Sie nahm den Bericht in die Hand, schaute ein paar Mal darüber und ließ ihn dann unter einem Buch verschwinden. „Du Volltrottel, du..." sagte sie zu sich selbst, mit dem Kopf auf eine Hand gestützt.
Ein Klopfen ertönte an der Quartiertüre. „Ja?", reagierte Raven noch immer in derselben Pose. „Wie ich hörte war der General bei dir. Was wollte er?" Benjamin Tilltin, etwa im selben Alter wie Raven, kam in den Raum und setzte sich unaufgefordert zu Raven an den Tisch. „Er will mich bei der Rettungsmission dabeihaben."
Stille kehrte ein.
Nach einigen Momenten nahm Benjamin wieder das Gespräch auf, diesmal mit erhobener Stimme: „Er weiß aber schon noch, was letztes Mal passiert ist?" - „Ja, das habe ich mich auch gefragt. Ich kann mir nicht erklären, warum er mich dabei haben will." Sie stand auf, durchquerte das Zimmer und stützte sich am Waschbecken mit beiden Händen ab. Ihr Kollege erkannte die Last und Schuldgefühle, welche auf ihr lagen. „Vielleicht kann er die Situation nicht richtig einschätzen. Schließlich bist du die jenige, die das alles erlebt hat." Raven hebte den Kopf, betrachtete sich für einige Momente im Spiegel über dem Becken und deutete anschließend in Richtung des Tisches. „Die Akte unter dem Buch, ließ."
Er nahm den Bericht unter dem Buch hervor und fing an zu lesen. „Bericht der B2-X Mission..." Benjamin überflog den Anfang des Textes und sprang zu dem interessanten Teil. „Nachdem die Meteoriten von dem Shuttle, sowie von den restlichen Satelliten, mit Hilfe der Lasergeschosse ferngehalten werden konnten, gelang ein Bruchstück des Asteroiden ‚B2-346' in die Umlaufbahn von EvoliXD..."
Ben hörte auf zu lesen. „Also weiß er, dass deshalb der Satellit getroffen wurde. Und? Du kannst doch nichts dafür!" Raven drehte sich langsam zu Ben um und sah ihn mit einem zornigen Blick an. „Ben, du warst nicht dabei, hätte ich nur genauer gezielt, wäre der Asteroid niemals in die Umlaufbahn gelangt. Und dann wäre auch nicht der Satellit getroffen worden, der für die Funkverbindung der ‚RiverStorm' zuständig ist." Sie setzte sich auf ihr Bett und machte ein nachdenkliches Gesicht.
Ben legte die Akte wieder unter das Buch und stand auf. „Also, du machst dir Vorwürfe...So kenn ich dich gar nicht. Jetzt reiß dich wieder zusammen und sei der Offizier den ich kenne! Du bist kein Weichei du bist ein Soldat!" Er stellte sich neben die Tür und salutierte, mit einem kleinen Schmunzeln im Gesicht. Diese öffnet sich und Ben verschwand in den mittlerweile dunklen Korridor. „Ja, da hast du recht."
Es war ganz leise im Quartier. Kein Mucks war zu hören, nicht einmal die sonst so lauten Geräusche der Shuttles auf dem Landeplatz, der ganz in der Nähe lag.
Obwohl Raven ein angesehener Offizier war, hieß das trotzdem nicht, dass sie unter besseren Bedingungen leben durfte. Schließlich war das Primärziel aller Soldaten Frieden zu bringen. Bevorzugung würde daher nur Unruhe und Tumult in den Mengen auslösen.
Ein kurzes Rauschen unterbrach die Stille, die noch immer den Raum durchdrang.
„Offizier Brickmore, bitte in der Zentrale melden. Offizier Brickmore, bitte in der Zentrale melden."
Raven saß noch immer nachdenklich auf ihrem Bett und lauschte der Durchsage. Immer wieder ging sie die geschehenen Ereignisse in ihrem Kopf durch und vergaß innerhalb dieser Erinnerungen völlig an die Durchsage.
„Raven! Komm du wirst gebraucht!" Erst jetzt realisierte sie, dass Alex, eine ihrer engsten Freundinnen, halb in der Tür stand und mit einer lauten Stimme immer wieder denselben Satz wiederholte. „Raven?" – „Ja?" Alex betrat das Quartier und zog Raven mit auf den Gang. „Wenn du dich jetzt nicht beeilst, dann ist der erste Eindruck dahin!" Raven schnappte sich im Vorbeigehen noch ihre Offiziersjacke und drehte das Licht hinter sich ab.
„Welchen ersten Eindruck?", fragte sie mit einer verwirrten Stimme? Alex schien so in Eile zu sein, dass sie diese Frage nicht bemerkte und zog sie weiter mit sich. „Alex! Weißt du warum ich mich in der Zentrale melden soll?" Während Raven stoppte zog sie, die immer noch ihre Hand haltende, Alex mit sich, sodass auch diese anhielt.
„Es spricht sich ziemlich schnell herum, wenn jemand ein Gruppenleiter wird. Ganz besonders wenn diese Person einen Freund wie Ben hat, der alles herumerzählt." Raven ließ Alex Hand los und ging einen Schritt nach vorn. „Und was hat das damit zu tun, dass ich mich bei der Zentrale melden soll?" Die beiden standen sich jetzt so nah, so dass Alex in Ravens Augen erkennen konnte, dass der Geduldsfaden bei ihrer Freundin zu reißen drohte.
„Es ist nur logisch, dass du deinem neuen Team vorgestellt wirst.", antwortete Alex. Raven atmete, noch immer mit ihren Augen auf Alex fixiert, einmal tief ein und setzte den Weg zu der Zentrale fort. Sie ging schnell an Alex vorbei.
„Raven, jetzt warte einmal! Vorher hörst du nicht einmal auf die Durchsage und jetzt hudelst du, als ob dein Leben davon abhängig wäre." Sie ging Raven hinter her, bis beide nebeneinander den Gang entlang marschierten. „Weißt du das ganz sicher Alex?" Nicht einmal den Kopf drehte sie, als sie zu ihrer Freundin sprach. Raven ging mit gerader Haltung immer weiter.
„Ja, ich bin ein Teil deines Teams." Diesen Satz sagte Alex mit so einer Euphorie, dass sie fast bis zum Satelliten hätte springen können. Ravens Gesicht dagegen war mit weit weniger Freude erfüllt. Sie sah Alex schon fast vorwurfsvoll an. „Okay...ich hätte eine bessere Reaktion von dir erwartet, als nur diesen enttäuschten Blick." Raven veränderte ihre Mimik nicht und fing an mit einer lauteren Stimme zu reden.
„Weil es gefährlich ist! Ist dir eigentlich klar, dass dieser Asteroid noch immer in der Umlaufbahn ist? Wenn er sich mit unserer Flugbahn kreuzt, wird nicht nur unser Schiff zerstört, wir werden höchstwahrscheinlich aus der Umlaufbahn geschleudert und diejenigen, die diese Kollision vielleicht überlebt haben, werden spätestens dann, wenn sich das Schiff beginnt aufzulösen, sterben."
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Raven
Science Fiction„Sie waren leitende Truppenführerin bei dem Einsatz am Mond ‚B2-X'?", fragte der Oberkommandant mit einer gerunzelten Stirn. „Ja Sir!" Die ernste Miene des Offiziers war ein Zeichen von Disziplin und gehorsam. Sie stand mit den Beinen schulterbreit...