Es stürmte und tobte. Blitze erhellten die finstere Nacht. Der Wind schrie in die Welt hinein. Jedes Tier, das genug Verstand besaß, versteckte sich und wartete nervös auf das Ende. Menschen versteckten sich in ihren Häusern und wünschten sich, dass es bald aufhören sollte. Doch es nahm kein Ende. Von Minute zu Minute wurde der Sturm kräftiger, als würde er von einer geheimen Quelle Kraft schöpfen. Die Erde bebte. Felsspalten öffneten sich und verschlangen alles in ihrer Umgebung. Doch der Sturm kam nicht einfach so, nein, er hatte einen bestimmten Grund. Er sollte eine schlafende Kreatur wecken, die seit Jahrtausenden schläft. Irgendjemand hat den Sturm gerufen um das Werk zu vollenden. Denn in einer alten Legende stand, dass die schlafende Kreatur nur seinen Augen öffnet, wenn die Erde bebt, wenn die Nacht zum Tage wird und wenn der Wind die Kontrolle über sich selbst verliert. Erst dann wird sie erwachen und ein neues Zeitalter beginnt. Wer die Kreatur erweckt, wird sie beherrschen und sie wird alles tun was man ihr aufträgt. Ja, so hieß die Legende, doch keiner wusste, dass diese Legende nicht ganz der Wahrheit entsprach. Denn diese Legende wurde von der schlafenden Kreatur selbst geschaffen um sich so zu schützen. Plötzlich öffneten sich zwei rote glühende Augen unter der Erde. Die Kreatur wurde geweckt. Auf der ganzen Welt wurde es mucksmäuschenstill. Selbst der Wind erstarrte in seiner Bewegung. Derjenige, der das Wesen erweckt hat, lachte vergnügt, denn nun dachte er, er könne es beherrschen um die Welt zu erobern.
Weit, weit entfernt vom Erwachen der Kreatur wachte ich auf. Wie so oft bin ich auf der Wiese eingeschlafen und habe alles um mich herum vergessen, doch etwas hat mich in meiner Ruhe gestört. Verwirrt blickte ich mit meinen braunen Augen in den Himmel. „Nein, das war es nicht, dass mich geweckt hat. Es war eher als würde etwas schreien, doch weit entfernt," flüsterte ich zu mir selbst. Durch meine Wortwahl erschreckte ich mich. Wer würde hier schreien? Verwirrter schüttelte ich meinen Kopf um endlich wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Aber eines wusste ich mit Bestimmtheit: Hier stimmte etwas nicht. Mein Körper reagierte panisch auf etwas, doch auf was? Alles in mir schrie auf, als würde gleich aus dem Gebüsch ein wildes Tier herausspringen um mich zu fressen. Als der Gedanke auf mich zuströmte erfasste der Wind meine roten Haare. Es sah so aus als wolle er mir was zeigen. Sein Zerren wurde langsam unerträglich. Was ist hier los? Mein Blick ging zur Sonne und was ich sah gefror mir das Blut zu Eis. Die Sonne war verschwunden! Aber wie kann das sein? Wieso habe ich nichts bemerkt?! Meine Augen schweiften zu meinen Händen. Das Gras war vertrocknet, der Boden aufgebrochen, als hätte er lange Zeit kein Wasser bekommen. Nun trat Panik in mir auf. „Ich war doch auf einer Wiese," schrie ich fast hysterisch. Alles um mich herum hatte sich verändert. Selbst die Luft. Sie roch nicht mehr nach Blumen oder Leben, nein, es war der Geruch des Todes. Mein Magen fing an zu rebellieren und das konnte ich ihm nicht übelnehmen. Mein gesunder Menschenverstand versuchte eine Lösung zu finden und die Einzige, die er fand, war dass ich nun verrückt geworden bin. Ein Lachen drang in meine Ohren und mit Entsetzen stellte ich fest, dass es meine eigene Stimme war! Ich bin verrückt geworden! Tränen spiegelten sich in meinen Augen wider und Trauer füllte mein Herz. Ich sank auf den Boden und hämmerte wie wild darauf. „Ich will zurück! Ich will nicht verrückt werden! Dies alles kann nicht wahr sein! Ich möchte nur eine logische Erklärung dafür was mit mir passiert! Bitte!" schrie ich zum Himmel, der immer bedrohlicher wurde. Das Atmen fiel mir schwer und meine Lungen brannten, als würde sich dort ein Feuer ausbreiten. Solche Schmerzen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht durchgemacht. Plötzlich zuckte ich erschreckt zusammen. Ein Schrei! Wieder dieser Schrei! Genau der Gleiche, der mich aus dem Schlaf gerissen hat und mich zu diesem Ort brachte! „Wo bist du? Was willst du von mir?" fragte ich in alle Richtungen. Der Schrei verstummte, als hätte er mich gehört. Keine Antwort. Nur die Stille. Doch dann bebte die Erde und der Himmel färbte sich tiefrot, als würde er bluten. Ich konnte mich kaum auf den Füßen halten, als ich versuchte aufzustehen. Nun wusste ich mit Gewissheit, dass jemand hier war und mich verstand. „Wieso rufst du mich?" flüsterte eine männliche Stimme zu mir. Die Stimme war so nahe, dass ich den Atem von ihm auf der Haut spüren konnte. Verwirrt fragte ich: „Was soll das? Ich habe niemanden gerufen. Wieso haben Sie mich hierhergebracht?" Etwas drückte mich auf den Boden. Ich konnte nicht dagegen kämpfen und als ich es versuchte lachte er auf. Soll das ein blöder Scherz sein, oder was? Meine Furcht wurde immer größer und er roch es. „Du fürchtest mich." Das war keine Frage, sondern eine Feststellung und deshalb antwortete ich ihm nicht. „Du hast Angst vor mir und trotzdem hast du mich gerufen. Warum?" - „Verdammt noch mal, ich habe Sie nicht gerufen. Warum sollte ich dies tun? Ich kenne Sie nicht einmal, also verraten Sie mir den Grund warum Sie auf die schwachsinnige Idee kommen, dass ich Sie gerufen hätte?" Es schien so als würde er nachdenken. „Weil ich deine Nähe gespürt habe, als ich aufgewacht bin. Nur du kannst in Frage kommen." Nun war ich noch verwirrter als zuvor. Was meinte er damit? „Ich verstehe nicht. Ich habe auf einer Wiese geschlafen und kann unmöglich bei ihnen gewesen sein. Wieso reden Sie so einen Blödsinn?! Schicken Sie mich zurück, dort wo ich hingehöre!" Wieder dieses Schweigen, dass an meinen Nerven zerrte. Ein Blitz schlug direkt neben mir ein. Ein Schrei rang sich durch meine Kehle. Wahrscheinlich war er sauer und genau das zeigte er mir. Donner ertönte über meinem Kopf. Verzweifelt rang ich nach Atem, denn so ein Schauspiel habe ich noch nie gesehen. Als würde die Natur verrücktspielen. Sie gehorchte nur ihm. Der Wind peitschte mir ins Gesicht. Ich zuckte zusammen und berührte sachte meine Wange. Genau dort schmerzte und brannte es. Blut floss von einer kleinen Wunde heraus. Der Wind erstarrte, der Donner wurde leise und die Erde blieb still. Er berührte mich sachte an der unverletzten Wange. „Verzeih mir. Schon zu lange habe ich geschlafen und kann meine Kraft noch nicht kontrollieren. Ich wusste nicht mehr, dass ihr Menschen so verletzlich seid." Tränen des Schmerzes traten mir in die Augen. Krampfhaft versuchte ich sie zurückzudrängen, aber schaffte es nicht. Dieser Schmerz an meiner Wange verbreitete sich wie eine Feuerflut durch meinen ganzen Körper. Was soll das? Es ist doch nur eine kleine Wunde. Wieso schmerzt es so stark, als wäre es eine größere Wunde? Er fühlte meinen Schmerz und er bekam Schuldgefühle. „Ich werde dich zurückbringen, dort wo du hergekommen bist," sprach er sanft. Es war klar, warum er so plötzlich einen Sinneswandel bekam. Ich nickte nur schwach und war damit einverstanden. „Doch bevor du gehst, bitte, verrate mir deinen Namen." Wenn das alles ist, nur damit ich endlich gehen konnte erfüllte ich seine Bitte unverzüglich. „Mein Name lautet Michell." - „Danke und bitte verzeih mir, Michell." Ein breites Grinsen machte sich auf meinem Mund breit als ich wieder die Sonne erblicken konnte. Das Gras war wieder grün und saftig. Erleichtert atmete ich die tiefe reine Luft ein. Ja, ich war wieder auf der Wiese. Ich konnte es mir kaum unterdrücken und hüpfte vor Freude in die Luft. Ich bin wieder da! Wenn mich jetzt jemand gesehen hätte, würde glauben, dass dort ein verrücktes Mädchen sei. Aber das war mir egal was jemand von mir dachte. Ich war einfach zu glücklich. Dann meldete sich wieder mein Verstand. Vielleicht war das nur ein Alptraum. Ja, das könnte es sein. Doch als ich meine Wange berührte wusste ich sofort, dass dies kein Traum war. Denn dort war eine Narbe, die ich genau unter meinen Fingern spüren konnte. „Wer bist du?" flüsterte ich in den Wind hinein. Aber auf diese Frage gab mir keiner eine Antwort. Es war nur das Flüstern des Windes. Unsicher lief ich nach Hause, doch die Begegnung brannte sich in mein Gehirn fest.
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Die Erweckung
FantasyEin uraltes, mächtiges Wesen wird aus seinem Schlaf erweckt um die Herrschaft seiner Macht zu erlangen. Doch so schnell gibt das Wesen seine Macht nicht her und sucht nach dem Schuldigen, der es gewagt hat, ihn aus seinem Schlaf zu erwecken. Auf de...