Ich trainierte heute schon seit drei Stunden. Früher hätte ich nie gedacht, dass mir das mal Spaß machen würde, aber mittlerweile war es mein Ziel, an den Paralympics teilzunehmen.
Also schwamm ich seit drei Stunden. In dieser Zeit müsste ich 180 Bahnen geschwommen sein. Eine Bahn pro Minute. Dann war ich gut genug für die Paralympics. Doch das war ich noch nicht. Also musste ich noch härter trainieren. Immer und immer härter.
„Jonas", hörte ich plötzlich eine sanfte Stimme, „willst du nicht mal Pause machen?"
Ich seufzte. Das war Iris. Meine Trainerin. Außerdem war sie Sanitäterin. Und ich war Hals über Kopf in sie verliebt. „Ich schwimm nur noch ein paar Bahnen", erwiderte ich. „Wenn ich bei den Paralympics mitmachen will, muss ich nämlich noch viel besser werden."
Streng sah sie mich an. „Training ist wichtig. Das weiß ich, glaub mir. Aber zu viel Training ist auch nicht gesund."
Ich runzelte die Stirn. „Ich hab doch eh nichts besseres zu tun. Dank meiner beschissenen Krankheit hab ich ja kein Leben mehr."
„Jonas, du weißt, dass das nicht wahr ist", entgegnete sie. „Du bist doch gerade dabei, dir wieder ein Leben aufzubauen. Und das klappt doch sogar ganz gut."
„Ganz gut?", wiederholte ich. „Es läuft scheiße! Für die Paralympics werde ich nie im Leben gut genug sein! Und die Frau, die ich liebe, weigert sich, sich ihre Gefühle für mich einzugestehen!"
Seufzend blickte sie zu Boden. „Jonas, du musst doch verstehen, dass..."
„Nein, das versteh ich nicht", meinte ich und zog mich aus dem Becken. „Ich will nur eins von dir wissen. Und zwar die Wahrheit. Hast du Gefühle für mich? Ja oder nein? Wenn du mir sagst, dass du keine Gefühle für mich hast, lass ich dich in Ruhe. Aber wenn du Gefühle für mich hast, dann gehen wir zusammen einen Kaffee trinken."
Sie nickte. „Also gut. Jonas, es tut mir leid, aber ich hab keine..."
So einfach war das für sie also? Ich hätte nicht gedacht, dass sie es schaffen würde, mir das zu sagen. Aber sie konnte es wohl doch.
Da hielt sie plötzlich inne und sah mir in die Augen. „Na schön, du hast recht. Jonas, ich hab Gefühle für dich. Sehr starke sogar. Aber es geht nunmal nicht. Du bist noch minderjährig."
„Verdammt, das ist doch egal!", erwiderte ich ein wenig heftiger als beabsichtigt. „Ich will doch nur endlich wieder glücklich sein."
Und da zog sie mich plötzlich an sich und küsste mich. Es war kein intensiver und leidenschaftlicher Kuss, sondern nur ein kurzer Kuss auf den Mund. Trotzdem spürte ich die tiefe Bedeutung, die in ihm lag. Iris empfand ebenfalls etwas für mich.
Als sie sich von mir löste, sah sie mich wieder ernst an. „Ich sag dir jetzt mal genau, was ich fühle. Immer wenn du lachst oder mich auch nur schief ansiehst, verspüre ich sofort den Drang, dich zu küssen. Aber das ist nicht richtig."
Ich blickte ihr tief in die Augen und nahm ihre Hände. „Es fühlt sich aber richtig an."
„Ja, du hast recht", stimmte sie mir zu, „aber nicht alles, was sich richtig anfühlt, ist es auch."
Ich seufzte. „Bitte Iris. Gib uns eine Chance. Und ich verspreche dir, dass alles gut werden wird."
Da fiel mir auf, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Jonas, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie gern ich das würde. Aber denk doch mal daran, was deine Eltern davon halten würden."
„Wir müssen es ihnen ja nicht sofort sagen", schlug ich vor. „Wir warten einfach den richtigen Zeitpunkt ab."
Ich spürte, wie ihre Hände in meinen zu zittern begannen. Sie war nahe dran, mir eine Chance zu geben. Das wusste ich. „Jonas, ich weiß wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist. Wir würden da wirklich ein Risiko eingehen."
„Ist Liebe denn in gewisser Weise nicht immer ein Risiko?", wandte ich ein.
Nun erschien ein zartes Lächeln auf ihren Lippen. „Ja, da hast du wohl recht." Sie seufzte. „Also gut. Morgen Kaffee trinken nach dem Training. Aber nur wenn du mir versprichst, dass du jetzt mit dem Trainieren aufhörst und dich ein bisschen ausruhst."
Ich nickte. „Versprochen." Dann gab ich ihr einen Kuss auf die Wange. „Du wirst es nicht bereuen."Eine Stunde später war ich im Krankenhaus, um Leo zu besuchen. Solange er noch lebte, wollte ich unbedingt so oft wie möglich bei ihm sein.
Die anderen waren bereits bei ihm. „Hey Jonas", begrüßte mich Emma. „Wie war das Training?"
Ich zuckte gespielt gleichgültig die Achseln. „Ach, war nicht besonders aufregend. So wie immer halt."
Sie schienen nichts bemerkt zu haben und das war auch gut so. Hugo sagte kurz, dass es bei ihm in der Schule ganz gut lief und Toni erzählte ein wenig von Valerie. Ich konnte es kaum glauben, dass er jetzt wirklich eine Freundin hatte. Und auch Emma erzählte, was bei ihr Zuhause so los war.
Nur Leo hatte nichts zu erzählen. Was denn auch, wenn er die ganze Zeit nur im Krankenhaus war?
Emma hielt die ganze Zeit seine Hand. Man konnte ihr ansehen, dass sie Mühe hatte, nicht zu heulen. Und dafür hatte ich auch vollstes Verständnis. Wir waren schließlich alle traurig, weil Leo vermutlich nicht mehr lang zu leben hatte.
Nach einer Weile ging Toni, weil er versprochen hatte, bei Valerie vorbeizuschauen. Und auch ich hielt es für eine gute Idee zu gehen, da Emma und Leo so aussahen, als wollten sie alleine sein.
„Ich hol mir etwas zu trinken", meinte ich. „Kommst du mit, Hugo?"
Er schien sofort verstanden zu haben und nickte. „Klar."Als wir auf dem Gang waren, blickte er mich neugierig an. „Du hast was", meinte er. „Du warst irgendwie komisch, als du vorhin vom Training erzählt hast. Ist alles in Ordnung?"
Schnell nickte ich. „Klar. Ich bin nur ein bisschen erschöpft." Verdammt, wie hatte er das nur gemerkt?
„Also irgendwie kann ich dir das nicht glauben", erwiderte er. „Bitte sag mir was los ist. Wir sind doch Freunde."
Stimmt, das waren wir. Und ich vertraute Hugo. Er würde es vermutlich am allerwenigsten weitersagen. Also seufzte ich. „Na gut. Aber du musst versprechen, niemandem davon zu erzählen."
Er nickte. „Versprochen."
Also holte ich tief Luft. „Ich bin verliebt", gestand ich. „Und ja normalerweise ist das was schönes, aber es ist auch kompliziert. Ich meine, sie hat auch Gefühle für mich, aber es gibt da ein paar Dinge, die uns im Weg stehen."
Er sah mich an, als würde er mich ganz genau durchschauen. Und vermutlich tat er das auch. „Du bist in die Sanitäterin verliebt, oder? In deine Trainerin."
Er schien aber auch wirklich alles zu merken. Also nickte ich. „Ja. Sieht so aus."
Er lächelte und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Sprich sie doch einfach mal darauf an. Ich meine, wenn du 18 bist, ist es doch eh kein Problem mehr."
„Sie weiß es", gestand ich. „Wir haben uns geküsst."
Hugo sah mich mit großen Augen an. „Sie dich oder du sie?"
Ich zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Es ist einfach passiert. Ich glaub, wir haben uns einfach beide geküsst."
„Also ich bin wirklich kein Experte in der Liebe", erwiderte Hugo, „aber ich würde dir raten, dir nicht so viele Sorgen zu machen. Wenn ihr euch mögt, dann klappt das schon. Trotz des Alters."
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Liebe mit Hindernissen {Club der roten Bänder}
FanfictionJonas ist so verliebt wie nie zuvor. Und eigentlich hat er ja Glück, da seine Angebetete auch Gefühle für ihn hat. Blöd nur, dass sie über dreißig ist und er noch minderjährig.