... remember

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Zombey

Es ist nicht mehr viel, vielleicht 10 cm, die Maudado von seinem Tod trennen. Oder am Leben erhalten, je nachdem, wie man die Welt betrachtet. Ich kann mich nicht bewegen, keinen Finger rühren und, so komisch es auch klingt, die Welt um mich herum verläuft wie in Zeitlupe. Nur die Gefühle und Gedanken in meinem Inneren rasen mit 200 km/h. Dabei achten sie allerdings nicht auf die riesige Wand die sich vor ihnen auftürmt. In ein paar Sekunden werden sie daran zerbrechen...

Was hat ihn hier hochgezogen? War es dieses dumme Date, das ich heute hatte? Habe ich etwas falsch gemacht in letzter Zeit? So viel ich auch nachdenke, mir fällt kein Grund ein. Er war doch mein Maudado, immer fröhlich und einen Witz auf Lager.

Das traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Ich hatte nicht bemerkt wie schlecht es ihm anscheinend doch ging, ich, als einziger, dem Maudado noch vertraut hatte.

Und dann ist es vorbei.

Ich stürze nach vorne an die schmale Mauer der Terrasse auf der ich mich befinde.

Alles setzt komplett aus, denken, fühlen, handeln, der pure Instinkt übernimmt mich.

Ich sehe, wie Maudado über den Rand gleitet und dabei erleichtert den Kopf hebt, als würde eine unstemmbare Last von ihm abfallen. Er öffnet seine Augen und blickt direkt in mein Gesicht. Weiter noch, in meine Seele.

Dieser Ausdruck in seine Augen ist voll von Emotionen, Emotionen nur für mich. Er spricht mit mir ohne auch nur ein Wort von sich zu geben, doch das Schlimmste ist, dass ich ihm nicht antworten kann. Das es das letzte sein wird, das er mir je erzählen wird. Aber er erzählt von seinen Gefühlen und dem Grund, weshalb das hier gerade passiert. Ich kenne diese Gefühle, nur woher? Woher?


Maudado

Das ist, was ich mir immer unter Freiheit vorgestellt habe.

Erleichterung macht sich in meinem gesamten Körper breit und ich öffne die Augen, nur um direkt in Zombeys blaue zu sehen. Alles ist wie in Watte, die ganzen kritischen und angsterfüllten Gedanken sind nur Hintergrundgeräusche. Ich hoffe Zombey versteht, was ich ihm mit einem Blick zu sagen versuche. Wie sehr ich ihn liebe und brauche, dass er glücklich werden soll, glücklicher als er es mit mir war.


Zombey

Liebe. Maudado liebt mich.

Laute Rufe dröhnen auf einmal von unten an der Straße. Ein großes blaues Sprungpolster wird an der Stelle platziert, an der Maudado auftreffen würde. Ich zucke zusammen bei dem Gedanken, was das unausweichlich zur Folge haben würde und sperre die Vorstellung in die allerletzte Schublade meines Gedächtnisses. Das Polster wird ihn retten. Das Polster wird ihn bestimmt retten. Doch der Zweifel nagt unablässig an mir. Ich muss da runter, und zwar sofort!

Ich sprinte die Treppen hinunter wie ich noch nie gesprintet bin. Dabei kommt mir der dunkle Gedanke, dass springen vielleicht der kürzere Weg gewesen wäre. Und der Weg, der mich näher an Maudado herangebracht hätte.

„Nein! Er wird leben!", schreie ich die Wand an.


Maudado

Hatte ich mir den Aufprall schon einmal vorgestellt? Wenn ja, dann war diese Vorstellung sicher nicht so weich wie die Realität. Millisekunden später wird alles schwarz.


Zombey

„Lasst mich durch! Das ist mein Freund, lasst mich zu ihm!" Beinahe achtlos dränge ich mich an den Menschen vorbei, die sich um das Sprungtuch angesammelt haben, um zu Maudado zu kommen. Ich sehe nur Haarsträhnen und ein paar Klamottenfetzen aus dem Polster hervorragen. Bitte, er muss leben!

Zwei Paar starke Arme halten mich auf einmal davon ab, weiterzurennen, näher an Das Polster und Maudado. Ich versuche mich aus dem fast eisernen Griff herauszuwinden, doch die zwei Feuerwehrleute bleiben standhaft. „Lassen Sie mich zu ihm!", schreie ich sie an und versuche mich nun freizuschlagen. „Beruhigen Sie sich erst einmal. Wir bringen ihren Freund jetzt ins Krankenhaus, dort sehen wir weiter", informierte mich einer der beiden knapp. Ich höre endlich auf, mich zu wehren, auf einmal ganz ruhig. „Gibt es eine Möglichkeit, mitzufahren?" Er schaut mich mit einem undefinierbaren Blick an, dann nickt er langsam. „Ich glaube da lässt sich was machen."

~

Die gesamte ruckelige Fahrt über kann ich nur auf Maudados Gesicht starren. Dumpf höre ich, wie sich die Sanitäter mit lateinischen Ausdrücken beschießen, doch das alle dringt nicht zu mir hindurch.

~

Seit mittlerweile sechs Stunden sitze ich nun hier in diesem abstoßenden Krankenhausgang und starre die weiße Wand an. Einmal musste ich schon Platz wechseln, weil ich kurz davor war, das Bild an der Wand gegenüber zu zertrümmern. Inzwischen spüre ich keine Wut mehr in mir. Da ist nur noch Trauer und Trauer und Trauer und dieses beängstigende Gefühl, nicht zu wissen was mit mir passiert, wenn etwas schiefgeht. Ich habe auch mit der Selbstreflexion über möglich Gründe und eigentlich unsere gesamte Vergangenheit aufgehört. Das bringt alles nichts, Maudado muss es mir erzählen und wenn er es nicht kann...

Die Frau, die das kleine Café hier betreibt ist sehr liebenswürdig, sie hat mir einen Kaffee gemacht und mir Geschichten erzählt. Ich habe mich gefühlt wie ein kleines Kind, aber es hat gewirkt. Sie hat mir ein ganz kleines, minimales Fünkchen Hoffnung geschenkt und dafür bin ich ihr wirklich dankbar.

Ein Arzt kommt auf mich zu.

„Entschuldigen Sie, wir sind durch. Sie können gleich zu ihrem Freund." Er setzt sich auf den Stuhl neben mir. „Es tut mir Leid, aufgrund der doch relativ großen Höhe, aus der er gefallen ist, konnte das Polster nicht jegliche Verletzung verhindern. Kopf und Oberkörper sind unverletzt, doch ich fürchte das er seine Beine nicht mehr bewegen können wird." Ich hebe den Blick vom Boden. „Das heißt er wird leben?" Der Arzt wirft mir ein schmales Lächeln zu. „Ja. Er sollte jeden Moment aufwachen." Ich springe auf. „Seien sie vorsichtig, er braucht Ruhe!", ruft er mir noch hinterher.

~

Seine Augenlider flattern, dann öffnet er langsam, ganz langsam seine Augen. „Zombey... Ich liebe dich", murmelt er mit einem Lächeln. Dann fallen seine Augen wieder zu und er sinkt zurück in einen tiefen Schlaf.

Ich kann nicht sagen ob ich glücklich bin, aber ich bin unendlich froh, dass Maudado immer noch bei mir ist.

A Zomdado StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt