde hatte ich Informatik und Veranstaltungstechnik, darauf folgte eine Doppelstunde Sport und eine Stunde Ethik.
Als endlich die Klingel zum Schulschluss ertönte war ich erleichtert. Ich verabschiedete mich von den Mädchen und ging auf den schnellesten Weg nach Hause. Ich wollte alleine sein, ohne jegilche Gesellschaft.
Beim Aufschließen der Haustür kam mir ein leichter Geruch von Fleisch entgegen. Es schien als hätte Ingrid einen Rostbraten gemacht, um zu erreichen, dass die Familie mehr beisammen ist.
Ich mochte Ingrid sehr. Sie hatte mich seit meinem siebten Lebensjahr aufgezogen, nachdem meine Mutter meinen Vater, Stefen, verließ. Sie hatte große Pläne für meinen Bruder und mich. Es war ihre Idee aus mir ein weltbekanntes Model und aus meinem Bruder einen profesionellen Basketballspieler zu machen. Dies gefiel meinem Vater überhaupt nicht und das führte oft zu Streit und letztenendes zur Trennung der beiden. Meine "Mutter" verließ dann, angeblich, die Stadt mit einem anderen Mann, während mein Vater für mich und meinen Bruder sorgen musste. Ungefähr drei Jahre später fing er an seine damalige Arbeitskollegin zu lieben, sie gingen regelmäßig miteinander aus und sie war oft bei uns. Schon früh nahm sie die Rolle der Mutter für mich ein, auch wenn sie und mein Vater nicht heiraten wollten.
Zu meiner leiblichen Mutter habe ich nie Kontakt gehabt nach der Trennung.
Das störte mich aber recht wenig, um ehrlich zu sein.
Ingrid kochte schon immer die besten Gerichte und es schmeckte alles was sie in der Küche zauberte.
Ich hörte wie sie die Treppe in ihren "Zuhause- Outfit" runterkam. Es bestand aus einer Jogginghose und einem Shirt meines Vaters. Eine Wolljacke hatte sie gegen die Kälte übergeworfen. Als sie mich im Türbereich stehen sah lächelte sie nur und deckte den Tisch mit Tellern und Besteck.
Ich ließ Schuhe und Jacke im Eingangsbereich stehen, trug meine Tasche in die Küche, wo ich dann meine Trinkflasche und Brotbückse in die Spüle stellte. Ingrid setzte sich und klopfte mit der flachen Hand leicht auf den Tisch, um mir so zu signalisieren, dass ich mich neben sie setzten solle. Das tat ich auch. Sie legte meine Hand in ihre und streichelte leicht mit ihrem Daumen über die Handaußenfläche. Es kribbelte in meinem Körper. Ich mochte es nicht, wenn Leute das bei mir taten. Es war ein ungewöhnliches und unangenehmes Gefühl, fand ich. Sie hörte auf zu streicheln und schloss meine Hand dann zwischen ihren ein. Sie öffnete den Mund, um etwas, das ihr auf der Seele lag, loszuwerden. Doch bevor sie nur ein Wort rausbrachte verstumte sie wieder und so saßen wir beide da, schweigend, den Braten in der Nase und mit niedergelassenen Blick.
Meine Gedanken verschwimmten. Mir ging so viel durch den Kopf und doch konnte ich keinen der Gedanken für längere Zeit bei mir behalten. Die Gedanken überschlugen sich förmlich in mir. Mein Kopf begann zu schmerzen und so löste ich meine Hand aus der von Ingrid. Damit riss ich sie aus ihren Gedanken, in die sie sehr vertieft sein musste, denn sie erschreckte sich sehr über meine Tat. Ich stand auf, nahm mir ein Glas aus dem Schrank und goss mir kaltes Leitungswasser ein. Nach einigen Schlucken setzte ich mich wieder zu Ingrid an den Tisch und da bemerkte ich, wie mitgenommen sie war. Ihre Augen mit Tränen gefüllt und der Atem war flach. Ihr Blick fiel ins leere. Markus, mein Bruder, war zwar nicht ihr eigener Sohn, aber sie hatte ihn immer wie ihren behandelt und geliebt. Ich legte meine Hand sanft auf ihre Schulter und sie zog mich in ihren Arm. Normalerweise konnte ich es überhauptnicht leiden, wenn jemand mit mir kuscheln wollte, aber heute hattebich das Gefühl, das es mir gut tat. So erwiederte ich ihre Umarmung.

Nach dem Essen beschloss ich noch ein paar Dinge für die Schule zu machen, um am restlichen Wochenende nicht ganz so viel machen zu müssen und mehr Zeit hätte, um einfach nichts zu tun. In meinem Zimmer setzte ich mich an den Schreibtisch und schlug mein Geschichtsbuch auf. Mein Blick fuhr nur für einen Moment über das Bild von Markus und mir, welchen im Urlaub in Athen gemacht wurde, und schon spürte ich das Gefühl von Trauer und Einsamkeit. Die Gewissheit ihn nie wieder zu sehen, war mit einem Mal so präsent in meinem Kopf. Meine Augen schwollen an und ich spürte die Wärme, als eine Träne über meine Wange rollte und auf eine Seite in meinem Buches fiel. Ich versuchte mich zu fangen, den Gedanken zu verdrängen, mich einfach auf das Wichtige zu konzentrieren. Es gelang mir nicht, meinen Augen füllten sich mehr mit Tränen und mein Kopf raste nur so. Ich nahm meine Hände vom Buch und sah verschwommen wie meine Hand zitterte. Mein Kopf schmertzte und ich sah schwarze Punkte vor meinen Augen. Beim Versuch aufzustehen und zu meinem Bett zu gelangen, sah ich mit Sicherheit aus, wie ein betrunkener Typ. Wo ich meine weiche Wolldecke, die ich immer als Tagesdecke nutzte, unter meinen Händen und Knien spürte, war ich erleichtert. Ich legte mich, so gut es ging, bequem hin und schloss langsam und ruhig meine Augen. Alles was mir durch den Kopf ging ignorierte ich bestmöglich. So schlief ich nach wenigen Minuten ein und versang im Tiefschlaf in die schönsten Träume.

Eine Blumenwiese im schönsten Sonnenschein mit Pusteblumen, Gänseblümchen und vielen weiteren bezaubernden Pflanzen, deren Name ich nicht kannte. Als ich runter sah, waren da meine nackten Füße im grünen Gras, es war weich. Ein schönes Gefühl, fand ich. Ein Ruf ließ mich aufschrecken. Es war eine Person im hellen Licht so dass ich das Gesicht nicht erkennen konnte. Das einzige was ich sagen könnte, wäre, dass es ein Junge oder ein Mann gewesen sein müsste. Zumindest ließen seine breiten Schultern und die größere Statur darauf hinweisen. Er zeigte auf mich, wies mich an zu sich zu kommen. Neugierig wie ich war tat ich es. Meine Füße strichen über das, vom Tau, feuchte Gras. Dieses Gefühl, wenn die zarten Halme über die Sohle meines Fußes kitzelten und mir dabei ein Lächeln über die Lippen haschte, ich fühlte mich so befreit von allem.

Der Wecker klingelte, beim Blick auf die Uhr strahlten mir die Zahlen "6.38" ins Gesicht. Ich legte meinen Kopf nach hinten in das Kissen und schloss die Augen. Ich fühlte mich besser als am Abend zuvor. Das ich manchmal aufgewacht war, weil ich durch das Weinen keine Luft mehr bekam, will ich ungeachtet lassen, auch wenn ich beim Blick in den Spiegel sah, dass selbst ein Blinder es bemerkt hätte. Um meine angeschwollenen Augen und die dicken, dunklen Augenringe unter ihnen zu kaschieren, schminkte ich mich etwas mit Abdeckstift und Blush, um ein bisschen frischer auszusehen, als ich eigentlich war. Dass ich das Haus heute nicht verlassen wollte interessierte mich dabei wenig.

Nachdem ich mit meinen Eltern gefrühstückt hatte, verschwand ich in meinem Zimmer zum lernen.
Es verging einige Zeit bis ich das zweite Mal an diesem Tag auf die Uhr sah. Die Uhrzeit betrug mittlerweile "12.45" und ich hatte nicht einmal Pause gemacht. Ich schloss meine Bücher, machte die Schreibtischlampe aus und beschloss für den Tag aufzuhören. Ich ging in meiner grauen, etwas zu großen Jogginghose und meinem engen, rosa Top nach unten ins Wohnzimmer, um etwas Fernsehen zu schauen. Ich sippte mit der Fernbedienung durch einige Sender bis ich zu einem der vielen Nachrichtensender kam, die mein Vater so gern abends schaute.
In eine Fließdecke eingepackt, mit warmen Kamillentee in der Hand und einem Kissen am Kopf ließ ich die Dummheit des Programms einfach über mich prasseln, ohne jegliche Info zur Kenntnis zu nehmen. Mein Handy, welches auf dem ovalförmigen Holztisch vor dem Sofa lag, vibrierte einmal kurz. Eine Nachricht hatte ich anscheinend bekommen und so versuchte ich, mit möglichst kleinen Bewegungen nach meinem Handy zu greifen. Ohne dabei die Bequemlichkeit meiner Position zu verlieren.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 12, 2017 ⏰

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