Lay down your arms...

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Das Lied 21 Guns oben vermittelt eine unglaublich schöne Stimmung mit der ich den Oneshot teilweise geschrieben habe. Es ist eines der besten Lieder die ich je gehört habe, wenn ihr wollt könnt ihr es dazu anmachen oder mal reinhören ^^


Tief atme ich ein und aus. Der Wind hier oben zerzaust meine ohnehin schon verwuschelten, blonden Haare und lässt mich zittern. Für Oktober ist es schon ziemlich kalt. Ich blicke über die Stadt, die mit zunehmender Dunkelheit immer heller erleuchtet. Hier und da sieht man rote und gelbe Bäume zwischen den vielen Hochhäusern. Es ist ein schöner Herbsttag gewesen und eine klare Nacht wird jetzt folgen. Ich setze meine Kopfhörer auf ziehe mir meine Kapuze über den Kopf. Schon lange habe ich den Blick für diese Schönheit der Natur verloren.

Heute Morgen bin ich aufgewacht und wusste sofort, dass sich etwas verändern würde. Etwas Schwerwiegendes. Dann habe ich die Nachricht meines besten Freunds Micha oder Zombey, wie ich ihn immer nenne. gelesen und mir ist langsam klar geworden, was sich ändern wird. Hab heut n Date mit dem süßen Girl von letztens. Das hat mir den letzten Stoß gegeben. Ich habe mich schon vor ein paar Monaten in Micha verliebt und könnte es nicht ertragen zu sehen wie er mit jemandem anders zusammen ist. Deshalb habe ich beschlossen, meinem ohnehin schon miesen Leben ein Ende zu setzen. Deshalb stehe ich hier oben.

Es fängt an leicht zu tröpfeln. Wie passend. Ich steige auf die niedrige Außenmauer des Flachdachs und lasse meine Beine über dem Abgrund baumeln. Meine Gedanken schweifen zu den Anfängen meines Leidens zurück. Vor einem Jahr ist mein Vater bei einem Autounfall schwer verletzt worden und ich musste im Krankenhaus zusehen, wie er starb. Danach hat meine Mutter wochenlang nicht geredet, sodass ich mich um meine drei kleineren Geschwister kümmern musste. Dazu kam, dass ich damals keine Freunde hatte, mit denen ich darüber sprechen konnte. Das alles hat mich in ein tiefes, dunkles Loch gerissen, aus dem ich ohne Hilfe nicht mehr heraus gekommen wäre.

Ich weiß nicht mehr wie ich es geschafft habe, aber irgendwann war ich bei einer Jugendtrauergruppe angemeldet. Dort konnte man reden wenn man wollte, aber auch einfach nur gemeinsam mit anderen etwas unternehmen. Es hat sehr geholfen, mit anderen offen über meine Problem zu sprechen und auch wirklich ernst genommen zu werden. Nach drei Wochen in der Gruppe kam Micha dazu. Er war anfangs sehr still, hat sich nie groß beteiligt. Einmal, nach der Gruppenstunde hat er mich angesprochen, wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Daraus ist eine feste Freundschaft entstanden, wir haben immer alles zusammen gemacht und uns jeden Tag getroffen. Mit der Zeit hab ich dann gemerkt, dass er mir wichtiger war als ein bester Freund. Das meine Gefühle für ihn mehr waren, als Freundschaft. Ich war tatsächlich so dumm und habe mich in meinen besten Freund verliebt. Wir haben oft über Liebe gesprochen, aber ich hab nie erwähnt, dass ich schwul bin. Ich hatte Angst, dass ich diese Freundschaft, die mir wirklich alles bedeutet, verlieren würde, wenn ich es sage. Er hat mir gegenüber auch nichts über seine Sexualität erwähnt, ich weiß aber, dass er eine Freundin hatte, daher gehe ich davon aus, dass er hetero ist. Diese Tatsache, dass ich nie mit ihm zusammen sein werde, hat die Depressionen zurückgerufen.

Erneut atme ich tief ein und aus. Mittlerweile ist es fast komplett dunkel, nur unten auf den Straßen schimmert das Licht. Ich nehme mein Handy aus der Tasche und suche nach einem passenden letzten Lied. Letztendlich entscheide ich mich für 21 Guns, das gemeinsame Lieblingslied von Micha und mir. Ich möchte meine letzten Gedanken ganz ihm widmen. In den letzten Monaten habe ich jede Sekunde mit ihm genossen, gleichzeitig bin ich aber immer tiefer in die Dunkelheit gefallen. Es ihm zu sagen kam auch nicht in Frage, zu groß war meine Angst, dass er mich dann hasste. Ich konnte es einfach nicht riskieren, lieber zerbrach ich daran, als ihn zu verlieren.

Ich schließe meine Augen. Das Lied ist fast zu Ende, nach dem letzten Ton werde ich springen. Ein letztes Mal vollkommene Freiheit spüren und danach endlich von meinen Leiden befreit sein. Vor meinem inneren Auge sehe ich Micha. Seine braunen Harre, seine strahlend blauen Augen. Das verschmitzte Grinsen das er immer drauf hatte. Ich liebe dieses Lächeln und wünsche mir, es noch einmal zu sehen. Aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.



Mit schnellen Schritten gehe ich durch die Stadt, angestrengt darauf bedacht, niemandem in die Augen zu sehen. Mein Ziel sind die Zwillingswolkenkratzer in der Stadtmitte, die nur durch eine schmale Straße getrennt werden. Der heutige Tag ist alles andere als gut verlaufen. Ich dachte, ich könnte mich mit einem Date ablenken und vielleicht endlich von Maudado loskommen. Aber nach dem Treffen ist mir endgültig klar geworden, dass ich nie ohne ihn werde leben können. Vor ein paar Monaten hab ich mich in meinen besten Freund verliebt. Einfach so. Und jetzt weiß ich warum. Niemand wird mir dieses Gefühl der Geborgenheit und des Verständnisses so geben können wie mein kleiner Maudado. Das Mädchen vom Date tut mir auch echt leid, sie ist schon ganz süß, aber nichts kommt an meinen besten Freund heran. Ich seufze. Wie kann man nur so dumm sein und sich in eine unerreichbare Person verlieben? Wir haben zusammen die dunkelste Zeit unseres Lebens durchgestanden, und das hat uns unglaublich eng zusammengeschweißt. Kennengelernt haben wir uns bei einer Trauergruppe, ich war dort angemeldet, weil meine ältere Schwester an Krebs gestorben ist und mein Dad daraufhin angefangen hat, zu trinken. Meine Mum konnte nichts gegen seine Wutausbrüche tun, er hat mich so unzählige Male geschlagen und misshandelt. Ich bin von einer Dunkelheit verschluckt worden, gegen die auch meine damaligen Freunde nichts tun konnten und nach einiger Zeit haben sie sich von mir abgewandt. In Maudado hab ich einen Hoffnungsfunken gefunden und irgendwie haben wir es geschafft, gemeinsam der Dunkelheit zu entfliehen. Leider habe ich danach gemerkt, wie abhängig ich von ihm geworden bin und erkannt, dass ich ihn liebe. Wirklich liebe und brauche. Aber da ich ihn niemals haben kann, hat die Dunkelheit angefangen, mich von innen zu zerfressen.

Endlich bin ich angekommen. Die Hochhäuser sind perfekt, man hat einen tollen Ausblick von da oben. Ich war schon einmal an diesem Punkt, damals hatte ich jedoch den Mut nicht gefunden, den letzten Schritt zu tun. Diesmal ist es anders. Ich bin vollkommen ruhig, da ich weiß, dass meine Erlösung nahe liegt. Die Erlösung von all dem Schmerz der letzten Wochen und der Gewissheit, nie die Liebe zu erhalten, die ich mir so sehr wünsche. Ich steige in den Aufzug und drücke den Knopf mit der 12. Langsam fahre ich nach oben und frage mich wieder, warum ausgerechnet ich dieses Schicksal erdulden muss.

Mit gesenktem Blick gehe ich auf den Rand des Flachdachs zu. Ich will den Nachthimmel nicht sehen, er hat etwas Hoffnungsvolles für mich. Mit Maudado habe ich oft stundenlang die Sterne beobachtet. Ich klettere auf die schmale Mauer und blicke nach unten. Dort ist es hell, ich werde also ins Licht fallen und die Dunkelheit damit vertreiben. Jetzt ist es soweit und meinen letzten Gedanken will ich ganz Maudado widmen. Dem Menschen, den ich über alles liebe und ohne den ich nicht leben will. Es tut mir Leid, das es so gelaufen ist, aber ich wünsche ihm ein schönes Leben ohne mich. Eigentlich wollte ich einen Abschiedsbrief schreiben, aber ich will nicht, dass er denkt, er sei schuld. Ein letztes Mal blicke ich über die Stadt, die mir so viel Leid gebracht hat. In Gedanken verabschiede ich mich von meiner Familie und meinem Maudado und rutsche langsam auf die Kante zu. Aus den Augenwinkeln nehme ich eine Bewegung auf dem Hochhaus gegenüber wahr. Ich blicke hinüber und versuche angestrengt zu erkennen, zu wem die Schemen auf der Mauer dort gehören. Er hatte hoffentlich nicht dasselbe vor wie ich. Ein starker Windstoß kommt und weht die Kapuze der Gestalt zurück. Ein blonder, verwuschelter Haarschopf kommt zum Vorschein. Nein. Das kann nicht wahr sein. Bitte, lass es nicht er sein. Tief in mir weiß ich, er ist es. Aber warum ist er hier oben?Jetzt beginnt Maudado, sich langsam immer weiter nach vorne zu bewegen...


A Zomdado StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt